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FALLEN LEAVES erzählt von zwei einsamen Menschen (Alma Pöysti und Jussi Vatanen), die zufällig im nächtlichen Helsinki aufeinandertreffen. Beide sind auf der Suche nach der ersten, einzigen und endgültigen Liebe ihres Lebens. Der Weg zu diesem ehrenwerten Ziel wird erschwert durch die Alkoholsucht des Mannes, verlorene Telefonnummern, die Unkenntnis des Namens und der Adresse des jeweils anderen - und nicht zuletzt durch die allgemeine Tendenz, den Pfad des eigenen Lebensglücks mit Steinen zu pflastern.
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Interviews mit Alma Pöysti und Jussi Vatanen Trailer

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Produktbeschreibung
FALLEN LEAVES erzählt von zwei einsamen Menschen (Alma Pöysti und Jussi Vatanen), die zufällig im nächtlichen Helsinki aufeinandertreffen. Beide sind auf der Suche nach der ersten, einzigen und endgültigen Liebe ihres Lebens. Der Weg zu diesem ehrenwerten Ziel wird erschwert durch die Alkoholsucht des Mannes, verlorene Telefonnummern, die Unkenntnis des Namens und der Adresse des jeweils anderen - und nicht zuletzt durch die allgemeine Tendenz, den Pfad des eigenen Lebensglücks mit Steinen zu pflastern.

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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.09.2023

Das Glück des Herbstes
In seinem Film "Fallende Blätter" kehrt Aki Kaurismäki nach Helsinki zurück, um eine weitere Liebesgeschichte aus der Welt der Armut zu erzählen. Aber sein Blick wirkt nicht nostalgisch, sondern scharf und genau.

Als Ansa aus dem Supermarkt kommt, der sie wenig später als Kassiererin vor die Tür setzen wird, leuchtet ihr blauer Mantel durch die Dunkelheit. Sein Blau hebt sich auch aus dem trüben Innenraum des Busses ab, mit dem die erschöpfte Ansa vom Stadtzentrum an die Peripherie fährt, und es schimmert weiter in der Schwärze der Vorstadt, wo sie allein über leere Straßen und schweigende Höfe läuft. Es ist, als trüge der Mantel sie durch ihr Leben, so, wie der Taubenflügel die Taube trägt, und erst als sie die Schwelle zu ihrer Wohnung erreicht hat, legt sie seine schützende Hülle ab. Sie ist zu Hause.

Eine Welt der Armut und Entbehrung kann keine Welt der Schönheit sein. Das ist die Prämisse all der Kinomärchen, die vom Aufstieg aus der Gosse in die lichten Höhen des Reichtums erzählen, die eiserne Regel der Filmindustrie. Im klassischen Sozialdrama ist die Armut hässlich. Bei Aki Kaurismäki aber ist sie schön. Sie ist so schön wie das Blau von Ansas Mantel, wie das Rot der Bluse, die sie in der Karaoke-Bar trägt, in der sie den Fabrikarbeiter Holappa kennenlernt, und wie das Gelb der Blumen, die ihr Holappa zu ihrem ersten gemeinsamen Abendessen mitbringt. Und so schön wie Ansa selbst.

Die Schönfärbung der Armut kann ein ästhetischer Skandal sein. Sie taucht die Welt, die sie zeigt, ins Kunstlicht der Lüge. Bei Kaurismäki dagegen wirkt die Not, in die Ansa und Holappa geraten, nicht erlogen, sondern unvermeidlich, und die Schönheit, die aus dieser Not trotz allem erwächst, nicht künstlich, sondern wie ein Stück Natur. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass er sich all die Erklärungen spart, die sonst den Großteil des Kino- und Fernseherzählens ausmachen. Wir erfahren nicht, warum sich Ansa allein durchs Leben schlagen muss oder warum Holappa trinkt. Wir sehen nur, was passiert: Ansa verliert ihren Job im Supermarkt, weil sie eine Portion Brot mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum in ihre Tasche gesteckt hat, und Holappa wird als Fabrikarbeiter gefeuert, nachdem er bei einer Routinekontrolle in ein Röhrchen blasen musste. Dann arbeitet Ansa in der Stahlfabrik, und Holappa geht zum Bau, aber auch dort wird er entlassen, als man ihn mit einer Schnapsflasche erwischt. Nur Ansa macht immer weiter, mit ungerührtem, trotzigschönem Gesicht.

"Fallende Blätter" ist Aki Kaurismäkis achtzehnter Spielfilm, und wie die meisten Filme des finnischen Regisseurs spielt er in Helsinki, obwohl Kaurismäki schon seit Langem in Portugal lebt. In einigen Einstellungen des Films sieht man die Stadt von oben: den Hafen, die City, die nächtlichen Straßen. Das ist, wenn man so will, die dokumentarische Seite von "Fallende Blätter". Das Helsinki der Fiktion, das Helsinki Kaurismäkis, ist ein ganz anderes. Es besteht vor allem aus Innenräumen: Kneipen, Küchen, Läden, Fabrikhallen, Schlafzimmer. Dieses Helsinki hat sich seit vierzig Jahren, seit Kaurismäkis Regiedebüt mit der Dostojewski-Verfilmung "Crime and Punishment", kaum verändert. Nur ein paar Accessoires sind dazugekommen: ein Internet-Café, ein Laptop und, zum ersten Mal, Mobiltelefone. Trotzdem spielt die Geschichte im Hier und Jetzt, denn aus dem alten Transistorradio auf Ansas Küchentisch dringen unaufhörlich Nachrichten vom Krieg in der Ukraine, von russischen Raketen, die auf Kinderheime, Einkaufszentren und das Theater von Mariupol fallen. Irgendwann hält Ansa es nicht mehr aus und zieht den Stecker. Aber als Holappa zum Essen kommt, macht sie das Radio wieder an.

In dieser Welt mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum, deren Arbeits- und Lebensverhältnisse aus einem vergangenen Jahrhundert stammen, erleben zwei Menschen eine Liebesgeschichte, die es so nur noch bei Kaurismäki gibt, weil sich kein anderer Regisseur trauen würde, sie in dieser Schlichtheit zu erzählen. Nach der Begegnung in der Karaoke-Bar verlieren sich Ansa und Holappa erst einmal aus den Augen. Dann sieht sie ihn volltrunken an der Bushaltestelle sitzen, und irgendwann später, vor einer anderen Bar, in der sie als Küchenhilfe gejobbt hat, spricht er sie an. Sie gehen ins Kino, doch er verliert den Zettel mit ihrer Telefonnummer. Sie suchen und finden sich schließlich, sie lädt ihn zu sich ein, aber als er nach dem Essen zur Flasche greift, sagt sie: "Ich mag dich sehr, aber einen Säufer nehme ich nicht."

Und dennoch glaubt man an die Möglichkeit dieses Glücks. Nicht weil es nichts Wichtigeres gäbe auf der Welt; die Nachrichten aus dem Ukrainekrieg sind ja deutlich genug. Sondern weil es in der Welt dieses Films, diesem Helsinki der Verlorenen, keinen anderen Hoffnungsschimmer gibt, als dass zwei einsame Seelen sich ineinander erkennen. Das Genre, zu dem die Geschichte gehört, heißt Melodrama, und in seiner Ursprungsform auf dem Theater bestand es ebenso aus Liedern wie Dialogen. So auch bei Kaurismäki. Je weniger seine Figuren reden, desto mehr spricht die Musik für sie: vor allem das Klagemotiv aus Tschaikowskys sechster Symphonie, aber auch Schuberts "Serenade" und Préverts "Les feuilles mortes" mit finnischem Text. Und nur in einem Kaurismäki-Film kann ein Stahlarbeiter, der mit brüchigem Bass "Herbst unter der Vogelbeere" singt, eine Szene exakt im Gleichgewicht zwischen Komik und Verzweiflung halten.

Nicht nur im Filmtitel fallen die Blätter. Schon lange herrscht Herbststimmung in Kaurismäkis Welt. Seinen neuen Film bezeichnet er als Nachzügler der "Proletarischen Trilogie" aus den Neunzigerjahren, aber eigentlich müsste man eher von einer Hommage an sich selbst reden, als Rahmen für die vielen kleinen Hommagen, die er in Form von Filmplakaten und -zitaten seinen Kinovorbildern widmet: Godard, Melville, Bresson, Jarmusch, John Huston, David Lean. Dennoch fehlt in diesem Rückblick jeder Schimmer von Nostalgie. Die Erzählung ist von falschen Sehnsuchtsfarben frei. Sie geht ihren Gang, ohne auf die Filmgeschichte zu schielen. Die Blätter fallen, doch sie welken nicht.

Holappa macht Schluss mit dem Trinken. Die beiden verabreden sich. Dann hat er einen Unfall. Im Krankenhaus sitzt Ansa an seinem Bett und liest ihm vor, erst Klatschmagazine, dann Kreuzworträtsel. Als er aus dem Koma erwacht, holt sie ihn ab. Sie hat einen Hund dabei. "Er heißt Chaplin." Sie gehen über einen Platz, und die Kamera lässt sie los. Fallende Blätter. Steigendes Glück. Die Welt der Armut und Entbehrung ist schön. Für einen Moment. Im Kino. ANDREAS KILB

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