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Technische Angaben: Bildformat: 16:9 Sprachen / Tonformate: Deutsch (stereo) Ländercode: 2 DVD-Typ: 5 Extras: gezielter Menü-Zugriff auf 2 Themen; weitere DVD-Trailer

Produktbeschreibung
Technische Angaben:
Bildformat: 16:9
Sprachen / Tonformate: Deutsch (stereo)
Ländercode: 2
DVD-Typ: 5
Extras: gezielter Menü-Zugriff auf 2 Themen; weitere DVD-Trailer
Autorenporträt
Harald Lesch, geboren 1960 in Gießen, ist Professor für Theoretische Astrophysik am Institut für Astronomie und Astrophysik der Universität München, Fachgutachter für Astrophysik bei der DFG und Mitglied der Astronomischen Gesellschaft. Einer breiteren Öffentlichkeit ist er durch die im Bayerischen Fernsehen laufende Sendereihe alpha-Centauri bekannt. Seit September 2008 moderiert er die ZDF-Reihe Abenteuer Forschung . Er hat mehrere erfolgreiche Bücher veröffentlicht.

Wilhelm Vossenkuhl, geboren 1945 in Engen/Hegau, wurde 1986 Professor für Philosophie an der Universität Bayreuth und lehrt seit 1993 an der Universität München. Er hat zahlreiche Bücher veröffentlicht. Außerdem gestaltet er eine Philosophie-Sendung für das Fernsehprogramm "BR alpha".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.10.2010

Goethe rennt

Gut, dass Philipp Stölzl "Shakespeare in Love" gesehen hat. Sein Film "Goethe!" erzählt von der Geburt des Dichters als Popstar aus dem Geist des Sturm und Drang.

Goethe? Durchgefallen! Schlecht vorbereitet, aber voller Zuversicht erscheint ein Student im Sommer 1771 vor der Prüfungskommission der Juristischen Fakultät der Universität Straßburg. Das Semester über hat er Gedichte geschrieben, an einem Drama gearbeitet und etliche Ausflüge ins elsässische Sesenheim unternommen, wo sich eine kleine Liebschaft anzubahnen schien. Jetzt saust er mit Pauken und Trompeten durch die Prüfung. Als er draußen, im Innenhof der Universität, von anderen Studenten verhöhnt wird, entlädt sich sein Ärger in einem grotesken, von Kolja Brandts Kamera virtuos aufgenommenen Ballettauftritt: Der junge Mann verbeugt sich wie rasend vor seinen verblüfften Kommilitonen und vollführt einen sarkastischen Veitstanz der Kratzfüße, an dessen Ende er in großen Buchstaben drei Worte in den Schnee geschrieben hat. Zuerst das "Götz"-Zitat: "Lecket mich". Dann folgt die Unterschrift: "Goethe".

Die Aufforderung gilt nicht nur den Studenten, sie gilt auch den Herren der Prüfungskommission, und sie gilt der Welt und ihren Konventionen. Von den ersten Minuten an macht dieser Film deutlich, dass die Liebesgeschichte, die ihm zugrunde liegt, nicht allein im Mittelpunkt stehen soll: "Goethe!" will von Rebellion, Aufruhr, Liebesglück und Lebensleid erzählen. Ein Genie bricht aus, durchlebt eine Krise und setzt sich durch, gegen Selbstzweifel, den Willen des Vaters, erstarrte Konventionen und gesellschaftliche Spielregeln, die den tatsächlichen Goethe jener Zeit bis in den Schlaf verfolgten.

Schnee im Sommer? Hat es im August des Jahres 1771 in Straßburg geschneit? Natürlich nicht, aber wenn Shakespeare Böhmen ans Meer verlegen kann, darf es in einem Film über Goethe auch im Sommer schneien. "Goethe!" ist der erste Kinofilm über das Leben des Dichterfürsten, aber er zeigt nicht das ganze Leben Goethes, sondern nur einen winzigen Ausschnitt: Johann in Wetzlar - die vier Monate von Mitte Mai bis Mitte September 1772, die Goethe wegen eines Rechtspraktikums am dortigen Reichskammergericht verbrachte. In der Provinzstadt, "klein und übelgebaut", lernt er den jungen Legationsrat Johann Christian Kestner kennen und wenig später dessen bezaubernde Braut Charlotte Buff. Goethe verfällt ihr Hals über Kopf, aber Lotte heiratet den anderen. Statt sich im verzehrenden Liebeskummer eine Kugel in den Kopf zu schießen, schreibt er in rasendem Schaffensrausch "Die Leiden des jungen Werther", den Roman, der dieser unglücklichen Liebe ein Denkmal setzt und seinen Verfasser über Nacht berühmt macht. Im Film schreibt Goethe den in Wahrheit erst zwei Jahre nach der Wetzlarer Episode erschienenen Roman in Kerkerhaft, denn sein Nebenbuhler hat ihn nach einem Duell verhaften lassen.

Als Goethe auf väterlichen Befehl nach Frankfurt zurückkehrt, ist ihm der Ruhm vorausgeeilt: Der "Werther" ist bereits erschienen und ein beispielloser Erfolg. Die Schlussbilder erinnern an das Finale von Tom Tykwers "Parfüm" und zeigen den Dichter, wie er sich vor der Masse der Verehrer auf das Dach einer Kutsche flüchtet und von dort aus Autogramme gibt: "Goethe! A Star is born".

Wie sieht ein literarischer Popstar des achtzehnten Jahrhunderts aus? Wie richtet sich das deutsche Kino ein deutsches Genie zu? Tom Hulce zeigte Mozart 1984 in Milos Formans "Amadeus" als keckernden Kindskopf, Joseph Fiennes unterstellte 1998 in "Shakespeare in Love" dem Dramatiker fast ebenso viel Opportunismus wie Genie. Sieben Oscars hat John Maddens Film abgeräumt - und man kann dem Regisseur Philipp Stölzl, der zusammen mit Christoph Müller und Alexander Dydyna auch das Drehbuch verfasst hat, nicht vorwerfen, sie hätten sich bei "Shakespeare in Love" nicht manchen Kniff abgeschaut. Das Grundprinzip ist identisch: Wie "Shakespeare in Love" ein Film über die Entstehung eines weltberühmten Theaterstücks war, so ist "Goethe!" ein Film über die Entstehung des weltberühmten Romans. In beiden Fällen erwächst zusätzlicher Reiz aus der tatsächlichen oder behaupteten biographischen Nähe des Autors zu seinem Stoff. Goethe ist zwar nicht "Werther", aber Buch und Film zeigen "Goethe in Love".

Wie Fiennes mit offenem Hemd durch London rannte, sprintet nun Alexander Fehling durch Straßburg, der Postkutsche hinterher, die das Manuskript des "Götz" zum Verleger befördern soll. Gothe rennt, Goethe reitet, Goethe zecht, Goethe berauscht sich zusammen mit dem Freund und Leidensgenossen Karl Wilhelm Jerusalem an Tollkirschen, Goethe weint, schreibt und liebt. Rasant gleitet die Feder übers Papier, verzweifelt fließen die Tränen, als der ebenfalls unglücklich verliebte Jerusalem sich erschießt. Dass Goethe Wetzlar zum Zeitpunkt des Selbstmordes bereits verlassen hatte und nur durch einen Brief von dem Ereignis erfuhr, zählt zu jenen historischen Details, die dramaturgischen Erwägungen geopfert werden. Goethe, der Pragmatiker, hätte es kaum anders gemacht. Skrupel plagten ihn selten: Als Kestner sich in der Figur Alberts ungünstig dargestellt sah und Protest gegen die bevorstehende Veröffentlichung des Manuskripts einlegte, schrieb Goethe ihm zurück: "Werther muss - muss seyn!"

Wir denken Goethe meist vom unanfechtbaren Ende her, als Weimarer Klassiker. Stölzls Film zeigt Goethes Anfänge, die Sturm-und-Drang-Zeit, die erste große Krise, die dem Erfolg vorausgeht, die aber auch böse hätte enden können. Stölzl konzentriert sich auf den Moment, in dem Goethe hätte scheitern können, aber stattdessen sein Patentrezept entwickelte: rasche Flucht mit anschließender künstlerischer Verarbeitung. Dafür braucht es einen Schauspieler, dem man den sensiblen Egoisten und treuherzigen Zechkumpan ebenso abnimmt wie das aufmüpfige Junggenie, den ohnmächtig aufbegehrenden Sohn, den himmelhochjauchzenden Liebenden und den zu Tode betrübten Verlassenen. Stölzl vertraut neben bekannten Namen - Moritz Bleibtreu als Kestner, Henry Hübchen als Johann Kaspar Goethe und Burghart Klaussner als Lottes Vater - zwei jungen Schauspielern, die man noch nicht oft gesehen hat. "Goethe!" ist nicht das ganz große Kinoerlebnis, gelegentlich von fernsehfilmhafter Biederkeit, und kann nur selten mit Tempo, Witz und Brillanz von "Shakespeare in Love" konkurrieren. Aber die Besetzung überzeugt vollkommen. Fehling hat alles, was ein junger Goethe braucht, und Miriam Steins mädchenhafte Natürlichkeit bewirkt, was noch der greise Dichterfürst an Lotte rühmte: "Die heiterste Luft wehte in ihrer Umgebung."

Wie das "unschuldige Gemisch von Wahrheit und Lügen", als das Goethe seinen "Werther" schamlos bezeichnete, ist auch "Goethe" klug auf gewisse Effekte hin berechnet. Den Schülern, die bald in Heerscharen in diesen Film getrieben werden, steht nun vielleicht kein neues "Werther-Fieber", aber doch eine freudige Überraschung bevor: Auch Goethe war einmal jung.

HUBERT SPIEGEL

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