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Daß der Flug von Boston nach New York sein Leben verändern würde, hätte er sich nicht träumen lassen. Und doch ist es so. Sol Mayer, der Rabbiner und Starprediger von Temple Yaakov, der großen Synagoge an der Fifth Avenue, verliebt sich heftig in seine Sitznachbarin, ein Umstand, der seine ohnehin vorhandenen Probleme nicht gerade erleichtert. Eine Reihe stürmischer und aufwühlender Ereignisse zwingen Sol zu Entscheidungen.

Produktbeschreibung
Daß der Flug von Boston nach New York sein Leben verändern würde, hätte er sich nicht träumen lassen. Und doch ist es so. Sol Mayer, der Rabbiner und Starprediger von Temple Yaakov, der großen Synagoge an der Fifth Avenue, verliebt sich heftig in seine Sitznachbarin, ein Umstand, der seine ohnehin vorhandenen Probleme nicht gerade erleichtert. Eine Reihe stürmischer und aufwühlender Ereignisse zwingen Sol zu Entscheidungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.06.1997

Indianer sprechen jiddisch
Schelmisch, aber verwirrend: Leon de Winter im Dschungel

Abenteuer, ein detektivisches Interesse, Erotik und die Vorliebe für jüdische Lebensläufe waren Elemente des Erzählens in den drei ersten Romanen von Leon de Winter. Sie sind, um andere ergänzt, Ingredienzien auch des neuen Romans "Zionoco". Vom Titel, genauer von seinem Bestandteil "Zion", geht ein Signal aus, das nicht in die Irre führt. Der Roman berührt Probleme des jüdischen Glaubens und Gemeindelebens.

Zwei Anlässe setzen die Romanhandlung: Sol (Salomon) Mayer, Rabbiner einer großen jüdischen Reformgemeinde in New York, hat einen scharfen Artikel gegen rituelle Zwänge im orthodoxen Judentum, im Chassidismus, veröffentlicht, und er lernt während der Rückkehr von einem Rabbiner-Kongreß über "Die Rolle des Rabbiners in einer sich verändernden Gesellschaft" eine Sängerin kennen, die mit einer Band das Abschlußdinner garnierte. Seine Ehe steckt in der Krise; er ist von der Sängerin fasziniert. Beide Anlässe führen zu Schwierigkeiten, die sich wechselseitig verstärken und seine New Yorker Lebensgrundlage zerstören: Sols angeblich extreme Position wird vom Ausschuß der Reformrabbiner abgelehnt; sein ehebrecherisches Verhalten mit der Sängerin Dianne wird entdeckt.

Leon de Winter, der als Filmemacher begann, liebt die impressionistisch verschwimmenden Umrisse nicht, er bevorzugt harte Konturen und grelle Situationen. Schon Sols Vater Mordechai, Rabbiner in Amsterdam, hatte wegen sexueller Exzesse mit der Frau des Gemeindesekretärs die Niederlande verlassen müssen, aber im nordamerikanischen New Haven wieder Fuß fassen können. Der Fall in die Sünde scheint hier die Voraussetzung der religiösen Erhebung zu sein.

Eines läßt sich dem Buch nicht nachsagen: daß es ihm an Spannung fehle. Es gibt eindrucksvolle Szenen, in denen erzählerische Brillanz aufblitzt, so die Konfrontation Sols mit jüdischen Fundamentalisten und Chassiden, die in einem Wettstreit, ja Duell mit Sprüchen aus den heiligen Schriften entschieden wird. Doch immer wieder meint der Autor durch das Drastische und das Außerordentliche wirken zu müssen. Er trumpft mit burschikosem Sexualvokabular auf, schlachtet die Details der künstlichen Befruchtung aus, der sich Sol und seine Frau vergeblich unterziehen. Die Sängerin Dianne arbeitet zwar als Kellnerin, ist aber die Tochter eines berühmten Senators und hat Astrophysik studiert, so daß in ihren Diskussionen mit dem Rabbiner über die Gottesfrage und die Entstehung des Weltalls Theologie und moderne Physik einander gegenüberstehen. Ob der Erzähler in Sol den Faun oder den Priester, in Dianne die Aussteigerin oder die Wissenschaftlerin erscheinen läßt, immer wirkt die Darstellung um einige Nuancen zu forciert.

Der Schlußteil ist ein Salto mortale in die exotische Welt. Sol hat es in die ehemalige niederländische Kolonie Surinam verschlagen, wo er als Rabbi in der Siedlung ehemaliger jüdischer Flüchtlinge angestellt ist und vollends dem Alkohol verfällt. Seine Geliebte, javanischen und balinesischen Geblüts, schickt ihn zu einem Obiamann, einem Medizinmann, dem hier die Rolle des Psychoanalytikers zufällt. Der rät ihm, nach seinem in Surinam verschollenen Vater Mordechai zu suchen, und verordnet ihm eine Bootsfahrt flußaufwärts. Im Dschungel trifft der Verhungernde auf Indianer, die jiddisch sprechen, und in einer Höhle auf dem Berg Zionoco findet er den Lehrer, seinen Vater, der in der Todesumnachtung den Sohn für den "Maschiach" hält. Nicht der Messias ist Sol, wohl aber wird er der Rabbiner der surinamesischen Indianer.

Dem Leser ergeht es am Ende wie dem Rabbiner, bevor er gerettet wird. Er hat viel mitgemacht und sich nie gelangweilt, aber er hat die Orientierung verloren. Worauf eigentlich will der Autor hinaus? Kulminiert der Roman, mit der Messias-Version des Vaters und dem Ausblick auf Sols Rabbinat bei den jiddisch sprechenden Indianern, im Finale eines phantastischen Abenteuerromans oder in einer grotesken Parodie auf den Wunderglauben? In beiden Fällen dementiert die Ironie den Ernst der vorhergehenden Romanhandlung. Ein rechtes Schelmenstück. WALTER HINCK

Leon de Winter: "Zionoco". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Hanni Ehlers. Diogenes Verlag, Zürich 1997. 416 S., geb., 44,- DM.

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»Leon de Winter hat etwas zu erzählen, und er tut es so gut, daß man nicht genug davon bekommen kann.« Rolf Brockschmidt / Der Tagesspiegel Der Tagesspiegel