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Die dritte Festschrift für Carl Friedrich von Weizsäcker
Sein neunzigster Geburtstag war ein Großereignis (SZ vom 19. und 28. Juni 2002). Nun ist die Festschrift erschienen. Ein Ereignis – wie immer – schon wegen der Prominenz der Autoren und Buntheit der Themen. Die erste Festschrift für Carl Friedrich von Weizsäcker (hrsg. von Erhard Scheibe und Georg Süßmann, Vandenhoeck & Ruprecht 1973) enthielt beispielsweise eine akademisch strenge Abhandlung über die „Engelzeit bei Thomas von Aquin” von Wolfgang Wieland oder, von Sebastian von Hoerner, die mathematische-technische Untersuchung zur Bevölkerungsexplosion – und einen Vorschlag, wie diese durch interstellare Expansion der menschlichen Rasse eventuell gemildert werden könnte. Die zweite Festschrift hat Klaus Michael Meyer-Abich herausgegeben (Hanser Verlag, 1982). Warum Carl Friedrich von Weizsäcker zu seinem Achtzigsten keine Festschrift bekam, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen.
Auch diesmal haben sich Vertreter aller Fachbereiche und Altersschichten versammelt, vom grünen, frisch emeritierten Jungspund, der gerade erst mit dem Festschriftensammeln angefangen hat, bis zu Edward Teller, Weizsäckers etwas älterem Studienfreund, der seinen religiös begründeten Humanismus stets mit nihilistischer Skepsis herausgefordert hat. Einzelne Essays beschreiben Weizsäckers Lebensstationen, Götz Neuneck beispielsweise die endlosen Debatten über Weizsäckers Beitrag zur Atomforschung im Dritten Reich – einschließlich der Konsequenz hieraus: sein wirkungsvolles Engagement für die atomare Abrüstung nach 1945. Weizsäckers wichtigste Beiträge zur Physik, die „Semi-Empirische Massenformel” und der so genannte „Bethe-Weizsäcker-Zyklus” der nuklearen Energiegewinnung von Sternen werden von Karl v. Meyenn und Georg Wolschin erklärt. Für letzteres hat Hans Bethe, der eine Grußadresse beigesteuert hat, den Nobelpreis bekommen; heute weiß man allerdings, dass dies nicht der Hauptenergielieferant unserer Sonne ist.
Das Hauptgewicht des Bands liegt bei Weizsäckers Naturphilosophie und seiner „Ur-Theorie”, der Versuch, die letzte Ebene von Elementarteilchen in der Quantenphysik zu konstruieren. Die umfangreiche Forschung hierüber im deutschsprachigen Raum international bekannter zu machen, war wohl die Absicht hinter der Entscheidung, diese Festschrift auf Englisch zu veröffentlichen. Von den formellastigen Aufsätzen sollte sich der Leser nicht abschrecken lassen; die Mathematik dient hier keiner trockenen Kärrnerarbeit, sondern der spekulativen Kür, wie im Aufsatz von Jörg Becker, der aus der Ur-Theorie eine Art „Hindu-Universum” ableitet, bei dem in jedem Lebenszyklus eine kleine Anzahl der „Ure” aus dem Vorgängeruniversum durch den Urknall tunneln.
„Die Probleme unserer Jugend blieben im ganzen ungelöst, . . .” schreibt Edward Teller in seiner Grußadresse. „Wenn ich Deinen religiösen Glauben teilen könnte, würde ich mir wünschen, dass Du mich einmal im Purgatorium von einem höheren Himmel besuchen würdest.” Vorher jedoch wünschen wir uns noch viele weitere Festschriften für Carl Friedrich von Weizsäcker.
ULRICH KÜHNE
LUTZ CASTELL, OTFRIED ISCHEBECK (Hrsg.): Time, Quantum and Information. Springer Verlag, Heidelberg 2003. 456 Seiten, 49,95 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
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