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Klug und warmherzig, voll Witz und Lakonie - Erzählungen von Ljudmila Ulitzkaja, der "Grande Dame der russischen Literatur". (Zeit Online) Ljudmila Ulitzkaja beeindruckt mit diesem großen Erzählungsband: Eine Aserbaidschanerin und eine Armenierin überwinden in einer langjährigen Liebesbeziehung die Feindschaft ihrer Völker. Eine junge Moskauerin wird mit einem Iraker verkuppelt und findet ihr Glück im englischen Exil. Eine Frau verpuppt sich und wird zum Schmetterling. Ulitzkajas Alltagsgeschichten sind nie alltäglich, sie eröffnen immer neue Perspektiven. Was ist Schicksal, was Charakter?…mehr

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Produktbeschreibung
Klug und warmherzig, voll Witz und Lakonie - Erzählungen von Ljudmila Ulitzkaja, der "Grande Dame der russischen Literatur". (Zeit Online) Ljudmila Ulitzkaja beeindruckt mit diesem großen Erzählungsband: Eine Aserbaidschanerin und eine Armenierin überwinden in einer langjährigen Liebesbeziehung die Feindschaft ihrer Völker. Eine junge Moskauerin wird mit einem Iraker verkuppelt und findet ihr Glück im englischen Exil. Eine Frau verpuppt sich und wird zum Schmetterling. Ulitzkajas Alltagsgeschichten sind nie alltäglich, sie eröffnen immer neue Perspektiven. Was ist Schicksal, was Charakter? Welchen Einfluss haben wir auf das, was uns widerfährt? Von realistisch-brillanten Novellen über Szenen am Lebensende bis zu Biografien im Zeitraffer vervollkommnet sie ihre Meisterschaft, menschliche Schicksale erzählend zu verdichten.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D, L ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Ljudmila Ulitzkaja, 1943 geboren, wuchs in Moskau auf und ist eine der wichtigsten zeitgenössischen Schriftstellerinnen Russlands. Sie schreibt Drehbücher, Hörspiele, Theaterstücke und erzählende Prosa. Bei Hanser erschienen Die Lügen der Frauen (Erzählungen, 2003), das Kinderbuch Ein glücklicher Zufall (2005), Ergebenst, euer Schurik (Roman, 2005), Maschas Glück (Erzählungen, 2007), Daniel Stein (Roman, 2009), Das grüne Zelt (Roman, 2012), Die Kehrseite des Himmels (2015), Jakobsleiter (Roman, 2017), Eine Seuche in der Stadt (Szenario, 2021), Alissa kauft ihren Tod (Erzählungen, 2022) und zuletzt Die Erinnerung nicht vergessen (2023). 2008 erhielt Ljudmila Ulitzkaja den Alexandr-Men-Preis für die interkulturelle Vermittlung zwischen Russland und Deutschland, 2014 den österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur, 2020 den Siegfried Lenz Preis sowie 2023 den Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis und den Günter-Grass-Preis.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensentin Ilma Rakusa ist rundum fasziniert von Ljudmila Ulitzkajas Erzählungen. Ob die Autorin unverhofft aufflammende Liebesgeschichten erzählt, Schicksale erkundet, die auf Moskauer Parkbänken ihren Lauf nehmen, oder zwei Schwestern den Nachlass ihrer Mutter auf "anrührende" durchstöbern lässt - stets begegnet Rakusa starken Frauenfiguren und der Schreibkunst einer Menschenkennerin, die mit Lakonie, schwarzem Humor und einer Fantastik umgeht, die Rakusa an Daniil Charms denken lässt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2022

Finita la Commedia!
Ljudmila Ulitzkaja schreibt über den Tod - klug, zärtlich sowie mit bestürzender Leichtigkeit und Aktualität

Der Tod, so meinte Ljudmila Ulitzkaja in einem Interview, sei die letzte Prüfung, die jeder Mensch zu bestehen habe. Im Gegensatz dazu wirke das moderne, auf Erfolg getrimmte Dasein wie eine Lüge. Erst der Tod gebe unserer Existenz Bedeutung. Das Leben sei nichts als die Vorbereitung auf dieses Ende. Den Menschen die Angst vor dem Tod zu nehmen, darin erkennt Ulitzkaja eine wichtige Aufgabe der Literatur, ihn zu thematisieren und nicht zu tabuisieren. Die russische Schriftstellerin, während der Evakuierung aus Moskau 1943 in Baschkirien geboren, ist dem Tod nicht selten begegnet, Freunde und Freundinnen, Familienangehörige starben, und vor einigen Jahren musste sie selbst gegen eine schwere Erkrankung ankämpfen.

In dem jetzt erschienenen Sammelband mit Erzählungen dieser wohl bekanntesten zeitgenössischen Autorin Russlands fließen all diese Erfahrungen ein. Der Tod wird darin zur Kraft, die das Leben antreibt. Seine immense Wucht stellt jedes Leben noch einmal auf den Kopf, öffnet Seelen, befriedet oder verändert die Menschen, die Sterbenden und mehr noch jene, die zurückbleiben. Der Tod wird nicht nur zur letzten Prüfung, mal schmerzhafter, mal leichter, er hält auch so manche Überraschungen bereit. Gerecht ist er nicht, ebenso wenig wie das Leben. Von solchen Momenten handeln diese meisterlichen Erzählungen und Miniaturen, ein an Herz, Verstand und Sprache reiches Spätwerk, von Ganna-Maria Braungardt fulminant ins Deutsche gebracht.

Da ist die erfolgreiche Anwältin Sarifa, eine Aserbaidschanerin aus Karabach, die, von der eigenen Familie verflucht, in gleichgeschlechtlicher Ehe mit ihrer armenischen Partnerin lebt und auf dem Totenbett in einem Krankenhaus auf Zypern einer eilig aus Moskau angereisten Freundin die völlig unerwartete Frage stellt, was Intelligenzija eigentlich bedeute. Der alte vom Bruder aus Karabach herbeigeschleppte Teppich des Großvaters über dem Sarg setzt plötzlich Kräfte frei, Bruder und Ehefrau der Verstorbenen liegen sich weinend in den Armen.

In der Titelerzählung möchte die alleinstehende couragierte Alissa mit ihren vierundsechzig Jahren für das Ende vorsorgen. Als ihr Leben endlich vollkommen perfekt eingerichtet war, kam das Alter. Angehörige, die sie pflegen könnten, gibt es nicht, also wendet sie sich an einen Arzt des Vertrauens, um im Fall der Fälle selbstbestimmt entscheiden zu können, wann und wie sie aus dem Leben scheiden möchte. Das Ganze nimmt eine unverhoffte Wendung, die beiden eine späte Liebe beschert, bis ein tragischer Vorfall und ein neues Leben Alissas Selbstmordgedanken endgültig vertreiben. Fast alle Erzählungen haben eine Widmung, es sind Hommagen an Freundinnen, an "diese überaus klugen und unfassbar dummen Frauen, von denen die Engel im Himmel noch lernen könnten"!

In der russischen Literatur ist das menschliche Sterben ein zentrales, nicht selten religiös untermauertes Thema. Tolstois Klassiker über den Tod des Iwan Iljitsch gilt dazu als Meisterwerk. Erzählt wird darin aus der Sicht des Sterbenden, der nach Hoffnung auf Genesung, körperlichen Qualen, nach Hadern und Selbstmitleid, nach Wut auf die Angehörigen und Verzweiflung den Tod in einem aufkommenden Licht annimmt und überwindet. Ljudmila Ulitzkaja greift mit ihren Geschichten im Zyklus "Vom Körper der Seele" aus einer hypermodernen Welt auf diese theologische Spiritualität zurück. Als vor dem Pathologen Kogan ein junger Mann mit zwei ihm unerklärlichen Verletzungen auf dem Seziertisch liegt, beschließt er, dass dies seine letzte Autopsie werden soll. Kogan, der bald darauf stirbt, ahnt nicht, wer dieser Junge war, und auch der junge Mann selbst, ein begabter Musiker aus armen Verhältnissen, weiß bis in die Todesstunde nichts über seine Bestimmung, die er, wie so viele vor ihm, nicht erfüllen konnte. Das Leben einer ebenso klugen wie pflichtbesessenen Bibliothekarin, die auch im hohen Alter der neuen Computerweisheit gegenüber aufgeschlossen war, bekommt einen Riss, als ihr das Wort "Serpentinen" nicht mehr einfällt, und Sascha, eine Ingenieurin, will nach der Lektüre der "Weltrose" des russischen Visionärs Daniil Andrejew in den zwei unterschiedlichen Augen ihres Sohnes plötzlich jene Knopfaugen eines Plüschhundes wiederentdecken, den ihre Mutter 1944 aus einem amerikanischen Hilfspaket bekommen hatte. Über drei Generationen hatte das Spielzeug die Kinder der Familie begleitet.

In den drei im Band versammelten Zyklen, "Freundinnen", "Vom Körper der Seele" und "Sechs mal sieben Miniaturen", umkreist die Autorin in unterschiedlichen Formaten, in Prosa und Poesie und aus unterschiedlichen Perspektiven das Thema Sterben, das nichts anderes als das des Lebens ist. Ihre Miniaturen sind Variationen zu den Risiken und Freuden des Lebens, zu unauflösbaren Lebensgemeinschaften, zu Ängsten, wie alle sie kennen: Geburt, Geschwister, Ehe, Tod, Krankheit und, ja auch, die Angst vor einem Weltuntergang.

In diesen für so viele beängstigenden Tagen und Wochen bekommt die Lektüre des Bandes noch eine andere Dimension. In der Moskauer Onlinezeitung "Nowaja Gaseta" hatte Ljudmila Ulitzkaja am 25. Februar angesichts des Krieges in der Ukraine von "Schmerz, Angst und Scham" gesprochen. Inzwischen ist dieser Beitrag nicht mehr verfügbar. Die von dem Friedensnobelpreisträger Muratow geleitete Zeitung geriet wie die gesamte Zivilgesellschaft unter enormen Druck seitens der russischen Regierung. Krieg darf in Medien und Öffentlichkeit nicht Krieg genannt werden, Journalisten, Autoren, Menschenrechtler, die dieses Wort benutzen, können verurteilt und bis zu fünfzehn Jahre inhaftiert werden. Ljudmila Ulitzkaja schrieb, sie habe keine Angst. Wird der Tod, den dieser Krieg bringt, auch nicht mehr Tod genannt werden dürfen? SABINE BERKING

Ljudmila Ulitzkaja:

"Alissa kauft ihren Tod". Erzählungen.

Aus dem Russischen von Ganna-Maria Braungardt. Hanser Verlag, München 2022. 300 S., geb., 25,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.03.2022

„Ich war immer fern vom Staat“
Die russische Schriftstellerin Ljudmila Ulitzkaja hat die Regierung Putin häufig offen kritisiert. Nach Russlands Angriff auf
die Ukraine hat sie ihr Land verlassen. Ein Gespräch über die Schatten der Erinnerung in der Gegenwart
INTERVIEW: LOTHAR MÜLLER
Die Schriftstellerin Ljudmila Ulitzkaja, 1943 in Dawlekanowo geboren und in Moskau aufgewachsen, hat vor einigen Tagen Russland verlassen. Zuvor hatte sie gegen den Angriffskrieg ihres Landes auf die Ukraine protestiert und ihn als „Schande“ für ihr Land bezeichnet. Sie lebt derzeit in Berlin. Ihre literarische Karriere hat sie im Alter von fünfzig Jahren begonnen, in vielen ihrer Bücher leben die Figuren in der Zeit der Sowjetunion, in ihrem Roman „Jakobsleiter“ erkundet sie nach der Entdeckung der Briefe ihrer Großeltern die Geschichte ihrer Familie im Stalinismus. In diesen Tagen ist im Hanser Verlag ihr neuer Erzählungsband „Alissa kauft ihren Tod“ erschienen. Zum Interview hat sie sich mit ihrer Übersetzerin im Bibliothekszimmer einer lichtdurchfluteten Altbauwohnung in Pankow eingefunden.
SZ: Frau Ulitzkaja, Sie sind im Zweiten Weltkrieg geboren, wie blicken Sie heute auf den Krieg in der Ukraine?
Ljudmila Ulitzkaja: Ich erinnere mich sehr oft an die Erzählungen meiner Großmutter darüber, wie sie damals aus Moskau evakuiert wurden in den Ural, wo ich dann geboren wurde. Ich kann mich an die Erzählungen meiner Mutter erinnern, die berichtete, wie schwierig es war, auf dem Bahnhof an heißes Wasser zu kommen und wir fast den Zug verpasst hätten. Es sind Berichte darüber, wie groß die Angst war in diesem Moment. Diese Erinnerungen werden lebendig, wenn ich sehe, was jetzt in der Ukraine geschieht.
Wann haben Sie die Entscheidung getroffen, Russland zu verlassen?
Ehrlich gesagt, habe ich diese Entscheidung nicht selbst getroffen. Ich wurde dazu gezwungen durch meinen älteren Sohn. Der kam vor ein paar Tagen, hat meine Sachen und Koffer gepackt und mich hierher nach Berlin gebracht. Mit meiner Kindheit verglichen und denen, die aus der Ukraine kommen, ist meine eigene Ausreise sanft verlaufen. Und das alles erleben wir vor dem Hintergrund des Frühlings, der Natur, die wieder grün wird. Ich muss ständig an den Kontrast zwischen diesem Aufblühen und dem Schrecken denken, der jetzt in der Ukraine herrscht.
Es gibt jetzt viele Appelle ukrainischer Autoren, die Waffenlieferungen von den Staaten des Westens fordern, auch die Schließung des Luftraums über der Ukraine. Haben Sie Kontakte in die Ukraine?
Ich habe den Brief russischer Autoren und Autorinnen gegen den Krieg in der Ukraine unterzeichnet, und das Honorar für meine aktuellen Lesungen in Deutschland werde ich für ukrainische Flüchtlinge spenden, nicht für militärische Zwecke, das scheint mir nachvollziehbar.
In Ihrem Roman „Medea und ihre Kinder“ ist die Krim der Schauplatz. Was sehen Sie darin?
Ich habe in meiner Kindheit und bis vor wenigen Jahren ziemlich viel Zeit auf der Krim verbracht, sie ist für mich immer sehr wichtig gewesen. Hätte ich mir einen Ort aussuchen können, um dort geboren zu werden, dann wäre es die Krim gewesen und nicht der Ural. Die Krim war für Russland immer eine Brücke nach Europa.
Die Welt ihrer Romane ist eine Vielvölkerwelt, viele Familien sind Mikrokosmen dieser Welt, mit Wurzeln in Aserbeidschan oder Armenien, Griechenland oder der Türkei, in Russland, in der Ukraine.
Wenn die Sowjetunion irgendetwas Positives für mich geleistet hat, dann war es diese Erziehung zum Internationalismus, vor allem während meines Studiums an der biologischen Fakultät. Da gab es ausländische Studenten nicht nur aus Kuba, sondern auch aus Zentralasien, die aus ganz anderen Kulturen kamen, und da gab es keinen Schatten von Nationalismus oder Rassismus. Es gab eher ein betontes Interesse an der anderen Kultur.
Als eine Ursache des Angriffskriegs auf die Ukraine sehen viele die Kränkung der russischen Führung durch den Verlust des Imperiums. Bei Wladimir Putin scheint das offensichtlich. Wie sieht es in der Bevölkerung aus?
Ich kann nicht sagen, dass ich eine Vertreterin breiter Bevölkerungsschichten wäre. Putins Politik und Ideologie hat bei mir von Anfang an Abscheu erregt, und so ist es bis heute geblieben. Seine Herkunft aus dem Geheimdienst hat ihn mir immer verdächtig gemacht, ich war immer fern vom Staat und seinen Organen.
Der Stalinismus, die Bürokratie, die Repressionen der Sowjetzeit gehören zu Ihrer Lebenserfahrung. Ist die Putin-Ära die Fortsetzung dieser Tradition oder etwas anderes, Neues?
Sie ist ein Versuch, diese Tradition wieder aufzunehmen, ein Versuch, der aber nicht gelingen kann und nicht gelingen wird, weil die Welt sich sehr verändert hat. Mein Eindruck ist, dass es sich bei Putin um jemanden mit einem archaischen Bewusstsein handelt.
In ihrem Roman „Jakobsleiter“ haben Sie die eigene Familiengeschichte im Stalinismus erforscht, haben Erinnerungen von Mitbürgern an das Leben in der Sowjetunion von 1945 bis 1953 gesammelt, bis zum Tod Stalins. Sein Name steht für den Staatsterror, der viele Opfer in Russland forderte, und für den Großen Vaterländischen Krieg gegen das nationalsozialistische Deutschland. Welche Rolle spielen diese beiden Seiten im gegenwärtigen Russland?
Jedes Volk ist ein Subjekt, das man erziehen kann. Das russische Volk lässt sich vielleicht besonders leicht erziehen, weil es lange unter den Bedingungen des Totalitarismus gelebt hat. Für Russland, so paradox das klingen mag, ist die freieste Zeit die von Gorbatschow und Jelzin gewesen. Zugleich ist aber der Zweite Weltkrieg natürlich noch sehr lebendig in der Erinnerung der Völker, gerade in Russland, er ist in den Familiengeschichten lebendig. Das spielt eine Rolle, wenn jetzt viele in Russland den Krieg unterstützen, weil man ihnen, wie es ja von der Regierung gemacht wird, sagt, dass er gegen den Faschismus geführt wird.
Sie haben sich einmal als eine russische Schriftstellerin jüdischer Herkunft und christlicher Prägung bezeichnet. In welchem Verhältnis stehen das jüdische und das christliche Element?
Was das Christentum anbelangt, so schleiche ich mich da langsam heraus. Ich kenne die russisch-orthodoxe Kirche recht gut und habe darin viele Jahre verbracht. Ich bin noch immer ein gläubiger Mensch, aber nicht an irgendwelche Institutionen gebunden. Die Anthropologie gibt vor, dass der Mensch immer eine Art Religion braucht, etwas Höheres, an das er glaubt. In meiner Lektüre haben biblische Texte immer eine große Rolle gespielt, und natürlich auch Texte über die jüdische Geschichte und den jüdischen Glauben.
Ein Kriegsziel des russischen Präsidenten ist die „Entnazifizierung“ der Ukraine. Der ukrainische Präsident ist jüdischer Herkunft. Wie denken Sie darüber?
Ich denke nicht, dass Putin bei dieser Aussage die jüdische Herkunft von Selenskij im Blick hatte. Der Begriff „Entnazifizierung“ ist hier völlig unpassend, aber Putins Politik ist insgesamt nicht unbedingt von Antisemitismus geprägt, soweit ich weiß.
Aktuell gibt es keine Kritik der russisch-orthodoxen Kirche am Krieg.
Es gibt immer die offizielle Seite der Kirche, die es für ihre Pflicht hält, den Staat zu schützen. In Russland hängt die Kirche zum großen Teil vom Staat ab. Und doch gibt es in den Gemeinden viele kluge, nüchtern denkende Menschen, die die heutige politische Situation und Putin ganz richtig einschätzen. Vielleicht sind das nicht sehr viele, aber ich zumindest kenne einige.
Es gibt keine massenhaften öffentlichen Proteste in Russland gegen den Krieg. Ist das nur ein Effekt der Repression?
Am Anfang gab es einige größere Aktionen und Kundgebungen, dann kamen sehr rasch die Repressionen, ich kenne einige Leute, die ihre Arbeit verloren haben, und ich denke, die Situation wird sich noch mehr zuspitzen. Dafür gibt es Anzeichen.
Die Kultur, die Sprache spielt in der Wahrnehmung der Vorgeschichte des Krieges eine große Rolle. In Deutschland dachten viele, Ukrainer, die Ukrainisch sprechen, sind für ihren Nationalstaat, Ukrainer, die Russisch sprechen, wollen zu Russland gehören. Das war falsch, wie jetzt der gemeinsame Widerstand gegen die Invasion zeigt. Welche Rolle spielen die Sprachen?
Unter meinen ukrainischen Freunden ist niemand, der nicht Russisch sprechen würde und das nicht als ganz normale Kommunikationssprache betrachten würde. Die gesamte gebildete Schicht in der Ukraine, jedenfalls in der östlichen Ukraine, spricht Russisch. In der westlichen Ukraine ist das anders. Ich glaube aber, dass sich die sprachliche Situation in den nächsten Jahrzehnten in Richtung auf das Ukrainische hin verschieben wird. Und was den Nationalstaat betrifft, so hatte die Ukraine sehr lange keine Eigenstaatlichkeit, während zugleich das Russische Reich aus der Kiewer Rus hervorgegangen ist.
Gibt es für Sie eine Option der Rückkehr nach Russland?
Im Prinzip schon. Es wäre aber sicher mit einem gewissen Risiko verbunden. Ich habe mich nie mit politischen Äußerungen vorgedrängt, aber wenn ich gefragt wurde, habe ich immer so geantwortet, wie ich denke. Auch jetzt. Noch will ich keinen Eisernen Vorhang zwischen mir und meiner Heimat errichten.
Haben Sie eine Vorstellung, welche Konsequenzen dieser Krieg, wie auch immer er endet, für die russische Gesellschaft der Zukunft haben könnte?
Die beste Folge wäre ein Regierungswechsel, der Abgang Putins, das wäre das, wovon man eigentlich nur träumen kann. Aber Putin ist ein Irrer, der noch viel Böses anrichten kann. Was die schlimmstmöglichen Folgen angeht, so möchte ich darüber gar nicht reden, denn sie wären verheerend für die gesamte Menschheit.
Übersetzung: Ganna-Maria Braungardt
„Das russische Volk
lässt sich vielleicht besonders
leicht erziehen“
„Noch will ich keinen Eisernen Vorhang zwischen mir und meiner Heimat errichten“: Ljudmila Ulitzkaja.
Foto: Claudia Thale/picture alliance
Ljudmila Ulitzkaja:
Alissa kauft ihren Tod. Erzählungen. Aus dem Russischen von
Ganna-Maria Braungart.
Hanser, München 2022.
304 Seiten, 25 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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"Die Unterschiedlichkeit der Prosa im Band 'Alissa kauft ihren Tod' zeigt die stilistische Artistik der Ulitzkaja. Alle Texte gelten einem großen Thema: dem Tod und dem Sterben. Aber nicht, um den Tod zu akzeptieren, sondern ihm zu widersprechen." Michael Hametner, Der Freitag, 29.06.22

"Ljudmila Ulitzkaja ist eine glänzende Menschenkennerin und eine fabelhafte Erzählerin, die über Details in medias res geht. ... Sie feiert das Leben in seinen trivialen und aussergewöhnlichen, in seinen wunderbaren und beängstigenden Facetten. Und man folgt ihr fasziniert." Ilma Rakusa, Neue Züricher Zeitung, 24.06.22

"Ljudmila Ulitzkaja schreibt über den Tod - klug, zärtlich sowie mit bestürzender Leichtigkeit und Aktualität ... ein an Herz, Verstand und Sprache reiches Spätwerk, von Ganna-Maria Braungardt fulminant ins Deutsche gebracht." Sabine Berking, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.03.22

"Ulitzkaja nimmt Vergangenheit und Gegenwart ohne Illusionen ins Visier mit einer Ironie, die durchaus etwas Historisches hat und zuweilen mit der Ahnung jenseitiger Welten ... überraschend frisch und manchmal regelrecht frech. ... Eine Erzählerin, die so meisterlich Realismus und Groteske, das Fantastische und das Mystische, existenzielle Tragik und Gesellschaftskomödie verbindet." Julia Schröder, Deutschlandfunk Büchermarkt, 22.03.22

"Unfassbar stark sind diese Frauen, und selbstständig, auch wenn sie enorm viel Energie und List dafür aufwenden, einen materiell potenten Mann an Land zu ziehen - womit Ulitzkaja, ohne groß Worte darüber zu verlieren, auch gleich einiges über die sozioökonomische Lage, auch und gerade für Frauen, in Russland erzählt. Ganz unverkrampft experimentell ... erzählt Ulitzkaja hier, mit beißendem schwarzen Humor und einer guten Prise feministischer Grundhaltung." Andrea Heinz, Der Standard, 19.03.22

"Es ist ein reicher Strauß, den Ljudmila Ulitzkaja uns mit 'Alissa kauft ihren Tod' gebunden hat. Möge sie noch viele solcher Geschichten schreiben!" Uli Hufen, WDR3 Lesestoff, 15.02.22
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