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Freiverantwortlichkeit ist zentrale Voraussetzung für eine zulässige Suizidassistenz. Die meisten Menschen mit Suizidwunsch können jedoch aufgrund einer psychischen Erkrankung, Lebenskrise oder sozialen Notlage nicht freiverantwortlich urteilen. Wie lassen sich die beiden Gruppen zuverlässig unterscheiden? Um den anspruchsvollen Begriff Freiverantwortlichkeit empiriegestützt zu profilieren, werden Erkenntnisse aus Psychiatrie und Psychologie vorgestellt. Fachleute aus Philosophie, Theologie und Rechtswissenschaft reflektieren, wie sich Freiverantwortlichkeit von außen beurteilen lässt und…mehr

Produktbeschreibung
Freiverantwortlichkeit ist zentrale Voraussetzung für eine zulässige Suizidassistenz. Die meisten Menschen mit Suizidwunsch können jedoch aufgrund einer psychischen Erkrankung, Lebenskrise oder sozialen Notlage nicht freiverantwortlich urteilen. Wie lassen sich die beiden Gruppen zuverlässig unterscheiden? Um den anspruchsvollen Begriff Freiverantwortlichkeit empiriegestützt zu profilieren, werden Erkenntnisse aus Psychiatrie und Psychologie vorgestellt. Fachleute aus Philosophie, Theologie und Rechtswissenschaft reflektieren, wie sich Freiverantwortlichkeit von außen beurteilen lässt und inwiefern gesellschaftliche Bedingungen Einfluss nehmen. Offene Fragen und bislang kaum thematisierte Dimensionen des Menschseins werden dabei sichtbar. Mit Beiträgen von Prof. Dr. Monika Bobbert, Mag. Dr. André Böhning, Prof. Dr. Dr. h.c. Gerhard Dannecker, Wilfried Gaul-Canjé, Prof. Dr. Dr. Sigrid Graumann, Hon.-Prof. Dr. Christoph Knauer, Prof. Dr. Hans Kudlich, Prof. em. Dr. Dietmar Mieth, Prof. em. Dr. Norbert Nedopil, Prof. Dr. Stephan Rixen, Prof. em. Dr. Bernd Röhrle, Prof. Dr. Peter Schaber, apl.-Prof. Dr. Barbara Schneider, apl.-Prof. Dr. Dr. Klaus Schonauer, PD Dr. Tobias Teismann und Prof. Dr. Jean-Pierre-Wils.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.12.2022

Was ist "Freiverantwortlichkeit"?

Assistierter Suizid und die große Angst vor Missbrauch: Denkanstöße zu einem schwierigen Thema, das den Bundestag beschäftigt.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Suizidassistenz aus dem Februar 2020 hat zu kontroversen Debatten in der Medizin, im Bundestag und auch in der Rechtswissenschaft geführt. Eine zentrale Rolle für ein Schutzkonzept, das die Risiken einer völlig unkontrollierten Suizidbeihilfe beschränken soll, spielt für das Bundesverfassungsgericht die Feststellung der sogenannten Freiverantwortlichkeit. In Übereinstimmung mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte stellte Karlsruhe fest, der Staat habe dafür Sorge zu tragen und sicherzustellen, dass der Entschluss zum assistierten Suizid tatsächlich auf freiem Willen beruht. Freiverantwortlichkeit bedeutet aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts nicht nur, frei von einer psychischen Störung zu sein, sondern den Entschluss zum Freitod fest und dauerhaft gefasst zu haben, ausreichend informiert zu sein und nicht unter Druck gehandelt zu haben. Wie der Begriff der Freiverantwortlichkeit konkret gefasst werden soll, ist bislang allerdings nicht gesetzlich geregelt worden. Derzeit gibt es drei jeweils fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe von Parlamentariern, über die der Deutsche Bundestag an sich noch bis Ende dieses Jahres entscheiden will.

Der Sammelband "Assistierter Suizid und Freiverantwortlichkeit", den die Münsteraner Sozialethikerin und Moraltheologin Monika Bobbert herausgegeben hat, versucht sich dem Begriff der Freiverantwortlichkeit im Wesentlichen aus psychiatrischer, psychologischer und ethischer Perspektive zu nähern.

Die Beiträge aus der rechtlichen Perspektive dominieren den Band nicht, zeigen aber, wie sehr der Begriff der Freiverantwortlichkeit in der juristischen Debatte unterbelichtet ist. Vor allem aber geht es um praktische Möglichkeiten, die vom Bundesverfassungsgericht geforderte "Freiverantwortlichkeit" zu überprüfen. Dazu schlägt der Psychiater Norbert Nedopil ein zweistufiges Verfahren vor, das er von den Kriterien zur Überprüfung der Einwilligungsunfähigkeit ableitet. In einem ersten Schritt müssten Minderjährigkeit, psychische Erkrankung und geistige Behinderung ausgeschlossen werden. Und in einem zweiten sei die innere Entschlossenheit und ihre Dauerhaftigkeit und die Bereitschaft zur eigentätigen Handlung zu prüfen. Der Psychologe Bernd Röhrle hat in seinem Beitrag viele psychologische und epidemiologische Studien gesichtet und rechnet damit, dass zu den "konventionellen" Suiziden noch weitere assistierte Suizide dazukommen und sich damit die Anzahl der Selbsttötungen erhöhen wird.

Der Diplompädagoge Wilfried Gaul-Canjé fordert vom Gesetzgeber, Menschen mit Behinderung oder einer psychischen Krankheit den Zugang zur Suizidassistenz nicht ganz zu verwehren, zugleich aber dafür zu sorgen, dass sie vor weiteren Abwertungen und Lebensgefährdungen geschützt werden. Er spricht sich deshalb für eine Pflichtberatung vor jeder Suizidhilfe aus, die die soziale, körperliche und psychische Lage des Suizidwilligen systematisch und multiprofessionell erfasst. Dann sollte ein Dialog mit dem Betroffenen folgen, der alternative Möglichkeiten zum Freitod aufzeigt. Davon getrennt soll laut Gaul-Canjé in einem zweiten Prozess die Freiverantwortlichkeit des Suizidwunsches fundiert psychiatrisch und sozialpsychiatrisch beurteilt werden. Durch eine öffentliche Instanz müsse eine mögliche missbräuchliche Praxis verhindert werden. Auch die Ethikerin Sigrid Graumann, Mitglied im Deutschen Ethikrat, spricht sich dafür aus, Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder einer Behinderung den Zugang zur Suizidbeihilfe nicht prinzipiell zu versagen. Sie plädiert dafür, dass der Gesetzgeber zunächst die sozialpsychiatrische und palliativmedizinische Suizidprävention sichert und dann die psychosoziale Beratungs- und Begleitstruktur aufbaut.

Bobbert selbst fordert eine Beratungspflicht, die sich über ein oder zwei Jahre erstrecken soll. Das ist deutlich länger als in den bisher vorliegenden Gesetzentwürfen geplant. Sie weiß allerdings auch, dass derzeit längst nicht genügend Fachleute für die Beratung zur Verfügung stehen. Die Herausgeberin des Bandes, selbst katholische Theologin und Psychologin, warnt davor, Beratungsprozesse nur auf Informationsvermittlung zu beschränken, und plädiert dafür, unterschiedliche Disziplinen und Berufsgruppen einzubeziehen, was den Beratungsprozess schwieriger macht und mit erheblichen Wartezeiten verbunden ist.

Zehn Tage oder drei Monate reichten in den meisten Fällen für eine Veränderung der Lebenssituation jedenfalls kaum aus, wendet sie ein. Bobbert verweist auch auf eine aus ihrer Sicht problematische Vorstellung vom Leben als "Hauptsache, selbstbestimmt und leidfrei", die Freiheit einschränken und das Gelingen des Lebens verstellen kann.

Die beiden Strafrechtler Christoph Knauer und Hans Kudlich waren an der rechtlichen Auseinandersetzung zur geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe als Vertreter der Klägerseite an dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht beteiligt. Sie stellen in ihrem Beitrag daher noch einmal die Verfassungswidrigkeit des Paragraphen 217 Absatz 1 Strafgesetzbuch dar und nehmen auch die gegenwärtig im Bundestag diskutierten Gesetzentwürfe in den Blick. Der fraktionsübergreifende Gesetzentwurf der Abgeordneten von FDP, SPD und Linke von Katrin Helling-Plahr, Karl Lauterbach und Petra Sitte scheint ihnen am ehesten die Balance zwischen Autonomie des Individuums und Lebensschutz zu halten.

Dieser sieht einen ausdrücklichen Erlaubnistatbestand für die Hilfe zum eigenverantwortlichen, selbstbestimmten Suizid vor, um Dritten die Angst vor strafrechtlichen Folgen zu nehmen. Auch dieser Gesetzentwurf will eine organisierte Beratungsstruktur schaffen, die Betroffenen eine Auseinandersetzung mit ihrem Sterbewillen ermöglicht. Knauer und Kudlich gehen sehr weit in ihren Autonomievorstellungen und halten für den Fall, dass ein Suizidwilliger nicht in der Lage ist, den freiverantwortlichen Suizid durchzuführen, auch eine Ausnahme vom Verbot der Tötung auf Verlangen für möglich.

Der Kölner Rechtswissenschaftler Stephan Rixen, ebenfalls Mitglied im Deutschen Ethikrat, kritisiert den changierenden Begriff der Freiverantwortlichkeit, der sich in seinen Augen zwischen philosophischen, psychiatrischen, psychologischen und weiteren Konnotationen bewegt. Er hält es für falsch, Ärzte zu den eigentlich Maßstäbe setzenden Akteuren bei der Suizidbeihilfe zu machen. Die gegenwärtig diskutierten Gesetzentwürfe delegierten wesentliche Fragen in den Bereich der ärztlichen Urteilskraft. Aber ärztliche Urteilskraft könne der Gesetzgeber nicht vorgeben.

Er hält deshalb verbindliche Vorgaben der Ärztekammern in den Bundesländern für nötig, die von der Bundesärztekammer initiiert und vom Gesetzgeber gefordert werden könnten. Nur wenn die ärztliche Urteilskraft, ihre fachliche Eigenlogik und ihre praktische Einübung zu einem Thema eines künftigen Gesetzes über die Suizidhilfe werde, bestehe eine reale Chance, die Freiverantwortlichkeit der Entscheidung für Suizid und Suizidhilfe effektiv zu gewährleisten, ist Rixen überzeugt. Der Berliner Strafrechtler Gerhard Dannecker verweist darauf, dass die Suizidassistenz mit einem erheblichen Strafbarkeitsrisiko verbunden ist: ob eine vorsätzliche Tötung auf Verlangen oder eine fahrlässige Tötung vorliegt, hängt aus seiner Sicht vom Einzelfall ab. Für vorsätzliches Verhalten reicht es schon, wenn der Suizidhelfer das Fehlen der Freiverantwortlichkeit für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat.

Aufschlussreich ist der Blick von außen durch Jean-Pierre Wils, der in den Niederlanden philosophische Ethik lehrt und Deutschland nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts attestiert, zur "Avantgarde" der Liberalisierung der Sterbehilfe geworden zu sein. Er sieht in der Debatte über den assistierten Suizid im Wesentlichen eine Vernachlässigung der gesellschaftlichen und kulturellen Kontexte und eines kontextlosen Verständnisses von Autonomie.

"Assistierter Suizid und Freiverantwortlichkeit" ist ein Sammelband, der nachdenklich macht und zeigt, dass die bisher vorliegenden Gesetzentwürfe längst nicht alle Dimensionen der endgültigen Entscheidung umfassen. Zumindest in Auszügen müsste er zur Pflichtlektüre der Bundestagsabgeordneten werden, die eine so weitreichende Entscheidung über den assistierten Suizid treffen müssen. Bei der Ernsthaftigkeit der Debatte wirken die extensiven Gender-Sprachformen allerdings lesehemmend und überflüssig. Hinzu kommt, dass der stolze Preis von 109 Euro für einen Paperbackband so manchen abschrecken wird. HEIKE SCHMOLL

Monika Bobbert (Hrsg.): Assistierter Suizid und Freiverantwortlichkeit.

Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2022. 376 S., 109,- Euro.

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