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Eine Zehnjährige aus gutem Haus schließt Freundschaft mit einem Gelegenheitsarbeiter, der in einem verlotterten Wohnwagen außerhalb der Idylle lebt. Bald erregen die Außenseiter Argwohn. Die guten Bürger rüsten zum ultimativen Kampf gegen das Böse...
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Produktbeschreibung
Eine Zehnjährige aus gutem Haus schließt Freundschaft mit einem Gelegenheitsarbeiter, der in einem verlotterten Wohnwagen außerhalb der Idylle lebt. Bald erregen die Außenseiter Argwohn. Die guten Bürger rüsten zum ultimativen Kampf gegen das Böse...

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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.1998

Auf einer Bohnenranke in den siebten Himmel
Trutzburgen und Luftschlösser: Das kleine filmische Wunder "Heimliche Freunde" von John Duigan

Die Siedlung Camelot Gardens ist gerade erst bezogen worden, und der Geruch der Farbe scheint noch in der Luft zu liegen. Doch dies ist nur der neue Anstrich, der etwas übertüncht, was eine lange und dunkle Vergangenheit hat. Das mitten in Kentucky gelegene Camelot Gardens ist eine Festung, in der sich die Reichen verschanzen vor den Armen, den Neidern und den Dieben, die ihnen mit neugierigen Augen und raffgierigen Händen nach dem Luxusleben trachten. Selbst die Kamera duckt sich bisweilen ehrfurchtsvoll vor den beiden dunklen Türmen, die sich rechts und links der Einfahrt erheben, bis auf den Asphalt, als müsse sie erst um Einlaß bitten. Es war einmal und ist noch so, daß die gehobenen Stände Schutzwälle errrichten, um ihr Reich zu sichern.

Trent Burns (Sam Rockwell) darf diese Grenze passieren. Er ist der Rasenmäher von Camelot Gardens und hat den gleichen Status wie die Rasensprenger, die hier Tag und Nacht die Grünflächen bewässern. Es gibt nur einen Unterschied: Trent muß bezahlt werden. Und er verdient nicht schlecht, denn der Rasen wird hier so kurz wie möglich gehalten. Er darf zwar wachsen, doch sollte er jemals sprießen, würde Trent wegen Wucherei zur Verantwortung gezogen. In Camelot Gardens wird ein Mauerblümchen wie die zehnjährige Devon (Mischa Barton) niemals aufblühen. Dafür sind die Auswüchse ihrer Phantasie um so üppiger: Devon träumt von Bäumen, die in Sekundenschnelle aus dem Boden schießen und auf die sie hinaufklettern kann in lichte Höhen, um weit über der Trutzburg der Reichen ein Luftschloß zu errichten, in dem Platz ist für die ganze Welt.

Als Regisseur John Duigan das Drehbuch von Naomi Wallace las, muß er sich gefühlt haben, als öffne er ein Schatzkästlein. Es grenzt an ein kleines Wunder, daß es der Autorin gelungen ist, ein messerscharfes Porträt des Lebens in Suburbia, ein ergreifendes Kindheitsdrama und ein bezauberndes Märchen in einer Geschichte zu vereinen, in der alles Gold ist, was glänzt. Doch des Rätsels Lösung liegt in der Legierung der verschiedenen Elemente. Gerade indem Wallace das Märchen mit kindlicher Naivität ernst nimmt, kommt dessen utopisches Potential zum Vorschein. Das Märchen hat traditionell ein ausgeprägtes Standesbewußtsein, doch schlägt es sich meist auf die Seite der Armen, die mit Einfallsreichtum ihr Glück versuchen, denen es mit Geschick und Mut gelingt, den tristen Boden der Tatsachen zu verlassen, indem sie auf einer Bohnenranke bis in den siebten Himmel klettern.

Trent und Devon, deren Wege sich in den ersten Minuten des Films in einer Parallelmontage von betörender Eleganz immer wieder berühren, bis sie sich schließlich kreuzen, wissen beide, daß sie etwas Besseres als den Tod überall finden, denn sie haben ihm ins Angesicht geblickt. Der gut zwanzigjährige Trent machte vor langer Zeit den Fehler, einen Polizisten zu schlagen, und wurde dafür mit Kugeln durchsiebt. Devon verlor, so erzählt sie, Wannen voller Blut, als die Ärzte sie aufschnitten, um ihr eine künstliche Pumpe für ihr schwaches Herz einzusetzen. Auf der Brust hat sie seither eine lange Narbe, aber darunter schlägt nun ein großes Herz, das sogar einen zähnefletschenden Dobermann mit einschließen kann.

Einige bedeutende amerikanische Kindheitsfilme der vergangenen Jahrzehnte - von "Wer die Nachtigall stört" über "Sommer '42" und "Stand by Me" bis zu "Schrei in der Stille" - erzählen von der Konfrontation mit dem Tod, und manchmal werden die Protagonisten von diesem ebenso stark angezogen wie abgestoßen. Für Devon dagegen ist er ein enger Vertrauter. Somit können Wallace und Duigan als Grundierung ihrer Geschichte schwarzen Humor auftragen, der wie eine Naturfarbe wirkt. Devon klettert zwar nachts aufs Dach und heult, bis ihr ein Hund aus der Ferne antwortet, doch auch wenn ihr Verständnis für die Tierwelt meilenweit reicht, ist es nicht grenzenlos. Als das Mädchen mit einem Huhn redet, stellt es diesem in Aussicht, daß mit ihm wenig Federlesens gemacht wird. Devon ist begierig, von Trent zu erfahren, wie man dem Tier den Garaus macht, verspeist es danach mit Genuß und läßt die abgeschnittenen Krallen vor dem Schein des Lagerfeuers einen Hexentanz aufführen.

Trent kann sich in Camelot Gardens nicht bewegen, ohne anzuecken, weil er auf Schritt und Tritt mißtrauisch beäugt wird. Devon lebt in einem goldenen Käfig. Nahezu alle Einstellungen, in denen sie mit ihren von Christopher McDonald und der wie immer brillanten Kathleen Quinlan verkörperten Eltern zu sehen ist, sind nach dem Prinzip räumlicher Symmetrie komponiert und zeitlicher Symmetrie geschnitten. Ordnung ist hier nicht das halbe, sondern das ganze Leben, und so entwickelt das Mädchen zwangsläufig einen Drang nach dem Dickicht des Waldes, in dem die Natur tun und lassen darf, was sie will, und dem Ufer des Flusses, in der sie die Weite spürt, die sich so sehr von der häuslichen Enge unterscheidet. Als die Freundschaft zwischen Trent und Devon ihren Höhe- und Wendepunkt erreicht, ereignet sich der Moment größter Intimität zwischen den beiden folgerichtig mitten auf einem freien Feld: Sie zeigen einander und berühren ihre Narben.

Aufgrund des Alterunterschiedes zwischen Devon und Trent ist diese Szene überaus heikel, doch sie wird von Drehbuch, Regie und den beiden überragenden Darstellern genau in die richtige Balance gebracht. Die Unbefangenheit des Mädchens, das die erotische Dimension der Beziehung noch nicht empfinden kann, sie aber gleichwohl ahnt, trifft in diesem Moment auf die Schamhaftigkeit und Schüchternheit des jungen Mannes, der bei jeder körperlichen Berührung mit Devon angstvoll zurückweicht, weil er merkt, daß er sich der einzigen Grenze nähert, die er niemals überschreiten darf und will. Es geschah am hellichten Tag, und es war völlig harmlos. Doch niemand will glauben, daß Trent nur die Narbe des Mädchens berührt hat, und so wird er von den Bürgern der Stadt gestellt. Trent, der in Rot, Weiß und Blau - den Farben der amerikanischen Flagge - gekleidet ist, der last american hero, hat keine Chance. Aber er hat eine kleine Freundin, deren Phantasie Bäume versetzen kann. So fühlt sich auch der erwachsene Zuschauer im Finale des Films in eine Welt zurückversetzt, in der das Wünschen noch geholfen hat. LARS-OLAV BEIER

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