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Der Politiker Fidel Castro
Der Partei-, Regierungs- und Staatschef Fidel Castro musste schon sterbenskrank werden, bevor dem inzwischen 81-Jährigen eine rororo-Monographie neben Politikern wie Kemal Atatürk, Adolf Hitler, August dem Starken, Willy Brandt und Ernesto Che Guevara gewidmet wurde. Kein lebender Politiker der Welt hat so lange sein Land regiert wie Fidel Castro die Republik Kuba: seit dem 1. Januar 1959. Das heutige Kuba mit seinen positiven und vielen negativen Seiten ist das Werk einer einzigen Person. So wie die vielbewunderte und in den meisten Zielen gescheiterte kubanische Revolution in die Verantwortung eines einzigen Mannes, des gleichen Fidel Castro Ruz, zu Recht "Máximo Líder" genannt, fällt.
Auch deutsche Autoren haben über Castro geschrieben. Neben der großen Biographie von Volker Skierka (2001) sind die Arbeiten von Walter Hanf, Bert Hoffmann und Raimund Krämer informationsreich und so von Nutzen. Frank Niess holt seine Informationen vorwiegend aus Werken angelsächsischer Autoren. Aus den guten Büchern von Tad Szulc und Leicester Coltman ebenso wie aus der von ihm viel zitierten, überflüssigen, belanglosen und an Irrtümern reichen Biographie des nordamerikanischen Professors Robert E. Quirk. Es fehlen fast ganz die zahlreichen Bücher über Castro von spanischen und lateinamerikanischen Autoren. Diese hat Niess wohl nicht gelesen, weil er offensichtlich kein Spanisch versteht. Wenn er einmal aus dem Spanischen übersetzt, geht es gleich daneben. So, wenn er etwa meint, es sei eine "bittere Ironie der Geschichte", dass der Ort, an dem sich die Guerrilleros sammelten, ausgerechnet "Alegría de Pío"hieß - in der Übersetzung von Niess "Fröhlichkeit des Frommen". Leider bedeutet "Alegría de Pío" aber nur die Fröhlichkeit eines Mannes mit dem geläufigen Vornamen Pío. Die Geschichte zeigt da keinerlei Ironie, und der deutsche Autor ist um einen Witz ärmer.
Die Jugend Castros, seine ersten revolutionären Aktionen wie der Angriff auf die Moncada-Kaserne, die Zeit der Guerrilla in der Sierra Maestra, die Eroberung der Insel, Castros politische Ziele, und wie er sie durchsetzt: das alles wird korrekt dargestellt und spannend erzählt. Wer sich kurz und zuverlässig über Castros Werdegang und seine lange Herrschaft über Kuba informieren will, findet sicher das, was er sucht. Niess schreibt zu Recht, dass Fidel Castro sein Leben lang am Ziel einer größeren Gerechtigkeit für sein Volk festhielt. Dass schließlich in Kuba eine "Gleichheit in Armut" entstand, ist die Tragik der kubanischen Revolution und des Politikers Fidel Castro Ruz.
Auf Veröffentlichungen anderer Autoren kann man sich nicht immer verlassen. Selbst bei den besseren von ihnen, wie etwa bei Leicester Coltman, gibt es Irrtümer. So übernimmt Niess von dem britischen Diplomaten eine angebliche gerührte Äußerung Castros über seinen Vater, die der Máximo Líder 1992 vor dem kleinen Geburtshaus seines Vaters im galicischen San Pedro de Láncara getan haben soll. Doch das hat Castro dort nicht gesagt; der Rezensent muss das bestreiten, denn er stand die ganze Zeit in San Pedro de Láncara neben Fidel Castro. Viele bedeutende Leute - Intellektuelle und Politiker - haben Castro persönlich gut gekannt und sich über ihn geäußert; umso mehr wundert man sich, wenn Frank Niess unter den wenigen Zeugnissen über die Person Fidel Castro neben Gabriel García Márquez, Jorge Edwards und Enrique Meneses zweimal die deutsche Seemannstochter Marita Lorenz zitiert, deren Hauptverdienst es ist, in wenigen Tagen zu Beginn der Revolution einige Male mit Fidel geschlafen zu haben.
WALTER HAUBRICH
Frank Niess: Fidel Castro. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2008. 160 S., 8,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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