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Bildformat: 16:9 (1:2.35) Sprachen / Tonformate: Deutsch, Englisch, Schwedisch (Dolby Digital 5.1/Dolby Surround/DTS) Untertitel: Deutsch Extra: Trailer; Making of, Interview mit Regisseur
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Kapitel- / Szenenanwahl - Making Of - Animiertes DVD-Menü - DVD-Menü mit Soundeffekten - Interviews

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Produktbeschreibung
Bildformat: 16:9 (1:2.35) Sprachen / Tonformate: Deutsch, Englisch, Schwedisch (Dolby Digital 5.1/Dolby Surround/DTS) Untertitel: Deutsch Extra: Trailer; Making of, Interview mit Regisseur

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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.06.2010

Die Liebe zur Wassermelone und andere Torheiten
Das Berliner Arsenal entdeckt Joaquim Pedro de Andrade

Es ist nicht besonders respektvoll, einen anerkannten Dichter im Schlafanzug zu zeigen. Aber Manuel Bandeira liebte es nun einmal, nach dem Frühstück und dem flüchtigen Blick in die Morgenzeitung noch einmal ins Bett zu steigen, die Schreibmaschine an sich heranzuziehen und die ersten Verse in die Tasten zu tippen. Was war außerdem schon dabei, wenn ihm niemand anderes als sein Patenkind Joaquim Pedro de Andrade mit der Kamera zusah? Der Taufsohn war zur Drehzeit, 1959, bereits siebenundzwanzig, und es wurde Zeit, dass Pedro nach dem abgebrochenen Physikstudium und einigen Schmalfilmversuchen endlich als Regisseur bekannt wurde.

Auch eine zweite Persönlichkeit in Rio half, der Soziologe Gilberto Freire, der den jungen Mann ebenfalls einen Tag lang, vom Morgenspaziergang bis zur abendlichen Lektüre in der Hängematte, neben sich duldete. Freire gab sogar vor, unter dem Auge der Kamera ein paar Gedanken zu Papier zu bringen. Aber das war eher ein witziger Einfall, wie vielleicht das gesamte, nur neun Minuten dauernde Porträt "O mestre de Apipucos" im Grunde einen Scherz darstellt, den man - genauso wie "O poeta de Castelo" - wegen der strengen Schwarzweißfotografie viel zu ernst nimmt. Von beiden Herren bleibt nicht viel mehr in Erinnerung, als dass sie ihr Leben genießen, der erste im bescheidenen Wohlstand, der zweite in einer Villa mit Hausangestellten und üppigem Garten. Wenn Bandeira, der Poet, herzlich ins Telefon lacht und Freire in der Küche mit Kennermiene die Fischsoße kostet, scheint die Lebensweisheit wieder einmal auf den Punkt gebracht.

Weil man aber in Deutschland mit Scherzen niemals ernst genommen wird, nennt das Berliner Arsenal Andrade "eine Schlüsselfigur des Cinema Novo", dieser Neuen Welle des brasilianischen Kinos, die wir bisher vor allem mit den Namen Nelson Pereira dos Santos (geb. 1928) und Glauber Rocha (1938 bis 1981) in Verbindung brachten. Ihre berühmten Filme spielen vorzugsweise im trockenen Landesinneren, dem Sertão, handeln von armen Bauern und kühnen Banditen und klagen mit unerbittlichem Pathos gegen Unterdrückung und Not. Auch Andrades erster und bester Spielfilm "O padre e a moça" (Der Priester und das Mädchen) aus dem Jahr 1965 könnte man leicht ins Sertão-Schubfach stecken: Ein junger Priester kommt in ein ödes Dorf, wo er meint, ein Mädchen vor einer Zwangsheirat retten zu müssen. Stattdessen verfällt er dessen werbendem Liebreiz und stürzt es und sich selbst, von einer bigotten Menge gejagt, ins Unglück. Vor der Kamera Mário Carneiros, einem der besten jener Jahre, flirren die hellen Gewänder der jungen Frau und die schwarze Soutane des Priesters in der trostlosen Landschaft. An den Verhältnissen rütteln bedeutet, sich selbst zu zerstören, ließe sich der Film, der manche Kritiker zum Vergleich mit Arbeiten Robert Bressons anregte, auf einen Cinema-Novo-Nenner bringen, doch Andrade meidet jedes Pathos und entzieht, zugunsten eines absurden Lachens, dem Mitleid den Boden.

Unter Andrades Regie entstanden fünf Spiel- und acht Kurzfilme sowie ein Dokumentarfilm über einen brasilianischen Fußballstar. Dank der von der Tochter Alice de Andrade ins Werk gesetzten aufwendigen digitalen Restaurierung der verschlissenen Kopien stehen sie seit wenigen Jahren wieder zur Verfügung und sind den Juni über im Kino Arsenal zu sehen. "O padre e a moça" liegt der Roman eines Onkels des Regisseurs, Carlos Drummond de Andrade (1902-1987), zugrunde, und auch die beiden als Höhepunkte seines Schaffens geltenden Arbeiten "Macunaime" und "O homem do Pau-Brasil" (etwa: Der brasilianische Mann) aus den Jahren 1969 und 1981 gehen auf literarische Vorlagen aus dem wohlbekannten Haus de Andrade zurück: Mário de Andrade (1893-1945) und Oswald de Andrade (1890-1954), der als Hauptvertreter des brasilianischen Modernismus gilt. "Macunaíma" schmückt vergnüglich die Legende eines wilden Urwaldkindes aus, das zu nichts taugt, als in der Großstadt Abenteuer mit einem Kannibalen und einer Guerrilla-Kämpferin zu bestehen. "O homem do Pau-Brasil" dagegen handelt, ebenso knapp gesagt, von einer Persönlichkeitsspaltung auf dem Weg ins Paradies der sexuellen Glückseligkeit. Beide Filme haben die Form von Collagen und schütten ein Füllhorn voller Anspielungen und gargantualischem Hohngelächter, deren Verständnis freilich mehr Landeskenntnis voraussetzte.

Durch seinen Namen geschützt, konnte es sich Andrade leisten, 1972, auf dem Höhepunkt der Herrschaft der Generäle, mit dem Kostümfilm "Os confidentes" (Die Verschwörer) an eine im Keim erstickte Auflehnung von Patrioten Ende des 18. Jahrhunderts gegen die portugiesische Zwangsherrschaft (die Verschwörung von Minas) zu erinnern, bei der fast alle Beteiligten dank ihrer rechtzeitigen Unterwerfung mit dem Leben davonkamen. Stilistisch deutlich an Manoel de Oliveira geschult, beklagt der Film den gängigen Opportunismus, der die Rebellion (wie andere auch) im Sande verlaufen ließ. Nur wer nichts zu verlieren hat, mag die Rolle des Märtyrers bis zum Ende spielen.

Man geht nicht fehl, Joaquim Pedro de Andrade, der 1988 im Alter von erst sechsundfünfzig Jahren starb, den großen Außenseiter des Cinema Novo zu nennen. In der städtischen Kultur und deren literarischen Zirkeln fühlte er sich weitaus besser zu Hause als etwa Glauber Rocha, der immer wieder ins Sertão aufbrach und, als dies unter das Verdikt der Zensur fiel, nach Afrika ging. Es passte zu Andrade, dass er in den achtziger Jahren plante, Salingers Kultbuch "Fänger im Roggen" auf die Leinwand zu bringen, was sich zerschlug. Als dann die Sexwelle über das brasilianische Kino kam, war er als Spötter wieder obenauf. Seine "Guerra conjugal" (etwa: Der Geschlechterkrieg) aus dem Jahr 1975 decouvriert das Verführen und Verführtwerden als allgemeinen Volkssport, bei dem die Lust zur Einbildung verkommt. Der Kurzspielfilm "Vereda tropical" von 1977 fügt diesem Spaß noch das Porträt eines Liebhabers von Wassermelonen hinzu, der sich mit der billigen Frucht ein weitaus größeres sexuelles Vergnügen zu verschaffen versteht als mit den in seinen Augen viel zu anspruchsvollen Frauen. Ohne rot zu werden, macht sich der brasilianische Regisseur hier erneut über eine Welt lustig, die lieber ihren eigentümlichen Reflexen als der Vernunft folgt - wovon sie denn auch das Kino nie wird abbringen können.

HANS-JÖRG ROTHER

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