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Produktbeschreibung
Autorenporträt
Douglas M. Walker, Georgia College, Milledgeville, GA, USA
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.11.2007

Heißes Geld
Warum Roulette die Wirtschaft ankurbelt

Wenn im Casino nächtelang Roulette gespielt wird, dann gewinnt langfristig immer einer: die Bank. Und noch ein zweiter langt kräftig hin: der Staat, der jährlich große Summen an Steuern einnimmt. Glücksspiel galt lange als sündig und wurde von der Obrigkeit unterdrückt. Heute entdeckt sie das Glücksspiel zunehmend als Geldquelle. Sofern der Betrieb von Casinos erlaubt ist, wird er reguliert oder gar monopolisiert.

Der amerikanische Ökonom Douglas Walker findet das falsch. In seinem Buch "The Economics of Casino Gambling" erklärt er, warum eine Freigabe des Glücksspiels zu mehr Wachstum, Arbeitsplätzen und Wohlstand führe. Casinos sind tatsächlich eine riesige Wachstumsbranche. Nach einer von Walker zitierten Studie wird der globale Umsatz im Jahr 2009 die Marke von 100 Milliarden Dollar überschreiten. Die Welt der Spieler (man denke an Dostojewskijs Roman) ist zweifellos ein spannendes Thema. Walker begnügt sich mit einer recht trockenen Analyse, die nur versteht, wer die erbitterte Debatte in Amerika kennt: In den neunziger Jahren wurden in elf Staaten private Casinos legalisiert, doch die moralisch motivierte Opposition gegen das Glücksspiel ist weiter stark.

Einwände gegen die Freigabe des Glücksspiels gibt es viele. Die meisten kann Walker leicht entkräften: etwa den merkantilistischen Irrtum, dass Wirtschaft ein Nullsummenspiel sei; dass also das Wachstum der Casinos auf Kosten anderer Industrien gehe. Oder die Ansicht, dass nur solche Casinos eine Region bereichern, die Touristen anlocken, etwa das Spielerparadies Macao oder die Stadt Las Vegas in der Wüste von Nevada, in der das Glücksspiel 1931 legalisiert wurde. Jede freiwillige Tauschhandlung erzeugt einen Mehrwert auf beiden Seiten, betont Walker. Das gilt auch für Dienstleistungen und Spiele, deren Nutzen viele nicht nachvollziehen können, da sie - statistisch gesehen - langfristig nur Verluste bringen.

Zwei Kapitel widmet Walker den "sozialen Kosten" des Glücksspiels. Kritiker verweisen auf den volkswirtschaftlichen Schaden, den zigtausend Spielsüchtige verursachen, die Arbeit oder Familie vernachlässigen, behandelt werden müssen, von Sozialhilfe leben oder gar kriminell werden. Schätzungen gehen von 9000 bis 30 000 Dollar Kosten je "pathologischen Spieler" aus. Walker hält dies für weit übertrieben. Seine Definition von "sozialen Kosten" ist sehr viel enger.

Problematisch erscheint, dass er unfreiwilligen monetären Transfers, etwa Diebstahl, keinen negativen Wohlfahrtseffekt beimessen will. Der Wert der Vermögensgegenstände bleibe ja der gleiche, wenn auch der Besitzer gewechselt habe. Hier irrt Walker: Wert ist kein objektives Konzept, sondern rein subjektiv. Interpersonelle Nutzenvergleiche sind, wie er selbst schreibt, problematisch. Ein unfreiwilliger Tausch bringt dem Bestohlenen materielle und psychologische Nachteile, die der Gewinn des Diebes nicht wettmachen kann.

Auch wenn einige Punkte der Argumentation kaum haltbar sind: Walker hat ein Buch über die wirtschaftliche Bedeutung des Glücksspiels geschrieben, das zum Nachdenken anregt (das aber auch so teuer ist, dass man einen kleinen Lottogewinn zu seiner Finanzierung braucht). Der Staat, der Glücksspiele lizenziert oder monopolisiert, will weniger die Bürger schützen als schröpfen.

PHILIP PLICKERT

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