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Andreas Maier schildert in hochkomischer und abgründiger Weise die komplette Selbstzerstörung eines Familien-Idylls. Tranken die Vorfahren noch in scheinbar gemütlichster Weise familieneigenen Apfelwein miteinander, umgeben von Obstbäumen und Hühnern und Ziegen, geht es in den späteren Generationen - ebenso scheinbar - ständig um Erbfälle, ein riesiges Grundstück, ein böswilliges Denkmalschutzamt mitsamt Baggerführer, um schräge Kinder und chaotische Enkel. Irgendwann wird dem 1967 geborenen Erzähler stellvertretend für seine Generation klar: »Wir sind die Kinder der Schweigekin...
Andreas Maier schildert in hochkomischer und abgründiger Weise die komplette Selbstzerstörung eines Familien-Idylls. Tranken die Vorfahren noch in scheinbar gemütlichster Weise familieneigenen Apfelwein miteinander, umgeben von Obstbäumen und Hühnern und Ziegen, geht es in den späteren Generationen - ebenso scheinbar - ständig um Erbfälle, ein riesiges Grundstück, ein böswilliges Denkmalschutzamt mitsamt Baggerführer, um schräge Kinder und chaotische Enkel. Irgendwann wird dem 1967 geborenen Erzähler stellvertretend für seine Generation klar: »Wir sind die Kinder der Schweigekinder.« Das Begreifen der eigenen Familiengeschichte setzt vor einem Grabstein ein, weit außerhalb der Stadt Friedberg in der Wetterau.
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Andreas Maier, 1967 im hessischen Bad Nauheim geboren, studierte Philosophie und Germanistik, anschließend Altphilologie. Er lebt in Frankfurt am Main.
Produktdetails
- Verlag: Suhrkamp Verlag
- Seitenzahl: 166
- Erscheinungstermin: 17. Juni 2019
- Deutsch
- ISBN-13: 9783518761236
- Artikelnr.: 54402203
Unter Dekonstruktionsgebot
Andreas Maier puzzelt sich in seinem Roman "Die Familie" seine Herkunft zusammen und bringt dabei alles ins Rutschen.
Es geht los. Der Bagger fährt an der Firmenmauer entlang, dann hält er vor dem Eingangstor. Ein Mann steigt aus, schließt das Tor auf und schiebt es zur Seite. Er wartet einen Moment, blickt auf das Grundstück, steigt wieder ein. Langsam rollt der Bagger auf die Mühle zu, die im Weg stehenden Bäume räumt er ab. Ein paar Mal fährt er um das Gebäude herum, kommt an der Hinterwand zum Halt, fährt ein Stück näher heran, hebt die Schaufel - und lässt sie in die Wand krachen. Bevor er sich an die andere Seite macht, bringt er das Dach zum Einsturz, und so sind nach einer knappen
Andreas Maier puzzelt sich in seinem Roman "Die Familie" seine Herkunft zusammen und bringt dabei alles ins Rutschen.
Es geht los. Der Bagger fährt an der Firmenmauer entlang, dann hält er vor dem Eingangstor. Ein Mann steigt aus, schließt das Tor auf und schiebt es zur Seite. Er wartet einen Moment, blickt auf das Grundstück, steigt wieder ein. Langsam rollt der Bagger auf die Mühle zu, die im Weg stehenden Bäume räumt er ab. Ein paar Mal fährt er um das Gebäude herum, kommt an der Hinterwand zum Halt, fährt ein Stück näher heran, hebt die Schaufel - und lässt sie in die Wand krachen. Bevor er sich an die andere Seite macht, bringt er das Dach zum Einsturz, und so sind nach einer knappen
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halben Stunde von dem ältesten Gebäude des Stadtteils noch zwei Wände übrig. Gegenüber, wo vier Personen das Geschehen heimlich beobachten, zieht die Mutter die Gardine vor das Fenster.
Der Abriss einer unter Denkmalschutz stehenden Mühle unter den Augen ihrer Eigentümer wirkt in Andreas Maiers neuem Roman über weite Strecken wie das zentrale Motiv seiner "unter Dekonstruktionsgebot" stehenden Familie. Maier, der sich in seinem auf elf Teile angelegten Romanzyklus "Ortsumgehung" zuerst dem "Zimmer", von dort dem "Haus", der "Straße", dem "Ort", "Kreis" und schließlich der "Universität" genähert hat, geht in "Die Familie" noch einmal zu seinem Ursprung.
Er erzählt die Geschichte seiner Vorfahren Boll, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in die Wetterau kamen und zur bedeutendsten Familie am Usa-Ufer wurden. Von der Gründung des Steinmetzbetriebes, dem Haus mit seinem Garten voller Obstbäume und dem Aufwachsen in den sechziger und siebziger Jahren der Bundesrepublik. Zu Hause grassiert der Hass auf die "Baader-Meinhof-Bande", ganz so als handele es sich um persönliche Feinde. "Sie wollten uns ans Eigentum, denn sie waren Kommunisten, und beabsichtigten uns am Ende wohl auch zu töten." Ruhe tritt vor dem Fernseher ein, bei Kulenkampff und "Dalli Dalli", dessen Moderator Hans Rosenthal in den Augen der Großmutter "zwar en Jutt iss", aber sympathisch. Der Vater ist Anwalt, vor allem aber CDU-Lokalgröße. Wenn in Friedberg oder Bad Nauheim Wahlen stattfinden, fährt er nachmittags die Wahlbüros ab, um in den Verzeichnissen Verwandte aufzuspüren, die noch nicht gewählt haben, sie anschließend abzuholen und höchstpersönlich zur Urne zu kutschieren.
Noch hat der Erzähler seine kindlichen Koordinaten fest beisammen, alle Figuren erfüllen ihre Rollen. Zum Beispiel Onkel Heinz mit seiner "als Unsicherheitsfaktor" geltenden Frau Dörte, einer Dänin, der "einfach so und ohne jeden Grund" einhunderttausend Mark fordert. "Er war ja verrückt." Und Onkel J., "der Geburtsbehinderte, dem seine an den Kopf angesetzte Zange zeitlebens die heile Welt verhindert hatte, auch wenn er sich zur Hälfte seines Wesens in einer solchen gefühlt haben mochte." In angenehm trockenem Ton führt der Autor in die festgefahrenen Verhältnisse ein.
Die Erinnerungen führen Maier, der auch außerhalb seiner Bücher nicht müde wird, die eigene Herkunft hervorzuheben, zurück. "Alles, was ich auf diesem Gelände erlebte, hatte für mich mythische Züge und kam mir vielfach vergrößert vor." Ehe man fragen will: Wie sonst erlebt man Kindheit?, gerät hier alles ins Rutschen.
Es beginnt beim Grundstück. Unter dem Streit der Erben verkommt es zu einem "Sperrgebiet", vom Idyll ist kaum mehr etwas übrig. Noch im Federballspiel wird das Seil auf der Grenze der umstrittenen Parzellen gespannt - der Onkel auf der einen, der Vater auf der "Rest-Boll-Seite". Die Sache eskaliert, als der Denkmalschutz eine Sanierung der Mühle fordert, deren Kosten das Grundstück bald unverkäuflich und den Erbstreit unauflösbar zu machen drohen. Der Vater lässt den Bagger kommen.
Wie sich später herausstellt, ist der Abriss nur Sinnbild eines größeren Niedergangs. Für sich genommen verkörpert er die Sprachlosigkeit einer Familie. Eine Erklärung für das, was die Eltern nur "das Geschehen" nennen, bekommen die Kinder nicht. Als der Radikallösung ein millionenschweres Bußgeld und zwölf Jahre Rechtsstreit folgen, herrscht in der Familie bald nur noch Zerfall. Im Bett dämmert die Mutter vor sich hin. "Das Schweigen des Clans nach außen. Das nach innen alles zersetzt", macht sich breit. Zwei Geschwister haben sich schon abgewandt. Noch spürt der Leser nur, dass etwas wabert.
"Was traust du unserer Familie eigentlich zu?", fragt der ältere Bruder den Erzähler in einer Schlüsselszene und gibt selbst die Antwort: "Es ist in einer Familie wie unserer völlig egal, was du mit eigenen Augen gesehen hast. Es ist egal, wie es vorkommt (...) Eigene Augen sind keine Kategorie." Allmählich lösen sich auch für den Erzähler die Schablonen, etwa die von seinem Vater. "Diese Schablone, die ihm, den ich seit einer Ewigkeit, nämlich seit dem Beginn meines Lebens kannte, zum Verwechseln ähnlich war (...) Eine Art Doppelgänger, optisch meinem Vater vollkommen gleich, aber zu einem völlig anderen Zweck geschaffen. Ein Avatar."
Die Vorstellung von der eigenen Identität zerfällt vollends, als sich ein wesentlicher Teil der Bollschen Erzählung als "Sage" entpuppt und die Herkunft allen Wohlstands erschüttert wird. Das bis dahin vor allem sehr komische Buch entwickelt jetzt eine ganz neue literarische Kraft.
Der Autor beginnt noch einmal; "ganz von vorn" puzzelt er sich seine Herkunft zusammen. Bilder, die man für unterhaltsam, aber auch überstrapaziert halten mochte, entlarvt Maier nun selbst: "Meine schöne Wetterau! Die ganze Zeit konnte sie Literatur sein. Sie konnte blühen, duften, schweben, fliegen." Die kindlichen Urszenen, alles erscheint in neuem Licht. Er, das "Kind der Schweigekinder", stellt fest: "Ich schreibe die ganze Zeit Nachkriegsliteratur, ohne es zu merken." Spätestens im Epilog wird deutlich, wie klug er dabei vorgegangen ist.
MARLENE GRUNERT
Andreas Maier:
"Die Familie". Roman.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2019. 166 S., geb. 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Abriss einer unter Denkmalschutz stehenden Mühle unter den Augen ihrer Eigentümer wirkt in Andreas Maiers neuem Roman über weite Strecken wie das zentrale Motiv seiner "unter Dekonstruktionsgebot" stehenden Familie. Maier, der sich in seinem auf elf Teile angelegten Romanzyklus "Ortsumgehung" zuerst dem "Zimmer", von dort dem "Haus", der "Straße", dem "Ort", "Kreis" und schließlich der "Universität" genähert hat, geht in "Die Familie" noch einmal zu seinem Ursprung.
Er erzählt die Geschichte seiner Vorfahren Boll, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in die Wetterau kamen und zur bedeutendsten Familie am Usa-Ufer wurden. Von der Gründung des Steinmetzbetriebes, dem Haus mit seinem Garten voller Obstbäume und dem Aufwachsen in den sechziger und siebziger Jahren der Bundesrepublik. Zu Hause grassiert der Hass auf die "Baader-Meinhof-Bande", ganz so als handele es sich um persönliche Feinde. "Sie wollten uns ans Eigentum, denn sie waren Kommunisten, und beabsichtigten uns am Ende wohl auch zu töten." Ruhe tritt vor dem Fernseher ein, bei Kulenkampff und "Dalli Dalli", dessen Moderator Hans Rosenthal in den Augen der Großmutter "zwar en Jutt iss", aber sympathisch. Der Vater ist Anwalt, vor allem aber CDU-Lokalgröße. Wenn in Friedberg oder Bad Nauheim Wahlen stattfinden, fährt er nachmittags die Wahlbüros ab, um in den Verzeichnissen Verwandte aufzuspüren, die noch nicht gewählt haben, sie anschließend abzuholen und höchstpersönlich zur Urne zu kutschieren.
Noch hat der Erzähler seine kindlichen Koordinaten fest beisammen, alle Figuren erfüllen ihre Rollen. Zum Beispiel Onkel Heinz mit seiner "als Unsicherheitsfaktor" geltenden Frau Dörte, einer Dänin, der "einfach so und ohne jeden Grund" einhunderttausend Mark fordert. "Er war ja verrückt." Und Onkel J., "der Geburtsbehinderte, dem seine an den Kopf angesetzte Zange zeitlebens die heile Welt verhindert hatte, auch wenn er sich zur Hälfte seines Wesens in einer solchen gefühlt haben mochte." In angenehm trockenem Ton führt der Autor in die festgefahrenen Verhältnisse ein.
Die Erinnerungen führen Maier, der auch außerhalb seiner Bücher nicht müde wird, die eigene Herkunft hervorzuheben, zurück. "Alles, was ich auf diesem Gelände erlebte, hatte für mich mythische Züge und kam mir vielfach vergrößert vor." Ehe man fragen will: Wie sonst erlebt man Kindheit?, gerät hier alles ins Rutschen.
Es beginnt beim Grundstück. Unter dem Streit der Erben verkommt es zu einem "Sperrgebiet", vom Idyll ist kaum mehr etwas übrig. Noch im Federballspiel wird das Seil auf der Grenze der umstrittenen Parzellen gespannt - der Onkel auf der einen, der Vater auf der "Rest-Boll-Seite". Die Sache eskaliert, als der Denkmalschutz eine Sanierung der Mühle fordert, deren Kosten das Grundstück bald unverkäuflich und den Erbstreit unauflösbar zu machen drohen. Der Vater lässt den Bagger kommen.
Wie sich später herausstellt, ist der Abriss nur Sinnbild eines größeren Niedergangs. Für sich genommen verkörpert er die Sprachlosigkeit einer Familie. Eine Erklärung für das, was die Eltern nur "das Geschehen" nennen, bekommen die Kinder nicht. Als der Radikallösung ein millionenschweres Bußgeld und zwölf Jahre Rechtsstreit folgen, herrscht in der Familie bald nur noch Zerfall. Im Bett dämmert die Mutter vor sich hin. "Das Schweigen des Clans nach außen. Das nach innen alles zersetzt", macht sich breit. Zwei Geschwister haben sich schon abgewandt. Noch spürt der Leser nur, dass etwas wabert.
"Was traust du unserer Familie eigentlich zu?", fragt der ältere Bruder den Erzähler in einer Schlüsselszene und gibt selbst die Antwort: "Es ist in einer Familie wie unserer völlig egal, was du mit eigenen Augen gesehen hast. Es ist egal, wie es vorkommt (...) Eigene Augen sind keine Kategorie." Allmählich lösen sich auch für den Erzähler die Schablonen, etwa die von seinem Vater. "Diese Schablone, die ihm, den ich seit einer Ewigkeit, nämlich seit dem Beginn meines Lebens kannte, zum Verwechseln ähnlich war (...) Eine Art Doppelgänger, optisch meinem Vater vollkommen gleich, aber zu einem völlig anderen Zweck geschaffen. Ein Avatar."
Die Vorstellung von der eigenen Identität zerfällt vollends, als sich ein wesentlicher Teil der Bollschen Erzählung als "Sage" entpuppt und die Herkunft allen Wohlstands erschüttert wird. Das bis dahin vor allem sehr komische Buch entwickelt jetzt eine ganz neue literarische Kraft.
Der Autor beginnt noch einmal; "ganz von vorn" puzzelt er sich seine Herkunft zusammen. Bilder, die man für unterhaltsam, aber auch überstrapaziert halten mochte, entlarvt Maier nun selbst: "Meine schöne Wetterau! Die ganze Zeit konnte sie Literatur sein. Sie konnte blühen, duften, schweben, fliegen." Die kindlichen Urszenen, alles erscheint in neuem Licht. Er, das "Kind der Schweigekinder", stellt fest: "Ich schreibe die ganze Zeit Nachkriegsliteratur, ohne es zu merken." Spätestens im Epilog wird deutlich, wie klug er dabei vorgegangen ist.
MARLENE GRUNERT
Andreas Maier:
"Die Familie". Roman.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2019. 166 S., geb. 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Der Autor beginnt noch einmal; 'ganz von vorn' puzzelt er sich seine Herkunft zusammen. ... Er, das 'Kind der Schweigekinder', stellt fest: 'Ich schreibe die ganze Zeit Nachkriegsliteratur, ohne es zu merken.' Spätestens im Epilog wird deutlich, wie klug er dabei vorgegangen ist.« Marlene Grunert Frankfurter Allgemeine Zeitung 20190808
Gebundenes Buch
So lau wie stilles Wasser
Als siebter Band der Buchreihe «Ortsumgehung» von Andreas Maier ist kürzlich, dem aktuellen Trend zu autofiktionaler Literatur folgend, der Roman «Die Familie» erschienen. Wobei für den Autor bereits das Genre seines Buches …
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So lau wie stilles Wasser
Als siebter Band der Buchreihe «Ortsumgehung» von Andreas Maier ist kürzlich, dem aktuellen Trend zu autofiktionaler Literatur folgend, der Roman «Die Familie» erschienen. Wobei für den Autor bereits das Genre seines Buches fragwürdig ist, ein Roman im eigentlichen Sinne sei es nicht, hat er im Interview erklärt, er bevorzuge einen weit weniger starren Aufbau, der aus seinen Figuren heraus entstehe. «Ich hatte nie einen Überblick», erklärt er ergänzend. Nur alle Titel der Buchreihe hätten für ihn von Anfang an festgestanden, was sich in den einzelnen Büchern dann aber entwickeln würde, das sei ihm vorher nie bewusst. Deshalb habe jeder Band «eine schöne Unabhängigkeit», was Form und Inhalt anbelangt. Zu seinen literarischen Vorbildern zählt er Peter Kurzeck, dessen sechsteilige Romanreihe ähnliche narrative Ambitionen aufweist. Bei seinem eigenen, auf elf Bände angelegten Großprojekt thematisiert der vorliegende, eigenständig lesbare Band die Familie von Andreas Maier. Er schreibt darin über mafiöse familiäre Strukturen, die er zu erkennen glaubt, innerlich würden Kriege toben, nach außen hin aber trete man als verschworener, undurchdringlicher Clan auf.
«Meine Familie ist eine Familie, die immer Grabsteine gemacht hat. Auch ihre eigenen». Der Ich-Erzähler blickt ungewöhnlich distanziert auf seine Angehörigen, er bezeichnet sie als Avatare in der chronologisch erzählten Geschichte vom allmählichen familiären Verfall. Sie beginnt in seiner schon fast idyllischen Kindheit auf dem riesigen Gelände der einst vom Urgroßvater als Steinmetz aufgebauten, jahrzehntelang prosperierenden Firma im hessischen Städtchen Friedberg in der Wetterau. Sein Vater ist ein der CDU nahestehender Jurist, die toughe Mutter führt nach dem Tode des Großvaters jahrelang den Familienbetrieb, sein fünf Jahre älterer Bruder schließlich opponiert gegen die erzkonservativen Eltern, er setzt sich von der Familie ab und lässt nichts mehr von sich hören. Auch die Schwester ist unangepasst, sie führt ein chaotisches Leben auf Kosten der Eltern, bekommt Kinder von verschiedenen Männern, verschwindet öfter mal unmotiviert und ohne Nachricht ganz plötzlich - und lässt dann ihre Kinder allein zurück. Die von Kontaktabbrüchen und gegenseitigen Schuldzuweisungen geprägte Familie hält jedoch mafiaartig zusammen, wenn es darauf ankommt. Ein Paradebeispiel dafür ist der illegale Abbruch einer unter Denkmalschutz stehenden Mühle auf dem ehemaligen Werksgelände, das als Baugrund teuer verkauft werden könnte, - dieser Verstoß wird prompt mit einer Strafe in Millionenhöhe belegt. In listenreich geführten Prozessen gelingt es dem Clan aber doch, die Strafe abzuwenden.
Auf die viele Jahre lang immer wieder gestellte Frage des Ich-Erzählers nach familiären Verstrickungen während der Nazizeit erhält er von seiner Mutter stereotyp die gleiche Antwort: «Aber wir haben den Juden doch sogar Brand gegeben», - mit Brand ist hier Brennholz gemeint. Mehr ist aus der Mutter nie herauszubekommen. Eine für den Ausgang dieser Suche nach Wahrheit entscheidende Rolle kommt schließlich der Tochter des örtlichen Buchhändlers zu, sie hat herausgefunden, dass all der Wohlstand der angesehenen Steinmetz-Dynastie sich auf einem in der Nazizeit begangenen Unrecht an einem wohlhabenden Juden gründet.
Der mit einer Arbeit über Thomas Bernhard promovierte Andreas Maier, der wegen des lokalen Kolorits seiner Bücher als moderner Heimatschriftsteller gilt, hat mit dieser Familiengeschichte einen wenig originellen Beitrag zur modischen, autofiktionalen Literatur geleistet. Des Autors philosophische Erkenntnis: «Ich, das ist der Mittelteil des Wortes Nichts», hebt sein Schreiben über sich selbst, jenen Bernhardschen «Herkunftskomplex», nicht wirklich in literarische Höhen. Im Gegenteil, was da so uninspiriert und nüchtern, fast lakonisch erzählt wird von dieser Familie, das ist langweilig wie das Betrachten fremder Fotoalben, - so lau wie stilles Wasser!
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