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"Ocean Vuongs Gedichte sind voller Wunden, voller Zweifel, voller Liebe." (taz) - Ein neuer Gedichtband vom Autor des Bestsellers "Auf Erden sind wir kurz grandios"
"Ich wurde geschaffen, um zu sterben, doch ich bin jetzt hier, um zu bleiben" schreibt Ocean Vuong in seinem neuen Gedichtband, der eine bewegende Elegie für seine verstorbene Mutter enthält. Der Schmerz und die Freude, die Gewalt und die Zartheit, die Andersartigkeit von Begehren und sozialer Herkunft, die gespaltene Identität des Einwandererkindes - in "Zeit ist eine Mutter" finden sich die Themen seines gefeierten Romans "Auf…mehr

Produktbeschreibung
"Ocean Vuongs Gedichte sind voller Wunden, voller Zweifel, voller Liebe." (taz) - Ein neuer Gedichtband vom Autor des Bestsellers "Auf Erden sind wir kurz grandios"

"Ich wurde geschaffen, um zu sterben, doch ich bin jetzt hier, um zu bleiben" schreibt Ocean Vuong in seinem neuen Gedichtband, der eine bewegende Elegie für seine verstorbene Mutter enthält. Der Schmerz und die Freude, die Gewalt und die Zartheit, die Andersartigkeit von Begehren und sozialer Herkunft, die gespaltene Identität des Einwandererkindes - in "Zeit ist eine Mutter" finden sich die Themen seines gefeierten Romans "Auf Erden sind wir kurz grandios" wieder, aber auch Provokationen wie das Gedicht "Amazon-Verlauf einer ehemaligen Nagelstudioarbeiterin". Vuongs Stimme ist unverwechselbar. Niemand hat in unserer Zeit eindringlicher und zugleich intimer über die Wunden Amerikas gedichtet.
Autorenporträt
Ocean Vuong wurde 1988 in Saigon, Vietnam, geboren und zog im Alter von zwei Jahren nach Amerika, wo er heute lebt. Für seine Lyrik wurde er mehrfach ausgezeichnet, zuletzt u.a. mit dem Whiting Award for Poetry (2016) und dem T.S. Eliot Prize (2017). Bei Hanser erschienen zuletzt sein Debütroman Auf Erden sind wir kurz grandios (2019) und die Gedichtbände Nachthimmel mit Austrittswunden (2020) und Zeit ist eine Mutter (2022).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Rezensentin Miriam Zeh stellt die Lyrikbände zweier "Lyrikstars aus den USA" gegenüber, die beide Migrationserfahrung gemacht haben und die Kriege ihrer Herkunftsländer thematisieren. Der mit zwei Jahren aus Vietnam in die USA gekommene Ocean Vuong widme seinen zweiten auf Deutsch erschienenen Gedichtband zwar vordergründig seiner verstorbenen Mutter, verarbeite aber auch die migrantische Erfahrung und die Reaktionen darauf in den USA, resümiert Zeh. Allerdings würden einige Gedichte "versanden", bemerkt die Rezensentin, sie vermisst in diesem Werk teils den Zusammenhang und sucht vergeblich gemeinsame Themen, eine "schlüssige Form". Die Übersetzung von Anne-Kristin Mittag verstärke diesen Eindruck, indem sie Vuongs "rasante Fahrt durch Poetry Slam und Popkultur" mit "Behäbigkeit" abbremse, stellt Zeh enttäuscht fest.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.04.2022

Er dichtet im
Rückwärtsloop
Mit seinem Debütroman wurde Ocean Vuong
ein internationaler Literaturstar. In seinem
zweiten Gedichtband kehren hochtourige
Gefühlsmomente wieder
VON SAMIR SELLAMI
Starke Empfindsamkeit hat einen Nachteil: Sie altert schlecht. Das gilt auch für die Kunst und ist neben dem großen Vorerfolg von Ocean Vuong ein zweiter Grund, warum auf seinem neuen Gedichtband „Zeit ist eine Mutter“ eine nicht unerhebliche Hypothek lastet. In seinem autobiografischen Bestsellerroman „Auf Erden sind wir kurz grandios“ und dem in den USA kurz vorher, in Deutschland kurze Zeit später erschienenen Lyrikband „Nachthimmel mit Austrittswunden“ hatte Vuong die Durchlässigkeit starker Affekte zum dominierenden Stilprinzip erhoben. Der Roman war zudem im empfindsamsten aller Genres aufgezogen: als Brief an die eigene Mutter, die aber des Lesens nicht mächtig ist und somit eine auf ewig unerreichbare Empfängerin bleibt.
Nun nach drei Jahren, in denen Vuong kein neues Buch veröffentlicht hat, drängt sich die Frage auf, wie es weitergehen kann mit einer Literatur, die mit derart hochtourigen Gefühlsmomenten operiert. Müssten Gedichte, die sich bereits im Buchtitel ganz auf eine Mutter fixieren, nicht emotional übersteuern, noch dazu angesichts der traurigen Tatsache, dass die des Dichters inzwischen im Alter von nicht einmal sechzig Jahren an Brustkrebs verstorben ist?
Positiv festzuhalten ist: Bei Weitem nicht alle, nicht einmal die Mehrzahl der Texte versucht sich an einer Antwort auf den schillernd hermetischen Titelsatz, der die Zeit als eine Mutter definiert. Die meisten Gedichte, ob zehn Seiten oder nur eine halbe lang, lassen sich auf keinen thematischen Nenner bringen, schweifen vom Schneeschaufeln in klirrender Kälte zu Fernsehbildern vom Krieg, von sterilen Krankenhausbetten zum Nacktbaden unterm Guillotinenhimmel, von Zitatschnipseln zu Erinnerungsfragmenten, von der Mitternachtsbegegnung mit einem schweigsamen Stier zum Abschied von einem Drogentoten.
Das wirkt angenehm unbestimmt, schließlich ist ein Lyrikband kein Roman, eher ein stillgelegter Steinbruch, der den Blick auf und die Bewegung durch die Landschaft verändert, oder ein Kästchen mit Nadeln, in das man halb blind hineinnestelt. So findet man in „Zeit ist eine Mutter“ zwischen viel Kies und Geröll immer wieder auch seltene Erden und den ein oder anderen Rohdiamanten oder schmunzelt über die lapidare Behauptung, dass der Schreibende im Gedicht „Die letzte Ballkönigin der Antarktis“ kein Schriftsteller sei, sondern ein Unterwasserhahn. Man pikst sich die Finger an scharf gespitzten Sprachbildern, freut sich angenehm irritiert über „frische, verdutzte Knochen“, über Augen wie „Regentropfen in einem Alptraum“ und den Anblick zweier Liebhaber als „keuchende Forellen“. Entzückt atmet man auf, als der Dichter im Herzen von „Amerikanische Legende“ endlich ein Münztelefon findet, um sich aus einer unerwünschten Spritztour mit dem dauerbetrunkenen Vater herauszutelefonieren.
Noch mehr als im früheren Werk spricht aus diesen lyrischen Momentaufnahmen Vuongs die Absicht, einen surrealistisch imprägnierten Blick auf das Allerkleinste der Dinge zu richten, auf das Wenige und Flüchtige, was sich „zwischen Daumen & Zeigefinger“ gerade noch einfangen lässt. Doch nicht immer gelingt es in diesem Band den Gedichten, ihre lyrischen Fragmente zu einer zwingend poetischen Form zu arrangieren. Vieles bricht irgendwann einfach so ab, endet ähnlich unterspannt, wie anderes anfängt, plätschert nach einem Doppelpunkt, der eine Zäsur fingiert, eintönig weiter.
Farbadjektive sitzen wie Füllwörter in den Zwischenräumen, flicken mitternachtsgrün, fröhlichgelb und blutblau, was eine harte und irritierende Fügung hätte bleiben können. Ein Gedicht über die Amazon-Bestellliste eines Nagelstudio-Mitarbeiters wirkt in der Aufzählung von hochgiftig klingendem Arbeitsmaterial und abermals farbenfrohem Freizeitnippes aus Plastik etwas mutlos spätavantgardistisch. Auch die metapoetisch ausgestellten Sprachwerkzeuge greifen allzu reibungslos ineinander, wo eine Silbe rasch zur Gewehrkugel wird, ein Wort zum Insekt, ein verschwommen erinnertes Körperteil zum unvollständigen Satz heruntergebrochen wird. Über lange Strecken herrscht der Eindruck vor, die Gedichte stecken irgendwo auf halbem Weg zwischen klassischer Moderne, Alltagsnotiz und Poetry Slam den Kopf in den Sand.
Doch dann taucht das faszinierende Stück „Künstlerroman“ aus dem Dunst hervor. Am Ende einer „schier endlosen Wanderung“ findet der Protagonist dieses längeren Proagedichts eine Kassette, drückt auf die Rückspultaste und wird Zeuge einer Flut an Bildern, die prägende Szenen aus dem Leben eines Mannes erzählen, der er selbst sein könnte: Unterschriften verschwinden aus den Büchern eines gefeierten Schriftstellers, bevor dieser rücklings aus dem Rampenlicht in einsame Straßen gespült wird. Zwei Liebende sind erst nackt, dann wieder angezogen: „Ihre Kleidung kehrt zu ihnen zurück wie in sich zusammengefallene Gesetze.“ Im Fernsehen laufen Kriegsbilder aus dem Nahen Osten – es muss der erste Golfkrieg sein, denn die Panzer rollen zum zweiten Mal rückwärts aus dem Irak hinaus.
Auch dieses Arrangement muss sich gegen den Kitschverdacht stemmen, kann aber zu seiner Verteidigung vorbringen, dass das zurückgespulte Leben nicht durchgängig linear verläuft, sondern unzuverlässig springt: Eine abgefeuerte Kugel kehrt nicht in den Lauf zurück, ein Freund namens Kelvin stirbt und bleibt tot, er „setzt sich nicht in seinem Sarg auf, um seinem Vater, Mr Rios, die Stirn zu küssen“. Daraus lässt sich schließen: Im Gedicht wird das Leben als Künstler- anstatt als Bildungsroman erzählt, wird Zeit nicht biografisch angesammelt, sondern Bild für Bild verbrannt und vernichtet. Das beste Gedicht des Bandes endet mit den Worten „hier am Ende“, schließt den Kreis wieder im Hier und damit in der Zeitform, aus der die anderen Gedichte des Bandes zu selten ausbrechen, obwohl sie sich inhaltlich ständig in Reminiszenzen vergraben.
In Friedrich Schillers Theorie heißt diejenige Dichtung naiv, die sich nach antikisierendem Vorbild im Gleichklang mit ihrem Gegenstand entfaltet, sentimentalisch hingegen seien Elegie, Idyll und Satire, also die dichterischen Formen, die ohne Aussicht auf Erfolg die Distanz zu ihrem Gegenstand zu überwinden versuchen. Ocean Vuongs neue Gedichte lesen sich wie Bruchstücke sentimentalischer Formen im naiven Gewand: Das meiste ist Elegie, dazwischen mitunter aufblitzend ein flüchtiges, unwahrscheinliches Idyll. Kaum Platz bleibt dabei für die Satire, denn auch das, eine Tendenz zur Humorlosigkeit, birgt eine Empfindsamkeit, die bei Weitem nicht mehr so frisch und verdutzt wirkt wie in Vuongs ersten beiden Büchern. Es wäre diesen Gedichten zu wünschen gewesen, dass sie sich öfter als im „Künstlerroman“ zur Mutter der sämtlichen Zeit berufen gefühlt oder sich wie im dramatisch verdichteten Eingangsgedicht „Der Stier“ um ihre Aufhebung bemüht hätten. So bleibt der getrübte Eindruck eines in Reminiszenzen versunkenen Präsens, das der übrigen Zeit die Zähne zieht.
Seine Humorlosigkeit wirkt
nicht mehr so frisch und verdutzt
wie im Frühwerk
Ocean Vuong:
Zeit ist eine Mutter.
Aus dem Englischen von Anne-Kristin Mittag. Hanser, München 2022. 112 Seiten, 20 Euro.
Ein langer autobiografischer Brief an die Mutter war 2019 Ocean Vuongs Durchbruch. An diesem Thema hält er auch in „Zeit ist eine Mutter“ fest.
Foto: Luca Bruno/AP
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"Ocean Vuong hat einen sehr intensiven Band geschrieben - und er blickt zugleich voraus." Nico Bleutge, Deutschlandfunk Büchermarkt, 20.04.2022

"'Zeit ist eine Mutter' ist ein so düsterer wie tapferer Gedichtband, in dem sich Ocean Vuong von seiner 2019 verstorbenen Mutter verabschiedet und seine Beziehung zur Welt neu ordnet. [...] So liegt nun sein drittes Buch vor, das viel von Einsamkeit erzählt und diese gerade deshalb ein wenig überwindet." Katharina Borchardt, SWR2 Lesenwert Magazin, 10.04.2022

"Man sieht beim Lesen dabei zu, wie Vuong gegen das Verschwinden anschreibt und es nichts nützt [...], aber am Ende nützt es doch. Er gibt ihr ein Nachleben, in seinen Texten ist sie noch da, es ist der Trick, den Gedichte beherrschen: den Toten einen zweiten Atem zu geben." Peter Praschl, Literarische Welt, 03.04.2022