26,99 €
inkl. MwSt.
Sofort per Download lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Format: PDF

Etty Hillesum ist mit ihren Tagebüchern und Briefen weltberühmt geworden. Freimütig berichtet sie darin von ihren Liebesbeziehungen, Lektüren und Träumen – und zu Herzen gehend von der Vernichtung der Juden. Aber wer war Etty Hillesum wirklich? Judith Koelemeijer erzählt auf der Grundlage zahlreicher bisher unbekannter Dokumente das viel zu kurze, intensive Leben der jungen Jüdin, die sich keine Grenzen setzen lassen wollte, nicht in der Liebe, nicht im Denken und auch nicht in ihrem Willen, das Schicksal ihres Volkes zu teilen. Die Tagebücher und Briefe Etty Hillesums sind so ungekünstelt und…mehr

  • Geräte: PC
  • ohne Kopierschutz
  • eBook Hilfe
  • Größe: 18.99MB
Produktbeschreibung
Etty Hillesum ist mit ihren Tagebüchern und Briefen weltberühmt geworden. Freimütig berichtet sie darin von ihren Liebesbeziehungen, Lektüren und Träumen – und zu Herzen gehend von der Vernichtung der Juden. Aber wer war Etty Hillesum wirklich? Judith Koelemeijer erzählt auf der Grundlage zahlreicher bisher unbekannter Dokumente das viel zu kurze, intensive Leben der jungen Jüdin, die sich keine Grenzen setzen lassen wollte, nicht in der Liebe, nicht im Denken und auch nicht in ihrem Willen, das Schicksal ihres Volkes zu teilen. Die Tagebücher und Briefe Etty Hillesums sind so ungekünstelt und lebensnah geschrieben, dass sie als große Schriftstellerin lange verkannt wurde und das Bild von ihr ganz von diesen Selbstzeugnissen bestimmt wurde. Judith Koelemeijer hat auf Dachböden und in Kellern das Kriegstagebuch einer Freundin, Briefwechsel und weitere Quellen zum Leben Etty Hillesums aufgespürt. So entsteht das berührende Porträt einer sinnlichen, spirituell und intellektuell hellwachen jungen Frau, die nach ihrem Studium in Amsterdam nicht als Juristin arbeiten konnte, die die russische Sprache und Literatur liebte, obwohl oder gerade weil ihre Mutter vor den Pogromen in Russland fliehen musste, die mit allen Fasern das Leben liebte und sich doch mit Händen und Füßen wehrte, als ihre Freunde sie in einem letzten, verzweifelten Versuch vor den Nationalsozialisten verstecken wollten. Das glänzend geschriebene Buch beginnt mit dieser dramatischen Szene – und fesselt bis zur letzten Seite.
Autorenporträt
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Gudrun Braunsperger liest Judith Koelemeijers Biografie der niederländischen Jüdin Etty Hillesum mit Faszination. Als kraftvolle Lebensgeschichte einer modernen jungen Frau erscheint ihr das auf genauen Recherchen, Zeitzeugenberichten und auf Hillesums Tagebüchern basierende Buch, dem die Autorin laut Braunsperger Tiefe und Komplexität zu verleihen weiß, indem sie über den Einfluss der Psychotherapie auf die junge Frau ebenso berichtet wie über die antijüdische Gewalt in ihrer Heimatstadt Amsterdam während der deutschen Besatzung und die Zustände in Auschwitz..

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.02.2024

Ein Stück von dir in uns retten

Poetik des Widerstands: Judith Koelemeijers Biographie der sich für ihr Volk aufopfernden niederländischen Jüdin Etty Hillesum entwirft die Vita einer freizügigen Frau.

Dass sie exzellente Prosa schreiben konnte, beweisen bereits ihre Briefe aus Westerbork. In den Worten einer jungen Dichterin schilderte Etty Hillesum das Elend in dem berüchtigten niederländischen Durchgangslager, in dem die Neunundzwanzigjährige bis zu ihrer Deportation nach Auschwitz im September 1943 freiwilligen Dienst verrichtete. Die geschmuggelten Briefe erschienen noch während des Kriegs als illegale Widerstandsliteratur und wurden in den Sechzigerjahren abermals gedruckt. Schwieriger verhielt es sich mit der Publikation ihrer zwischen 1941 und 1943 geführten Tagebücher, die erst 1981 in Amsterdam verlegt und bald darauf in Auszügen ins Deutsche übersetzt wurden. "Zu philosophisch" lautete das Urteil über die Hefte, in denen Selbsterkenntnis, poetische Betrachtung und mystische Weltdurchdringung zueinanderfinden und die gleichwohl ein schriftstellerisches Talent bezeugen: "Es ist kein Dichter in mir, es ist nur ein Teilchen von Gott in mir, das zum Dichter heranwachsen könnte."

Ihre Aufgabe, Chronistin ihrer Zeit zu werden, fasste Etty Hillesum in sehr besonderer Weise auf. Die Eindrücke von der Gegenwart verarbeitete sie zunehmend im Dialog mit dem, was sie "der Einfachheit halber als Gott" bezeichnet, das, "was in mir das Allertiefste ist". Die Ratlosigkeit über diese moderne Mystikerin, die sich angesichts der Gewissheit, dass es um die Vernichtung ihres Volkes geht, dennoch weigerte unterzutauchen, erklärt nicht zuletzt die verzögerte Rezeption ihres Vermächtnisses. "Gott, ich sehe allem weiterhin ins Auge", schrieb sie im Mai 1942, "und will vor nichts davonlaufen, sondern versuchen, selbst die schlimmsten Verbrechen irgendwie zu verstehen und zu ergründen, und ich versuche immer wieder, den nackten, kleinen Menschen ausfindig zu machen, der oft inmitten der monströsen Ruinen seiner sinnlosen Taten nicht aufzufinden ist."

Ihre Aufzeichnungen begann sie am 9. März 1941 an einem Schreibtisch in Amsterdam unter dem Eindruck einer Psychotherapie bei dem Chirologen Julius Spier, einem Schüler von C. G. Jung, der das Seelenleben seiner Klienten deren Handlinien abliest. Zwischen Julius Spier und Etty Hillesum entwickelte sich eine intensive Freundschaft, die Erotik nicht ausschloss, vor allem aber wurde der Vierundfünfzigjährige der Mentor ihrer geistigen Entwicklung. Der jüdische Emigrant aus Berlin war es, der der niederländischen Jüdin aus säkularem Bildungsumfeld - ihr Vater Louis Hillesum unterrichtete klassische Sprachen an einem Gymnasium - die Bibel nahebrachte. In rasantem Tempo erlebte sie in ihren letzten Lebensjahren eine verdichtete spirituelle Entwicklung, deren atemberaubende Intensität sich auf den Tagebuchseiten nachvollziehen lässt.

Die geistigen Weggefährten auf ihrem Schreibtisch, Rilke oder Dostojewskij etwa, integrierte Etty Hillesum in ihre Haltung des Herzens. Vom politischen Aktivismus ihres universitären Umfelds hatte sie sich bereits in den Dreißigerjahren allmählich distanziert, ohne jedoch Freundschaften zu Andersgesinnten aufzugeben. Ihr eigener Weg, das wurde für sie zunehmend deutlich, beginnt bei ihr selbst, in ihrem "inneren Himmel". Rilkes "Weltinnenraum" wurde zur gelebten Erfahrung, sie wusste, dass die Grenzen zwischen Innen und Außen, zwischen Leben und Dichtung fließend sind und der Tod das Leben erweitert, indem man ihn ins Dasein einbezieht. Die junge Frau öffnete sich der Lektion ihres Lebens: es unter allen Umständen zu lieben, in Furchtlosigkeit, aber nicht als "verträumte Fantastin", obgleich sie an der Überzeugung festhielt, "dass auch neben der grausamsten Realität noch Platz für schöne Träume ist".

Für die faszinierende Biographie der Etty Hillesum hat die Niederländerin Judith Koelemeijer aufwendige Recherchen betrieben. Um "Ettys Worte aus ihrem 'Schmierheft' zu lösen und in ihren Kontext zu setzen", konnte sie sich ein Jahrzehnt Zeit nehmen; man merkt dem Buch die Reife an. So erschließt sich eine komplexe Familiengeschichte, zu der die Emanzipation des Vaters aus dem Amsterdamer Judenviertel ebenso gehört wie die Emigration der mütterlichen Verwandtschaft aus dem zaristischen Russland und das Leben der beiden jüngeren Brüder, des Arztes Jaap und des hochsensiblen Klaviervirtuosen Mischa. Auf Berichte von Zeitzeugen und Nachfahren gestützt und in Zusammenarbeit mit Historikern entwirft die Biographin die spannend erzählte Vita einer modernen, ja in ihrem Verständnis von Erotik ungewöhnlich freizügigen jungen Frau: Koelemeijer beschreibt die Hausgenossenschaft bei dem Witwer Han Wegerif, dessen heimliche Geliebte Etty war, sie beleuchtet die komplizierte Beziehung zu Julius Spier, sie verfolgt Spuren zu dessen weiblicher Anhängerschaft, zu Ettys verflossenen Liebhabern und zu ihrem ausgedehnten Freundes- und Bekanntenkreis im antifaschistischen Widerstand.

Mit zunehmender Beklemmung liest man von drastische Einschränkungen im Alltag und gewaltvollen antijüdischen Maßnahmen, von den Kriegsumständen in Amsterdam unter deutscher Besatzung und den grauenvollen Lagerbedingungen in Westerbork. Koelemeijer entwirft mögliche Szenarien nach der Ankunft in Auschwitz, wo sich die Spuren der Familie Hillesum verlieren, und sie untersucht die ambivalente Rolle des Judenrats, für den Etty gearbeitet hatte. Die unwürdige Rolle, in die Juden gedrängt wurden, wird in ihrer Tragik erfasst und ebenso sachlich wie behutsam und empathisch unter die Lupe genommen.

Dokumentiert wird auch die Irritation, die Etty Hillesums Entscheidung auslöste, den Leidensweg ihres Volkes in bewusster Aufopferung auf sich zu nehmen. Schwärmerisch und romantisch fanden nicht wenige im Freundeskreis diese Haltung: Ettys Religiosität trübe ihren Blick. Sich selbst zu retten, verstand Etty jedoch völlig anders als der vorwiegend kommunistisch geprägte Widerstand. In ihrer Zwiesprache mit Gott schuf sie eine ebenso paradoxe wie radikale Umkehr: "Dies eine wird mir immer deutlicher: dass du uns nicht helfen kannst, sondern dass wir dir helfen müssen, und dadurch helfen wir uns letzten Endes selbst. Es ist das einzige, auf das es ankommt: ein Stück von dir in uns selbst zu retten."

Und so enden ihre Aufzeichnungen: "Man möchte ein Pflaster auf vielen Wunden sein." Lebendig, kraftvoll und tröstend wirken ihre Worte auch heute, und sie klingen in einer Atmosphäre von Hass und Spaltung erschreckend aktuell. Auf unverhoffte Weise könnte sich ihr Wunsch über ein Menschenleben und eine Epoche hinweg erfüllen: "Ich würde so gern am Leben bleiben, um die neue Zeit vorzubereiten und das Unzerstörbare in mir für die neue Zeit aufzubewahren, die sicherlich kommen wird." GUDRUN BRAUNSPERGER

Judith Koelemeijer: "Mit dem ganzen Herzen". Das furchtlose Leben der Etty Hillesum 1914-1943.

Aus dem Niederländischen von Simone Schroth. Verlag C. H. Beck, München 2024. 605 S., Abb., geb., 34,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
"Eine faszinierende Biographie ... Auf Berichte von Zeitzeugen und Nachfahren gestützt und in Zusammenarbeit mit Historikern entwirft die Biographin die spannend erzählte Vita einer modernen, ja in ihrem Verständnis von Erotik ungewöhnlich freizügigen jungen Frau."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Gudrun Braunsperger

"Judith Koelemeijer kann aufgrund bewundernswert umfangreicher Recherchen eine Reihe bislang unveröffentlichter und teilweise unbekannter Fakten zum Leben Etty Hillesums präsentieren."
SRF, Josef Wallner