einsamen Hotel in den Bergen. Doch schon bald ruft der Wanderweg, der von mysteriösen Schreinen und magischen Steinen gesäumt wird, eine "unerledigte Erinnerung" an ihre Geliebte Chizuru wach. Ein Jahr zuvor trennte sie sich bei einem Ausflug in einer ähnlichen Landschaft nach einem Streit von ihr, und kurz darauf kam die Geliebte bei einem Hausbrand ums Leben. In Form von Träumen, Visionen und Erinnerungen der Erzählerin wird die amour fou der Freundinnen raffiniert in die Rahmenerzählung integriert. Eine unbestimmte Endzeitstimmung, die die Autorin wie hingetuscht heraufbeschwört, geht mit diffusen Schuldgefühlen einher. Der Stil oszilliert zwischen Pop-Poesie und einem dem Haiku entlehnten Vergänglichkeitspathos, das den Lauf der Liebe und Jahreszeiten illustriert.
Auch "Hard luck" ist die Chronik einer Trennung, das Protokoll eines allmählichen Hirntodes, den Kunichan wegen beruflicher Überarbeitung kurz vor ihrer Hochzeit erleidet. Ihre Schwester versteht das Koma schließlich als "heilige Zeit" und Moratorium, das in ihr eine "Membran aus Erinnerungen" hinterläßt.
Die an Kitsch grenzenden Kindheitsrückblenden kontrastieren dabei bewußt mit der morbiden Ästhetik der künstlichen Beatmungsapparate. Yoshimoto vergreift sich dennoch selten im Ton. Wenn die Schwester etwa beim Besuch in der Firma unter Tränen die persönlichen Daten von Kunichan von der Festplatte löscht, so mag man dies als postmoderne Melodramatik verlorener Seelen kritisieren. Doch hinter ihrer selbstironischen Affinität zur Telepathie und Popkultur verbirgt sich - wie im Falle von "Karoshi", dem Tod durch Überarbeitung - ein kreativer Umgang mit kontroversen gesellschaftlichen Phänomenen.
STEFFEN GNAM.
Banana Yoshimoto: "Hard-boiled. Hard Luck". Zwei Erzählungen. Aus dem Japanischen übersetzt von Annelie Ortmanns. Diogenes Verlag, Zürich 2004. 144 S., geb., 16,90 [Euro].
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