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George Grosz, geboren am 26. Juli in Berlin, bissiger Zeichner und Maler des ,Gesichts der herrschenden Klasse', enfant terrible der 1920er Jahre, angeklagt wegen Pornographie und Gotteslästerung, war einer der populärsten bildenden Künstler der Weimarer Republik. Kaum bekannt ist jedoch, dass Grosz die Hälfte seines künstlerisch produktiven Lebens in den USA verbrachte, bevor er 1959 nach Berlin zurückkehrte. Wie kaum ein anderer bildender Künstler hat Grosz neben seinem bildnerischen ein schriftstellerisches Werk hinterlassen, das in Gedichten und Briefen seine eigene Situationzur Sprache…mehr

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Produktbeschreibung
George Grosz, geboren am 26. Juli in Berlin, bissiger Zeichner und Maler des ,Gesichts der herrschenden Klasse', enfant terrible der 1920er Jahre, angeklagt wegen Pornographie und Gotteslästerung, war einer der populärsten bildenden Künstler der Weimarer Republik. Kaum bekannt ist jedoch, dass Grosz die Hälfte seines künstlerisch produktiven Lebens in den USA verbrachte, bevor er 1959 nach Berlin zurückkehrte. Wie kaum ein anderer bildender Künstler hat Grosz neben seinem bildnerischen ein schriftstellerisches Werk hinterlassen, das in Gedichten und Briefen seine eigene Situationzur Sprache bringt: Sein widersprüchlicher Weg vom engagierten kommunistischen Künstler der 1920er Jahre zum Zweifler an jeglicher ,Weltverbesserungs-Ideologie' und an der Wirkung von Kunst überhaupt kommt darin ebenso zum Ausdruck wie seine Abrechnung mit den einstigen politischen Freunden, die zum Teil wider besseres Wissen an ihren Idealen festhielten. Angesichts der weltpolitischen Veränderungen der letzten Jahre gewinnen diese Texte von George Grosz erneute Aktualität und Brisanz.
Autorenporträt
Christine Fischer-Defoy arbeitet als Historikerin, Autorin und Filmemacherin in Berlin über die Themen Nationalsozialistische Verfolgung, Widerstand und Exil.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.2013

Es begann mit den Listen der Erschossenen

Der Auschwitz-Prozess hat den Deutschen die Augen für den Holocaust geöffnet. Im Bolongaropalast wird jetzt ein Spielfilm über das Jahrhundertverfahren gedreht.

Von Hans Riebsamen

"Da draußen läuft ein Mörder frei herum." Ob der Frankfurter Journalist Thomas Gnielka diesen Satz einst tatsächlich in der Frankfurter Staatsanwaltschaft dem Oberstaatsanwalt und seinen Mitarbeitern ins Gesicht geschleudert hat, weiß niemand. Er tut es aber in Person des Schauspielers André Szymanski an diesem Drehtag im Bolongaropalast in Höchst ein gutes halbes Dutzend Mal. "7.2, die Sechste", ruft der Kameraassistent und lässt die Klappe fallen. Und wie in den zuvor abgedrehten Einstellungen antwortet der Oberstaatsanwalt auf Gnielkas Hinweis, ein SS-Mörder aus Auschwitz unterrichte an einem Frankfurter Gymnasium, mit höhnischem Zynismus: "Wieder auf der verzweifelten Suche nach einer Story?"

Thomas Gnielka, Wiesbaden-Korrespondent der "Frankfurter Rundschau", hat damals, im Januar 1959, nicht nur die Story seines Lebens gefunden. Die Geschichte, die er anstieß, hat auch die junge Bundesrepublik verändert. Bei ihm hatte sich Emil Wulkan gemeldet, ein Auschwitz-Überlebender. Er gab Gnielka ein Bündel Akten mit den Worten: "Vielleicht ist es etwas, das Sie als Journalist interessiert."

Mit diesen Akten, die Gnielka umgehend Hessens Generalstaatsanwalt Fritz Bauer zukommen ließ, hatte die Justiz nach Bauers Worten "einen Zipfel von Auschwitz" in die Hände bekommen. Die durchnumerierten Listen der Erschießungen von Häftlingen "auf der Flucht", ausgefertigt von der Kommandantur des Lagers Auschwitz, bildeten den Ausgangspunkt für ein historisches Verfahren, das als Frankfurter Auschwitz-Prozess in die Rechtsgeschichte eingegangen ist.

Damals, als der 1949 aus dem Exil in Schweden zurückgekehrte Bauer es erreichte, dass der Bundesgerichtshof alle Strafsachen gegen Auschwitz-Täter dem Landgericht Frankfurt übertrug, war für die Deutschen der Name Auschwitz ein Fremdwort. Kaum einer interessierte sich dafür, dass in diesem Lager in Polen Hundertausende von Juden und andere von den Nazis als "Untermenschen" betrachtete Häftlinge systematisch ermordet worden waren. In den Aufbaujahren verdrängte man in Deutschland das Thema Judenvernichtung weitgehend. Kaum einer wollte etwas von den Verbrechen der jüngsten Vergangenheit wissen, die im Namen des deutschen Volkes verübt worden waren.

Diese damalige Atmosphäre des Nichtwissens und Nicht-wissen-Wollens in seinem Film "Im Labyrinth" greifbar zu machen, ist für den Regisseur Giulio Ricciarelli eine der schwierigsten Aufgaben. "Ich und die Schauspieler müssen unser Wissen von heute ausklammern." Den beiden Hauptfiguren, dem Journalisten Gnielka und dem von dem Schauspieler Alexander Fehling verkörperten Staatsanwalt Johann Radmann, wird erst im Laufe der Ermittlungen klar, welches Morden in Auschwitz stattgefunden hat. Radmann macht in diesem Film, der nicht den Auschwitz-Prozess zeigt, sondern dessen Vorgeschichte, jenen Lernprozess durch, den Fritz Bauer dem deutschen Volk mittels des Frankfurter Prozesses aufzwingen wollte.

Über den Holocaust war in Deutschland vor den 183 Verhandlungstagen in der "Strafsache gegen Mulka und andere" weitgehend geschwiegen worden. Die Täter mochten verständlicherweise nicht darüber reden, aber auch die neue Generation von Demokraten wollte es nicht. Selbst die Opfer blieben in vielen Fällen stumm. Die Mutter der Filmautorin Elisabeth Bartel etwa konnte nie über die Verfolgung sprechen, die ihre jüdische Familie getroffen hatte. Ihre Tochter hat den Stoff für den Film "Im Labyrinth" entwickelt, nachdem sie vor noch nicht allzu langer Zeit in einer Tageszeitung einen historischen Bericht über den Auschwitz-Prozess gelesen hatte.

In ihrem mit dem Regisseur Ricciarelli verfassten Drehbuch beginnt der junge idealistische Staatsanwalt Johann Radmann, sich gegen den Willen seines Vorgesetzten mit dem Fall zu beschäftigen, auf den der Journalist Gnielka durch Zufall gestoßen ist. Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, gespielt von Gert Voss, überträgt Radmann die Ermittlungen, dieser gerät in den Sog immer neuer erschreckender Erkenntnisse, er überwirft sich mit Freunden, Kollegen, Verbündeten und gerät in Gefahr, sich in einem Labyrinth aus Schuld und Lügen zu verlieren.

In der erwähnten Szene, in der Gnielka dem ignoranten Frankfurter Oberstaatsanwalt entgegentritt und von ihm der Behörde verwiesen wird, steht der junge Staatsanwalt Radmann in seinem braven Anzug und mit ordentlich gekämmtem Haar noch abseits und verfolgt erstaunt das Geschehen. Später wird er im Amtszimmer von Fritz Bauer mit diesem über das Menschheitsverbrechen sprechen, für das der Name Auschwitz steht.

Dieses Büro befindet sich jetzt im westlichen Flügel des Bolongaropalastes. Dort hat die Münchener Produzentin Sabine Lamby einen Raum nach dem Vorbild von Bauers Dienstzimmer einrichten lassen. Die Möbel sind für die sechziger Jahre etwas ausgefallen, der Schreibtisch etwa hat einen schwarzen Überzug aus Leder. Und die Tapete an der Stirnseite wirkt mit ihrem grau-schwarzen Design noch heute avantgardistisch. Der Generalstaatsanwalt, das zeigt die dem Original nachgebildete Einrichtung, war ein weltläufiger moderner Mann mit Geschmack.

Die anderen Räume des Bolongaropalastes dagegen strahlen eine verklemmte Muffigkeit aus, wie sie in den fünfziger und frühen sechziger Jahren wohl in einer Staatsanwaltschaft geherrscht haben. In dem seit einigen Monaten nicht mehr genutzten und von der Stadt Frankfurt zur Verfügung gestellten Flügel des herrschaftlichen Gebäudes haben die Ausstatter gute Arbeit geleistet: Auf den klobigen Holzschreibtischen stehen schwarze Telefone mit Drehscheibe, das modernste Gerät in diesen Büros ist ein Fernschreiber.

"Im Labyrinth" ist ein Kinofilm, er soll im nächsten Jahr in die Lichtspielhäuser kommen. Das Werk wird unter anderem von der Hesseninvest-Film und der Filmförderungsanstalt unterstützt, 40 Drehtage sind eingeplant. Ricciarelli hat schon Aufnahmen im IG-Farben-Haus gemacht, ein weiterer Drehort wird eine alte Kanzlei bei der Jahrhunderthalle sein. Die letzte Szene spielt vor dem Rathaus Römer, just bevor der Auschwitz-Prozess im Plenarsaal der Stadtverordnetenversammlung beginnt.

Diesen Prozess hat der Journalist Gnielka nicht mehr besucht. 1963 wurde bei ihm Hautkrebs diagnostiziert, im Januar 1965 starb Gnielka mit 36 Jahren. Was er mit seinen Listen über die Erschießung von Auschwitz-Häftlingen in Bewegung gebracht hat, ist weitgehend vergessen.

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