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Eine Familie lebt im Nirgendwo, nicht weit vom Dorf. Vater und Sohn verkaufen die Kohle, die die Familie produziert, ins Dorf, Mutter und Töchter verlassen den Ort nie. Ihr Geheimnis schweißt die Familie zusammen und zerstört sie zugleich. Gamila, die Tochter, hat die Familie ruiniert. Nach den gesellschaftlichen Regeln der patriarchalen ländlichen Gesellschaft, in der sie lebt, hängt die Ehre der Familie vom Verhalten der Tochter ab: Sie muss sich den Regeln dieser Gesellschaft unterordnen. Ihr Vater - hin- und hergerissen zwischen der gesellschaftlich-moralischen Pflicht, sie zu töten und…mehr

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Produktbeschreibung
Eine Familie lebt im Nirgendwo, nicht weit vom Dorf. Vater und Sohn verkaufen die Kohle, die die Familie produziert, ins Dorf, Mutter und Töchter verlassen den Ort nie. Ihr Geheimnis schweißt die Familie zusammen und zerstört sie zugleich. Gamila, die Tochter, hat die Familie ruiniert. Nach den gesellschaftlichen Regeln der patriarchalen ländlichen Gesellschaft, in der sie lebt, hängt die Ehre der Familie vom Verhalten der Tochter ab: Sie muss sich den Regeln dieser Gesellschaft unterordnen. Ihr Vater - hin- und hergerissen zwischen der gesellschaftlich-moralischen Pflicht, sie zu töten und seiner Liebe zu ihr - erfindet einen dritten Weg: Er zieht mit der Familie ins Nirgendwo. Während der Vater eine Wasserleitung baut, die er vor einer mysteriösen Gefahr verteidigt, entwickelt seine Familie Durst nach Wasser, Essen, Freiheit, Sex, Erotik, Liebe, Begierde ... Durst nach Leben.

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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.04.2005

Familie in Isolationshaft
Am falschen Ort in der falschen Zeit: Der Film "Atash" von Tawfik Abu Wael

Die Familie von Abu Shukri lebt in einem Niemandsland zwischen Wüste und Wald. Der Vater, die Mutter, zwei Töchter und ein Sohn haben sich hierher zurückgezogen vor einer Schande, die zu Beginn des Films "Atash" von Tawfik Abu Wael nur angedeutet wird. Abu Shukri hat seine Familie zu diesem Exil verurteilt. Er hat sie abgetrennt von einem Volk, das selbst ohne eigenes Land ist: Die Palästinenser leben in den Grenzen des Staats Israel oder jenseits davon, aber hier wie dort sind sie "am falschen Ort" (Edward Said). "Atash" handelt nun davon, daß sie häufig auch in der falschen Zeit leben.

Denn Abu Shukri (Hussein Yassin Mahajne) ist ein Patriarch, der seine Familie unerbittlich beherrscht. Die ältere Tochter - so stellt sich allmählich heraus - wurde vor vielen Jahren vergewaltigt. Dem strengen Sittenkodex entsprechend, dem Abu Shukri sich verpflichtet fühlt, müßte er Gamila töten. Weil er dies nicht über das Herz bringt, verurteilt er sie zu einem Leben außerhalb der Gesellschaft. In den Ruinen eines alten Truppenübungsplatzes fristet Gamila ihr Dasein, umsorgt von der Mutter und der Schwester. Nur der Bruder stiehlt sich gelegentlich davon, um in die Schule zu gehen. Auch dagegen spricht sich Abu Shukri aus: "Er hat genug gelernt." Statt dessen zwingt er den Sohn dazu, mit ihm in den Wald zu gehen, wo sie das Holz finden, aus dem sie später nach einem primitiven Verfahren Kohle produzieren. Der Rauch, der dabei entsteht, durchweht die erste Einstellung von "Atash".

Tawfik Abu Wael ist ein palästinensischer Filmemacher, der in Israel lebt und auch die israelische Staatsbürgerschaft besitzt. Die dortige Filmförderung hat "Atash" unterstützt. Kontrovers ist diese Entscheidung nicht, denn es geht ausdrücklich nicht um den Konflikt zweier Völker und auch nicht um ein Siedlerdrama, sondern um eine Parabel über die Ehrenmoral, der sich viele Palästinenser unterwerfen. Die israelische Armee kommt nur indirekt ins Spiel, weil Abu Shukri und sein Sohn im Wald stets auf der Hut vor einer Patrouille sind. Sie leben in einem vorstaatlichen Bezugssystem, aber wenn sie einen Hubschrauber hören, wird ihnen immer wieder klar, daß dies ein untragbarer Zustand ist.

Die Geschichte von "Atash" ("Durst") beginnt damit, daß Abu Shukri eine Wasserleitung in ein nahe gelegenes Dorf legen läßt. Die Rohre stellen eine Gefahr dar, weil sie den Weg zu der abgelegenen Wohnstätte weisen. Aber sie stehen auch für den Fortschritt, für ein Leben, das nicht mehr im geheimen stattfindet, für Teilhabe an einer Gesellschaft, die auch an einem Außenposten noch Feiertage und Konsum kennt und eine moderne Moral, von der Abu Shukri nichts wissen will. Die Leute haben das Verbrechen an Gamila längst vergessen. Selbst die Tochter scheint es verwunden zu haben. Nur der Vater leidet noch immer an seiner Ohnmacht von damals. Oder war es Feigheit?

Tawfik Abu Wael entwickelt "Atash" als Familiendrama. Die fünf Figuren sind völlig aufeinander angewiesen. Die Mutter (Amal Bweerat) versucht sich als Vermittlerin, die aber ihren Ehemann auch dann nicht mehr aus seiner Starre befreien kann, wenn sie ihr Haar öffnet und ihn an frühere Zeiten zu erinnern versucht. Gamila (Roba Blal) und ihre jüngere Schwester Halima (Jamila Abu Hussein) lesen heimlich Bücher, sie riechen an Parfüm und träumen von einer großen Liebe. In den Kisten und Schatullen befinden sich Bilder, die darauf hinweisen, daß es einmal ein anderes Leben gab, einen größeren Horizont. Eine Ansichtskarte aus Kairo deutet darauf hin, auch ein Bild des jungen Abu Shukri, auf dem er noch keinen Bart trägt. Der Sohn (Ahmad Abed el Gani) muß sich dem Vater unterordnen. Heimlich lernt er für die Prüfungen in der Schule, aber die tägliche Fron läßt ihm wenig Zeit.

"Atash" erzählt von einem Machtkampf zwischen Menschen, die einander lieben und gleichzeitig aneinander verzweifeln. Die sorgfältig komponierten Bilder sind dabei ein Gefängnis zweiter Ordnung: Tawfik Abu Wael ist vor allem an der Verdichtung einer "kleinen" Situation interessiert. Die Isolation, die der Vater der Familie auferlegt, stellt der Regisseur ästhetisch noch einmal her. Als Gamila einmal die Flucht ergreift, kommt sie bis an eine größere Stadt, von der sie aber nur einen kurzen Blick erhascht. Dann flüchtet sie sich in eine Höhle. In diesem Moment erliegt "Atash" ein wenig seiner eigenen Prämisse. Tawfik Abu Wael geht es so vordringlich um die Reproduktion von Machtstrukturen in einer geschlossenen Gesellschaft, daß er selbst den Schritt ins Offene nicht machen will. Er hält seinem Volk einen Spiegel vor, in dem die Konturen des Archaischen deutlich erscheinen, während die Details der Moderne verschwimmen.

BERT REBHANDL

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