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Carl Theodor Dreyer Edition DVD-Box
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-> Das Wort (Dänemark 1955, 120 min.): Eine Bäuerin stirbt nach der Totgeburt ihres Kindes. Der irrsinnige Bruder des Mannes hatte diesen Tot vorausgesagt, zugleich aber versprochen, er werde sie wieder zum Leben erwecken. An der Totenbahre bittet er, wieder geheilt, Gott um die Auferstehung, die tatsächlich geschieht.
-> Du sollst deine Frau ehren (Dänemark 1925, 107 min.): Ein tyrannischer Familienvater, der seine beruflichen Schwierigkeiten und Enttäuschungen an Frau und Kinder abreagiert und die aufopfernde Arbeit seiner Frau missachtet, wird durch eine Verschwörung der Familie
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  • Anzahl: 4 DVDs
Produktbeschreibung
-> Das Wort (Dänemark 1955, 120 min.):
Eine Bäuerin stirbt nach der Totgeburt ihres Kindes. Der irrsinnige Bruder des Mannes hatte diesen Tot vorausgesagt, zugleich aber versprochen, er werde sie wieder zum Leben erwecken. An der Totenbahre bittet er, wieder geheilt, Gott um die Auferstehung, die tatsächlich geschieht.

-> Du sollst deine Frau ehren (Dänemark 1925, 107 min.):
Ein tyrannischer Familienvater, der seine beruflichen Schwierigkeiten und Enttäuschungen an Frau und Kinder abreagiert und die aufopfernde Arbeit seiner Frau missachtet, wird durch eine Verschwörung der Familie kuriert.

-> Gertrud (Dänemark 1964, 113 min.):
Um 1910: Das Eheversprechen zwischen der Sängerin Gertrud und dem Anwalt Gustav Kanning enthält eine ganz besondere Klausel. Statt sich ewige Treue zu schwören, geloben sie sich gegenseitige Freiheit, sollte ihre Liebe eines Tages verblassen. Jahre später fordert Gertrud ihr Recht auf eine neue Liebe ein ...

-> Tag der Rache (Dänemark 1943, 93 min.):
Am Beispiel einer dänischen Pfarrersfamilie in der Hexenzeit des 17. Jahrhunderts spürt der Film menschlicher Schwäche und Einsichtsfähigkeit nach.

Bonusmaterial

- Kapitel- / Szenenanwahl - Interviews - Dokumentation „Mein Metier - Carl Theodor Dreyer“ - Carl Theodor Dreyer und „Gertrud“ - Dokumentarfilm „Carl Theodor Dreyer“
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.09.2009

Die Liebe triumphiert nur bei den Enttäuschten
In weiter Ferne, so fremd: Vier Filme des großen Dänen Carl Theodor Dreyer sind in einer Box erschienen

Carl Theodor Dreyer Edition.

Arthaus. 4 DVDs. "Du sollst deine Frau ehren", "Das Wort", "Gertrud", "Tag der Rache". Dänisch, Deutsch, Untertitel. Extras: Diverse Dokus.

Im Jahr 1964 gab es in Paris einen kleinen Skandal. Der Film "Gertrud" von Carl Theodor Dreyer hatte Premiere, das jüngste Werk von einem der großen Regisseure des europäischen Kinos. Das Publikum war verstimmt, denn diese Szenen einer skandinavischen Ehe schienen vollkommen aus der Zeit gefallen zu sein. Gertrud, eine dänische Advokatengattin, bewegt sich durch den Film, in dem alle ihre Beziehungen zerbrechen, mit ganz nach innen gewendeter Verzweiflung. Allenfalls hat sie einmal Kopfschmerzen, und als sie am Ende einen Ausweg findet und wählt, wird dies nicht mehr gezeigt - nur ein Epilog lässt uns dann noch wissen, was aus dieser leidenschaftlich liebenden Frau geworden ist: eine Einsiedlerin, deren Gedanken um ihre Grabinschrift kreisen.

"Gertrud" musste als ein anstößiges Werk erscheinen angesichts der Tatsache, dass Dreyer seit den zwanziger Jahren in vielen Filmen nach einer Bildsprache gesucht hatte, die dem Irrationalen einen Platz in der Geschichte der aufklärerischen Vernunft einräumt - und nun sollte plötzlich alles bürgerliches Dekor und idyllische Kulturlandschaft sein, gedämpfte Passion und heroische Entsagung, gefilmt in statischen Frontalszenen ohne Gegenschuss? Immerhin war Dreyer der Regisseur, der Maria Falconetti die Haare abschneiden ließ, bevor er sie als Jeanne d'Arc auf dem Scheiterhaufen filmte, in ekstatischen, unvergesslichen Großaufnahmen. (In Amerika bei Criterion erschienen.) Oder der Regisseur, der einen der stärksten Horrorfilme des frühen Kinos gemacht hatte, "Vampyr", nach einem Roman von Sheridan Le Fanu. (In England bei Masters of Cinema.) Vieles von dem, was Lars von Trier heute macht, wäre ohne Dreyer undenkbar, manche Projekte beziehen sich sogar ganz direkt auf den Landsmann und Vorläufer.

Eine vierteilige DVD-Auswahl mit Filmen von Carl Theodor Dreyer bringt es nun mit sich, dass sich die Position von "Gertrud" in seinem Werk ein wenig besser einschätzen lässt. In der Regel beruht die Auswahl bei Editionen dieser Art ja ebenso sehr auf der komplizierten Gemengelage von Rechten, Restaurationen, Fassungen und dergleichen wie auf stringenten kuratorischen Überlegungen. Das hat dazu geführt, dass in der Box von Arthaus neben "Gertrud" (1964) noch zwei weitere Schlüsselwerke enthalten sind ("Ordet"/"Das Wort", 1955, und "Vredens Dag"/"Tag der Rache", 1943) sowie ein relativ unbekanntes frühes Ehedrama, das den deutschen Titel "Du sollst deine Frau ehren" trägt und in der hier zugrundeliegenden englischen Fassung "Master of the House" heißt. Allen vier Filmen gemeinsam ist ein ausgeprägtes Interesse für weibliche Identität unter dem Druck etablierter Vorstellungswelten.

Dreyer hat sich mehrfach mit dem Phänomen der Hexenangst beschäftigt, besonders ausführlich in "Vredens Dag", der zwar auch als eine Allegorie auf die Besetzung Dänemarks durch das nationalsozialistische Deutschland lesbar ist, in dem es aber doch zentral um die Fragen geht, die später in "Gertrud" schon in wesentlich stärker sublimierter Form erscheinen: die "Lust des Fleisches" gegenüber der "Arbeit des Mannes", die hier durch die Figur des Geistlichen Absalon mit dem Wort Gottes identifiziert wird. Das sexuelle Erwachen der jungen, zweiten Frau von Absalon wird in einer Welt, die an Hexen glaubt, unweigerlich damit in Zusammenhang gebracht. Der göttliche und patriarchale Zorn wächst aber gerade an der Unverfügbarkeit der weiblichen Lust, und Dreyer setzt mit großer Deutlichkeit eine naturreligiöse Möglichkeit gegenüber der traditionellen Angstreligion ins Recht.

In "Ordet" ("Das Wort") geht es nicht um die Strafdoktrin der christlichen Religion, sondern um deren Entsprechung, um eine Gnadenlehre, die Dreyer mit einer Wunderprovokation verbindet. Auch hier steht eine protestantische Familie im Mittelpunkt, der Glaube ist allerdings schon brüchig, und Inger, die Frau von Morten, wird gewissermaßen zum Einsatz und zum Opfer in einem religiösen Disput, den zwei Männer ausfechten. Es gibt dann allerdings noch einen dritten Mann, einen heiligen Narren, durch den die Geschichte eine radikale Wendung erfährt. Der kanonische Rang von "Ordet" erweist sich auch daran, dass der mexikanische Regisseur Carlos Reygadas erst kürzlich mit "Stellet Licht" eine neue, im zentralen Motiv pointiert und sehr intelligent verschobene Variante dazu vorgelegt hat, ein Remake in Form einer Umschrift, eine Hommage als Korrektur.

Der ästhetisch am weitesten entfernte Film in der Dreyer-Edition von Arthaus ist nicht von ungefähr der älteste: "Du sollst deine Frau ehren" stammt aus dem Jahr 1925 und erzählt in Stummfilmbildern, die häufig noch durch eine Kreisblende verkleinert sind, ein Ehedrama zwischen einer vollkommen erschöpften Hausfrau und ihrem verwöhnten Mann, einem Haustyrannen, dessen üble Laune in der ersten Stunde langwierig gezeigt wird. Er steht am Morgen als Letzter auf, muss dann unbedingt seinen Kaffee haben, schimpft über das Singen der Vögel, die seine Frau sich als Trost hält, und übersieht ganz, dass auch seine halbwüchsige Tochter schon ganz in das Arbeitsregime eingespannt ist, zu dem diese Familie geworden ist. Als der Mann schließlich das Haus verlässt, erweist sich, dass sein Verhalten auch mit geschäftlichem Misserfolg zu tun hat - er hat nichts zu tun und lässt das an seiner Familie aus. "Du sollst deine Frau ehren" läuft auf ein pädagogisches Experiment hinaus, eingeleitet von der alten Nana, einer selbstbewussten Zofenfigur, die einfach die Ehefrau zur Kur schickt und dem Mann eine Lektion in Selbstversorgung verordnet. Auch hier ist das Vokabular noch in Teilen religiös ("Buße tun"), aber es ist schon ganz in die zwischenmenschlichen Verhältnisse aufgegangen - die Menschen müssen voreinander bestehen und nicht vor einem jenseitigen Gericht.

Gertrud unterscheidet sich von der Ehefrau in "Du sollst deine Frau ehren" vor allem durch ihren Stand. Sie war früher einmal eine gefeierte Sängerin, nun ist sie mit einem Advokaten verheiratet, der im Begriff ist, zum Minister berufen zu werden. Gertrud muss nicht arbeiten, aber auch sie hat ihren Mann verloren, er sieht nur noch seine Geschäfte, und irgendwann ist der Punkt überschritten gewesen, an dem das "Blut" (mehrfach der Begriff für die leidenschaftliche, sexuelle Liebe) das Paar noch verbunden hat. Gertrud wird in diesem Film mit den drei Männern ihres Lebens konfrontiert, vor allem aber wird sie auf die Zeitlichkeit verwiesen, der alles unterliegt. Es macht einen großen Unterschied, ob ein Mann fünfundzwanzig oder fünfundvierzig Jahre alt ist, wenn er sagt: "Ich liebe dich."

Dass dies für Gertrud (Nina Pens Rode) gleichermaßen gilt, wird in dem Film mit einem Satz verdrängt, der schon zu rhetorisch ist, um nicht als (uneingestandene) Lüge der Männer durchschaubar zu sein: "Du bist immer noch jung und rein wie eine Braut." Dies zu einer Frau, die vor vielen Jahren ihren Lebensmenschen, den Dichter Gabriel Lidman, verlassen hat, weil er als Libertin noch nicht bereit war für die Liebe, und die nun, da sie ihren Ehemann verlassen wird, gerade mit dem Musiker Erland Jansson eine neuerliche Demütigung erlebt.

Was die Liebe aber ist, wird in "Gertrud" unaufhörlich und mit der Gefasstheit derer besprochen, die schon darauf zurückblicken - es scheint, als wäre es erst die Enttäuschung, aus deren Perspektive die Liebe über alles triumphiert: "Amor omnia" ist das Motto von Gertrud. Daran wohl mag das Publikum im Jahr 1964 in Paris Anstoß genommen haben, so dass daneben übersehen werden konnte, dass Dreyer auf Grundlage eines Stücks von Hjalmar Söderberg auch eine sehr moderne Frauenfigur entwarf, eine stolze Agnostikerin, die schließlich nach Paris geht, wo sie sich einem intellektuellen Zirkel anschließt und an der Sorbonne einschreibt.

"Gertrud" heißt mit dem Untertitel "Ein Zeitbild vom Anfang des Jahrhunderts", es sind inzwischen fast genau hundert Jahre, die uns von dieser Epoche trennen, auf die auch Dreyer schon mit der Distanz von fünfzig Jahren blickte. Sich mit seinen Filmen neu zu konfrontieren heißt auch, einen Blick dafür zu gewinnen, wie kompliziert und verschlungen Entwicklung in der Geschichte (der individuellen wie der größeren) verläuft. Die Dreyer-Edition bei Arthaus ist zweifellos, trotz aller hilfreichen dokumentarischen Bonusmaterialien, auch ein Zeichen dafür, wie fremd manche Klassiker werden können. Einen Skandal lösen diese Filme nicht mehr aus, eine Herausforderung aber stellen sie mehr denn je dar.

BERT REBHANDL

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