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Ein groteskkomischer Roadtrip durch eine posthumane Welt des Chaos und des Krieges, in der es einen einzigen Gewinner gibt: die Liebe. Doktor Garin hat den »Schneesturm« überlebt und ist zehn Jahre später Chefarzt auf Titanfüßen von einer psychiatrischen Klinik im Altaigebirge. Hier residieren die sogenannten political beings - Donald, Wladimir, Emmanuel und Angela, Silvio, Shinzo, Boris und Justin - in Luxussuiten. Was sie alle verbindet: Sie essen, hüpfen, denken und sprechen mit dem Hinterteil. Und sind geplagt von komplexen Neurosen. Doktor Garin gelingt es, sie mit seiner speziellen…mehr

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Produktbeschreibung
Ein groteskkomischer Roadtrip durch eine posthumane Welt des Chaos und des Krieges, in der es einen einzigen Gewinner gibt: die Liebe. Doktor Garin hat den »Schneesturm« überlebt und ist zehn Jahre später Chefarzt auf Titanfüßen von einer psychiatrischen Klinik im Altaigebirge. Hier residieren die sogenannten political beings - Donald, Wladimir, Emmanuel und Angela, Silvio, Shinzo, Boris und Justin - in Luxussuiten. Was sie alle verbindet: Sie essen, hüpfen, denken und sprechen mit dem Hinterteil. Und sind geplagt von komplexen Neurosen. Doktor Garin gelingt es, sie mit seiner speziellen Schocktherapie zu beruhigen. Er will die Menschheit heilen, ihre Zombifizierung verhindern in einer posthumanen Welt, in der es von künstlichen Wesen mit invalidem Körper und Geist nur so wimmelt. Dabei steht ihm seine Assistentin und Geliebte Mascha fest zur Seite. Bis erneut eine Atombombe fällt, das Sanatorium ausradiert wird und der Doktor und sein Team gigantische Bioroboter aktivieren müssen, um auf ihren Rücken zu fliehen. Eine Odyssee durch eine absurde Welt beginnt, die Garin und Mascha voneinander trennt ... Ein dystopischer Abenteuerroman à la Sorokin - verstörend und unfassbar unterhaltsam.

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Autorenporträt
Vladimir Sorokin, 1955 geboren, gilt als der bedeutendste zeitgenössische Schriftsteller Russlands. Er wurde bekannt mit Werken wie »Die Schlange«, »Marinas dreißigste Liebe«, »Der himmelblaue Speck«. Bei KiWi erschienen zuletzt die Romane »Der Schneesturm«, »Telluria«, die Literaturgroteske »Manaraga« und der Erzählungsband »Die rote Pyramide«. Dorothea Trottenberg, geboren 1957 in Dortmund, übersetzt aus dem Russischen. Ausgezeichnet mit dem Paul-Celan-Preis (2012). 2017 erhielt sie die Kulturelle Auszeichnung der Stadt Zürich.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Vladimir Sorokin erweist sich laut Rezensentin Norma Schneider in seinem neuen Roman ein weiteres Mal als herausragender Gegenwartsdiagnostiker. Im Zentrum des im späten 21. Jahrhundert angesiedelten Romans steht der bereits aus Sorokins "Der Schneesturm" bekannte Doktor Garin, der inzwischen in einem Sanatorium arbeitet, das von ausrangierten Politikern frequentiert wird, die realen Vorbildern nachempfunden sind. Nach einem Atombombenangriff - ein recht alltägliches Vorkommnis in der Welt des Romans - muss er die Klinik aufgeben und irrt fortan, zeichnet Schneider nach, durch ein postapokalyptisches Russland, das von allerhand schrägen Gestalten wie etwa sogenannten Zottelorks bevölkert wird. Das von Dorothea Trottenberg sehr gut übersetzte Buch lässt die Vergangenheit in Gestalt zitierter alter Bücher in seine Zukunftsvision einbrechen und spart, schildert die Rezensentin, auch nicht an Fäkalhumor. Literarisch ist das Ergebnis nicht gar so verwegen wie einige ältere Arbeiten des Autors, meint Schneider, aber ein Könner ist Sorokin nach wie vor.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.02.2024

Putin ist eingeliefert
Wladimir Sorokin versammelt in „Doktor Garin“ Russlands Präsident
und anderes politisches Personal in einer Klinik – als wandelnde Popos.
Als die bundesdeutsche Gesellschaft noch ganz versunken war in einem Traum, in dem Putin unser guter Freund war, sah Wladimir Sorokin längst, was kommen würde. Er sagte es dem Publikum in verrückten, beklemmenden Büchern, die ausgedacht waren und unter der Gattung Science-Fiction oder Fantasy firmierten, daher in ihrem alarmierenden Gehalt nicht ernst genommen wurden.
In Kurzgeschichten und Romanen hat der 1955 geborene Sohn eines Metallurgie-Dozenten aus Moskau seine Version der postsowjetischen Geschichte erzählt, und heute muss man feststellen, dass seine fantastischen Texte näher an der Wahrheit waren als alle angeblich wachen und nüchternen Politprofis, Unternehmer und mündigen Bürger.
Heute ist es die Realität der ersten beiden Jahrzehnte dieses Jahrhunderts, die uns wie ein grotesker Albtraum erscheint, weil wir traumselig Sicherheit, Energie und Zukunft dieses Landes einem Mann anvertrauen wollten, der dessen nicht würdig war. Und man hätte es wissen können, hätte man mehr Sorokin gewagt.
Seine Literatur beschreibt die Welt nicht nur, sie erzeugt ein eigenes fantastisches Universum, in dem wir zu Besuch sind, um uns danach umso mehr über die sogenannte Wirklichkeit zu wundern. Wie Salman Rushdie schreibt Sorokin seine Fiktion als einen Akt des kulturellen Widerstands, als Zeugnis der Autonomie der Kunst gegen die trügerischen Behauptungen von Politik, Wirtschaft und Propaganda. Präsident Putin hat sich selbst perfekt in diesen Kosmos eingefügt. Wenn der einstige KGB-Funktionär in Videos seiner Propagandaabteilung als halb entblößter Reiter, Taucher oder Eishockey-Star auftritt, dann wirkt es mittlerweile, als imitiere Putin den Sorokin.
In dessen Texten wechseln die Subjekte ihre Gestalt, werden zu Fabelwesen, zu Zwergen und Riesen und offenbaren so ihr wahres Wesen. In einer Kultur, die durch Jahre der Kontrolle aller Äußerungen und permanente soziale Umwälzungen deformiert ist, ist die Wahrheit gut verborgen. Man brauche zu ihrer Aufklärung, sagte Sorokin in einem Interview, gleich zwei Teleskope: eines, um die Zukunft zu sehen – und eines für die Vergangenheit. Erst in einer solchen historischen Stereoskopie bildet sich ein komplexes Bild der Gegenwart, in dem, wenn man in der sorokinschen Optik geschult ist, die Wahrheit zu erkennen ist. Verborgen in einem krassen Wimmelbild aus Katastrophen, Grotesken und Phantasmagorien.
Sein erster Roman, entstanden noch zu Sowjetzeiten, trug den Titel „Die Schlange“ und bestand aus den Gesprächsfragmenten in einer Warteschlange. Die
wartenden Personen hielten sich brav an die Ordnung der sozialistischen Wartegemeinschaft, wussten genau, wie sie sich zu verhalten hatten – nur eines war ihnen nicht bekannt, nämlich worauf sie da warteten.
Ein besonderes Kennzeichen des sorokinschen Werks ist neben der soziopolitischen Satire die emotionale Intensität – die würde man in diesem Genre, der fantastischen Literatur, so nicht unbedingt erwarten. Aber der Ursprung seiner schriftstellerischen Tätigkeit liegt auf dem Terrain der erotischen Geschichten. Die verfasste und verkaufte er für seine Mitschüler und man merkt, dass solche Passagen ihm wichtig sind. Auch und gerade, wenn der Akt zwischen einem Menschen und einem albinofarbenen Tierwesen beschrieben wird.
In seinem neuen Roman treffen wir den Protagonisten aus „Der Schneesturm“ wieder, Doktor Platon Garin. Ganz spurlos ist das vorige Abenteuer nicht an ihm vorbeigezogen, der Doc läuft nun auf zwei Prothesen aus Titan über die Flure seiner Klinik. Im poetisch-intensiv beschriebenen Altai-Gebirge finden dort ganz besondere Patientinnen und Patienten die Ruhe und Muße zu ihrer Genesung. Es sind Spitzenpolitiker aus alter, nämlich unserer heutigen Zeit. Der Boris ist da, der Donald, die Angela, der Silvio und Emmanuel und auch Justin. Und Wladimir ist auch da – leicht zu identifizieren an seinem Motto und Mantra: Ich war’s nicht! Diese Herrschaften und eine Dame sind aber nicht in vertrauter Gestalt in der Klinik aufgenommen worden, sie erscheinen hier in sorokinscher Modifikation: als, wie man es früher auf dem Pausenhof treffend formulierte, Arsch mit Ohren. Man muss nicht Slawistik studiert haben, um diese Darstellung der ansonsten von ihrem Wesen her durchaus sympathischen Machtmenschen als wenig subtile Kritik an den politischen Leistungen von Merkel, Macron, Berlusconi, Trudeau, Johnson, Trump und Putin zu interpretieren.
Nach der Logik dieses Romans ist dieser Klub maßgeblich dafür verantwortlich, dass die kurze Zeit von Ruhe und Frieden auf Nimmerwiedersehen verging. Zur Strafe treten sie hier in Flatulenz-Wettbewerben auf und bekommen immer mal wieder Stromschläge, denn sie brauchen das. Nicht mal im schönen Altai bleibt man von dem von diesen Ärschen gestifteten Chaos verschont. Eine kasachische Atombombe zwingt die bunte Truppe zur Flucht, aber wohin? In dieser Welt explodieren Kernwaffen wie Luftballons am Kindergeburtstag, kaum jemand schaut noch hin. Es folgt eine Reise einmal quer durch Russland. Garin und die Arschköpfe wohnen in einer Kolonie von Anarchisten und später auch mal auf einem Gutshof, wie er in den großen russischen Romanen des 19. Jahrhunderts beschrieben wird. Seltsame Wesen bevölkern das weite Land, manche frei, viele in Diensten. Immer wieder schildert Sorokin mit großer Freude am Detail Gelage und Gruppensex unter seltsamen Fantasiewesen. Obwohl im absurden Setting dieses Romans jedem alles passieren kann und die Offenheit der Rahmenhandlung die Befürchtung aufkommen lässt, dass die ganze Sache beliebig herumpurzelt, folgt man dem Schicksal der Figuren mit großer Anteilnahme. Auch bei diesem Werk übertrug Dorothea Trottenberg das fantastische Russisch in ein fantastisches Deutsch. An einem Punkt ergeht es Garin besonders schlecht, und er landet in einer besonderen Strafkolonie. Sie ist das Relikt obskurer sowjetischer Genexperimente. Die Insassen müssen möglichst exakte Nachbildungen von Smartphones anfertigen, und zwar aus Holz. Die werden in mühevoller Kleinarbeit geschnitzt und geschmirgelt, bis sie täuschend echt wirken. Und dann werden sie alle in einem großen Ritual verbrannt. Sorokin versteht es, auch in dieser maximal freien Form des Erzählens spannende Situationen und eindrückliche Bilder zu schaffen, sodass man immer wieder mitfiebert, auch wenn es um synthetische Fabelwesen geht.
In dieser grotesken Komposition in Gestalt eines Reiseromans äußert sich die Moral der Geschichte in ihrer Form. Weil Mensch in Vorstellungskraft und Empfindung frei ist, braucht er Geschichten. Und diese Geschichten begründen die Forderung nach weitergehender, nach kreativer und politischer Freiheit. Sorokins Doktor Garin wirkt wie eine literarische Achterbahnfahrt: Erst schaukelt man gemächlich und fröhlich vor sich hin – wenn die politischen Popos ihre Mätzchen vorführen – dann geht es dramatisch abwärts und immer wieder auch aufwärts, aber eben nie sehr lang. Die Umwälzung der Werte, von der Nietzsche schrieb, ist hier gewöhnlicher Alltag. Das gilt nicht nur für die Weltanschauung und private Versprechungen, es gilt auch für den Tausch, die Währung. Überall gibt es andere Wertgegenstände.
So reist man durch Geschichte, Kultur und den Wahnsinn der ehemaligen Sowjetunion und erkennt zwei Dinge: Es ist in der kulturellen Tiefe weit schlimmer als an der politischen Oberfläche. Und: So wie es ist, wird es nicht bleiben. Die Liebe und die Fantasie, unsere Geschichten und unsere Gemeinschaft sind die Kräfte, auf die es ankommt, um diese unguten Geister zu bannen. Es wird der Tag kommen, an dem Wladimir „Ich war es nicht“ Putin seine Macht einbüßt und Wladimir Sorokin nach Moskau zurückkehrt. Bis dahin gibt es Russland zweimal: das Fake-Imperium der Oligarchen und der Elenden und das strahlende, komplexe und zutiefst menschliche der Literatur Sorokins.
„Im zwanzigsten Jahrhundert“ so hob Marcel Reich-Ranicki bei festlichen Gelegenheiten gerne an „gab es Adolf Hitler und es gab Thomas Mann.“ Es war seine Art, den Nazis nicht die Bühne allein zu überlassen. Die Literatur war auch da, eine symbolische Macht eigener Qualität, die rettete, was zu retten war. Bald schon wird diese Formel für das Russland des 21. Jahrhunderts Anwendung finden. Es gibt Sorokin und es gab – dieses Arschgesicht, das es nicht gewesen sein will.
NILS MINKMAR
Mit großer Detailfreude
schildert Sorokin
Gelage und Gruppensex
Wladimir Sorokin.
Foto: Maria Sorokina / Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
Wladimir Sorokin:
Doktor Garin. Kiepenheuer & Witsch,Köln 2024. 592 Seiten, 26 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.02.2024

Ein Land im Ausrastezustand

Auf dem Karussell der Geschichte: Vladimir Sorokin schickt seinen Protagonisten Doktor Garin im gleichnamigen Roman dem Zerfall Russlands hinterher.

Wenn Vladimir Sorokins Bücher vor rund zwanzig Jahren öffentlich von Groupies des damaligen wie heutigen russischen Präsidenten in ein gewaltiges Klo geschleudert wurden, dann verwundert es kaum, dass der Herrscher in Sorokins neuem Roman nichts anderes ist als ein Pobackenpaar mit Augen und nur einen einzigen Satz von sich gibt: "Ich war's nicht."

Das funktioniert erstaunlich gut. Wladimir, wie die Romanfigur nur heißt, ist zusammen mit sieben anderen political beings Insasse einer Heilanstalt. Der titelgebende Doktor Garin kümmert sich im Sanatorium Altai- Zedern um das psychische Wohl von ihm, Angela, Boris, Donald, Emmanuel, Justin, Silvio und Shinzo. Sie alle eint ihre burgerähnliche Körperform, bestehend aus Gesäß, Armen und Augen. Ihre Macken sind unterschiedlich, aber dank Doktor Garin ist der individuelle Zustand mittlerweile weitgehend "stabil". Den schönsten ersten Auftritt dürfte Boris für sich verbuchen, der impulsiv und infantil verlangt, er wolle auf der Stelle alles: seine liebsten Bücher, Dildos, Frauen, Saurier und Rapiere. Leider stirbt Boris schon zu Beginn, denn er und Shinzo überleben einen atomaren Angriff auf das Sanatorium nicht.

Mit der Restgruppe und dem Team aus der Heilanstalt flieht Dr. Garin vor Krieg und atomarer Strahlung durch ein ehedem großes Land, das nun in viele Einzelgebilde zerfallen ist. Vladimir Sorokin schickt seinen akademisch vorgebildeten Pikaro auf eine Tour, die ihn zu einer anarchistischen Bastion, einem altrussischen Gut, einem Zirkus, einem von Zottelorks betriebenen Gefangenenlager und dergleichen mehr bringt. Den ersten Teil der Strecke bewältigen sie mithilfe von Majakowski nachgebildeten überdimensionalen Biorobotern. Wer sich erinnert, dass Sorokin nach dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine über Putin gesagt hat, dieser habe sich den Ring der Macht übergestreift, dürfte in solchen Szenen das Bild der Hobbits Meriadoc und Pippin vor Augen haben, die mit einem Ent unterwegs sind.

All das sagt viel über das Setting des Romans aus, in dem fehlende Internetverbindung ebenso Probleme bereitet wie ein Angriff von Zottelorks, bei dem Riesen und Zwerge auftreten, Wissenschaft und Animismus zusammengehen. Das lässt an einen anderen russischen Schriftsteller denken: Vor hundert Jahren erlebte Alexander Grin seinen literarischen Triumph. Unter dem Zaren war dieser einzelgängerische Schriftsteller wiederholt verhaftet und verbannt worden, von Mitte der Zwanzigerjahre an geriet er in Konflikt mit dem Sowjetregime, von 1941 an erschienen seine Werke für lange Zeit nicht mehr. In diesen Romanen und Erzählungen schuf er eine exotische, märchenhaft angehauchte Fantasiewelt, in der Naturgesetze oft genug aufgehoben sind; seine Texte bilden ein eigenes Universum, das von einem Kritiker bereits 1934 als "Grinland" bezeichnet wurde.

Auch bei Sorokin fügen sich die einzelnen Texte zu einem großen Universum. Hier kann es daher heißen: Unterwegs mit Doktor Garin geht es weiter durch Sorokinien, dieses in die Zukunft verlagerte Hightech-Mittelalter. Indem Sorokin die Vergangenheit mit der Zukunft verschmilzt, trifft er auch eine Aussage über die Entwicklung Russlands: Nicht Brüche fallen ins Gewicht, sondern Kontinuitäten. Das Karussell der Geschichte dreht sich weiter und weiter.

Was Sorokin jedoch klar von Grin unterscheidet, ist sein Faible für Grobes, Zotiges, Obszönes. Literarisch kann Sorokin alle Register ziehen, weiß genau wie Grin Genres zu mischen, wobei er hohe Literatur durchaus mit Trash würzt und Turgenjews Welt - Sorokins Beschreibung der sibirischen Landschaft braucht sich nicht hinter dem großen Realisten zu verstecken - mit Tom Cruise oder Bruce Willis belebt. "Doktor Garin" könnte durchaus mit einer leicht veränderten Formel aus dem Märchen enden: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann onanieren sie noch heute. Szenen wie die Massenkopulation der Zottelorks provozieren immer wieder. Vermutlich sollen sie das. Auch sie dienen ja der Demaskierung: Sorokin ist in Russland bereits wegen Verbreitung von Pornographie angeklagt worden (ohne Erfolg), nicht aber wegen Extremismus.

Eine solche Demaskierung impliziert eine gewisse Unverzagtheit, und das ist das eigentlich Bemerkenswerte an diesem Roman, gerade weil sein Autor ein derart hellsichtiger Beobachter ist. Mag Angela in "Doktor Garin" auch tönen: "Als ich noch in der Politik war, gab es die Möglichkeit eines Atomwaffeneinsatzes höchstens in Science-Fiction-Filmen. Jetzt ist es unsere Realität", und der Atompilz als "Teil der Landschaft" ist sogar so perfide, ihre schöne Heilung im Sanatorium Altai-Zedern zu verhindern. Mag in der Realität Kritik innerhalb Russlands kaum noch möglich sein - Sorokin wird sein Wort weiter erheben.

Nach der "Eis"-Trilogie um die Jagd nach Menschen mit einem "lebendigen Herzen" hat er nun auch für die Figur von Doktor Garin einen Dreierpack konzipiert: Der Vorgänger "Schneesturm" ist bereits 2014 auf Deutsch herausgekommen; er schildert den Doktor in dessen Kampf gegen eine Pest, die Zombies gebiert. Und auf Russisch liegt bereits der dritte Garin-Roman unter dem Titel "Nasledie" (Das Erbe) vor, in dem des Doktors im Mittelband gezeugten Kinder auftreten und der in einem Zug spielt. Er ist der handfeste Beweis für eine Art Mantra, das Garin gerne von sich gibt: "Die Hoffnung ist kein Kleidungsstück" - man kann sie nicht ablegen. Wie in guten alten Blockbustern überlebt der Protagonist (samt Geliebter) die bizarrsten Katastrophen, und Sorokin, längst im deutschen Exil, spendiert seinem Garin ein Happy Ending.

Der jetzt auf Deutsch erschienene Roman "Dr. Garin" könnte also mit einem Motto aus einem nicht nur hierzulande bekannten Road- Märchen enden: Zieh mit uns fort, etwas Besseres als den Tod findest du überall. CHRISTIANE PÖHLMANN

Vladimir Sorokin:

"Doktor Garin". Roman.

Aus dem Russischen von Dorothea Trottenberg. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2024. 592 S., geb., 26,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Sorokin zeigt auch in diesem Buch, warum er als bedeutendster russischer Gegenwartsautor gilt. Neben urkomischen, absurden Szenen und irritierender Groteske beherrscht er vor allem eines: in die Idylle unvermittelt das Grauen einbrechen zu lassen.« Norma Schneider taz 20240411