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20 Jahre nach der Revolution von 1989 - eine persönliche Bestandsaufnahme Wie viel Einheit haben wir erreicht? Welchen Aufbruch braucht Deutschland jetzt? Was kann der Westen vom Osten lernen? Matthias Platzeck stellt dar, warum das im vereinigten Deutschland bislang Erreichte vielfach zu gering geschätzt wird und was zu tun bleibt. »Im 21. Jahrhundert werden uns Demokratie und Einheit nur gelingen, wenn wir gemeinsam den Bürgergeist des ostdeutschen Aufbruchs von 1989 neu entdecken.«

Produktbeschreibung
20 Jahre nach der Revolution von 1989 - eine persönliche Bestandsaufnahme
Wie viel Einheit haben wir erreicht? Welchen Aufbruch braucht Deutschland jetzt? Was kann der Westen vom Osten lernen? Matthias Platzeck stellt dar, warum das im vereinigten Deutschland bislang Erreichte vielfach zu gering geschätzt wird und was zu tun bleibt. »Im 21. Jahrhundert werden uns Demokratie und Einheit nur gelingen, wenn wir gemeinsam den Bürgergeist des ostdeutschen Aufbruchs von 1989 neu entdecken.«
Autorenporträt
Platzeck, Matthias
Matthias Platzeck, Jahrgang 1953, ist Ministerpräsident von Brandenburg. Als Bürgerrechtler in der DDR, Minister ohne Geschäftsbereich in der Regierung Modrow 1990, Umweltminister seines Bundeslands, Oberbürgermeister von Potsdam, Brandenburger Regierungschef seit 2002 und Vorsitzender der SPD in den Jahren 2005/2006 hat er die Gestaltung der Einheit in den vergangenen zwei Jahrzehnten so unmittelbar erlebt - und geprägt - wie kaum ein anderer Politiker in Deutschland. Gemeinsam mit Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier gab er 2007 den Band Auf der Höhe der Zeit: Soziale Demokratie und Fortschritt im 21. Jahrhundert heraus.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.08.2009

Fast präsidialer Landesvater
Rasantes Leben, belesene Langeweile: Matthias Platzeck

Politiker verewigen sich gerne im eigenen Buch. Auch Matthias Platzeck hat wieder eines verfasst. Dieses Mal sogar gleich zwei in einem, denn "Zukunft braucht Herkunft" besteht aus zwei Teilen: zuerst hundert Seiten reflektierte Lebenserinnerungen eines politisch engagierten Bürgers. Danach mehr als hundert Seiten Politikerrhetorik: Häppchen, Fragmente und Zitate zu allem und jedem. Vermutlich von Referenten des Ministerpräsidenten fleißig gesammelt und phantasielos zusammengetragen. Viele Dutzend Seiten belesene Langeweile, bei der kein Thema ausgelassen wird: Wachstum, Solidarität, Europa, Sozialstaat, Migration und Integration, Bildung, Kriminalität, Energiepolitik, Demographie und so weiter und so fort.

Anders der Anfang: voller Leben, Pathos und Erzählkraft erinnert Platzeck an die Zeit von 1988 bis 1995. Höhen und Tiefen, Fehler und Erkenntnisse, Bündnisse und Brüche. Vom politisch motivierten Müllsammler und Ökologen 1988 bei Potsdam bis zum künftigen Landesvater auf den von der Flut bedrohten Deichen des Oderbruchs 1997. Platzeck erzählt, reflektiert und berichtet von vielen Begegnungen mit politischen Freunden und Gegnern. Viel Verschüttetes kommt wieder zutage: die Entscheidung des Bürgerbewegten 1988/89 gegen die Ausreise aus der DDR, die späten, aber erfolglosen Stasi-Drohungen, die Erfahrungen am Runden Tisch mitsamt großen Erfolgen und frühen Niederlagen der Bürgerbewegten, die ihm selbst "unwirklich" anmutende Zeit als später DDR-Minister unter Modrow.

Selbstkritisch berichtet er von der romantischen und emotional überbordenden Zeit im brandenburgischen Landtag - mit Bärbel Bohley, Joachim Gauck, Marianne Birthler und Jens Reich "die buntesten Vögel der vergehenden DDR", die sich mehr um Talkshows als um parlamentarische Sacharbeit gekümmert hätten. Seine Wende zur Realpolitik kommt mit Platzecks Berufung ins erste brandenburgische Kabinett, in dem er - den Weisungen der SPD-Granden Willy Brandt und Johannes Rau sei Dank - ziel- und ergebnisorientiert Umweltpolitik betrieb, sich mit ökologiekritischen Bauern und Bürgern traf, keiner Auseinandersetzung aus dem Weg ging und den Spagat zwischen der Tagespolitik und dem universellen Enthusiasten probte. Den Weg von dort zum Oberbürgermeister von Potsdam, zum Ministerpräsidenten, kurzzeitigen SPD-Bundesvorsitzenden und heute fast präsidialen Landesvater garniert er mit zahlreichen Geschichten, Erfahrungen und Anekdoten. Insgesamt wenig neue Fakten, dafür aber viel konkretes Anschauungsmaterial gelebter gesamtdeutscher Demokratie.

Dies alles erzählt Platzeck nicht nur als Wahlkampfpräludium und nicht nur zur eigenen größeren Ehre. Ganz offensichtlich geht es ihm um die neue große Erzählung für die Bundesrepublik heute: um die in Krisenzeiten forciert gefragten gesamtgesellschaftlichen oder gar nationalen Mythen, Geschichten oder Verzauberungen. Und die schürft er aus seinem Leben und aus den Erfolgen der heute staatspolitisch etablierten Bürgerbewegung der DDR: Nicht Wohlstand, nicht Konsum, nicht Staat seien entscheidend. "Auf uns selbst kommt es also wieder einmal an" und "auf die tatkräftige, zupackende Grundhaltung, mit der wir Ostdeutschen damals Freiheit und Einheit errangen". Betont unideologisch parliert er, dass "ganz gewöhnlichen Menschen immer wieder dann außergewöhnliche Dinge gelingen, wenn sie sich zusammenschließen, ihre Angelegenheiten in die eigenen Hände nehmen und an einem Strang ziehen". Fast gebetsmühlenartig wiederholt Platzeck diese seine lebensprägenden Erfahrungen der Jahre 1988 bis 1995 als Leistungsschau Ostdeutschlands und seiner eigenen politischen Arbeit. Entsprechend häufen sich Spitzen und Breitseiten gegen den Westen, vor allem gegen Helmut Kohl, Wolfgang Schäuble und die Fehler der CDU im Einigungsprozess. Wie ein stolzer alter Veteran berichtet er von seinem ersten und gleich missglückten Gespräch mit Helmut Kohl im Februar 1990 als "mittlerem Eklat".

Dies alles aber keineswegs oberflächlich: Ganz unverhohlen erklärt Platzeck sich und die Mehrzahl der Ostdeutschen dabei zum Paradigma der einzig sinnvollen und langfristig erfolgreichen Entwicklung jeder Gesellschaft: "Zwischen überbordenden Versprechungen nach dem Muster ,Blühende Landschaften' oder ,Keiner muss verzichten' und ideenlosem Durchwurschteln gibt es eine weitere Variante, gewissermaßen einen dritten Weg: das gemeinsame Zupacken. Genauso, ganz praktisch und aus eigener Kraft hatten wir im Februar 1988 in Potsdam begonnen. Genauso gelang es uns 1997 in Brandenburg, das große Oderhochwasser zu bewältigen."

All dies wirkt persönlich, sympathisch und motivierend. Insgesamt also trotz eines etwas penetranten politisch-pädagogischen Überbaus hundert Seiten schön erzählter Lebenserinnerungen. Und gleichzeitig bedient Platzeck damit die Sehnsucht nach der großen Narration, nach der Kollektividentität stiftenden Erzählung. In Zeiten der Krisenprävention rufen viele wieder nach neuen Mythen als politisch-gesellschaftlichem Kitt. Und so fordert Platzeck nicht nur, "mit der Geschichte der DDR sensibel umzugehen", sondern stilisiert die Menschen der DDR und ihre Geschichte gleich zum Vorbild für die ganze Nation. Das Ende der DDR als neuer nationaler Mythos, weil der alte westdeutsche Glauben an Wachstum, Wohlstand und Wirtschaftswunder nicht mehr trägt. Die Erfahrungen seit 1989/90 als neue Basis nationaler Identität und als Werkzeugkasten in Zeiten der Wirtschaftskrise: "Die Welt im Jahr 2029 wird grundlegend anders aussehen und funktionieren als die Welt im Jahr 2009. Wir in Ostdeutschland werden vorbereitet sein."

DAMIAN VAN MELIS

Matthias Platzeck: Zukunft braucht Herkunft. Deutsche Fragen, ostdeutsche Antworten. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2009. 223 S., 16,95 [Euro].

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