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Heinrich Deterings Gedichte erkunden Metropolen und entlegene Landschaften. Formbewusst und leichtfüßig balancieren sie zwischen romantischer Sehnsucht und Spielwitz.»Seine Gedichte sind faszinierend wie seine Essays«, schrieb Helmuth Nürnberger über Heinrich Deterings Band »Schwebstoffe«. Die neuen Gedichte erkunden Metropolen und entlegene Landschaften und vergewissern sich ihrer Geschichte. Lakonisch und neugierig vermessen sie die Welt zwischen Berlin und Boston und dem Borgo-Pass in den Karpaten, wo die Hunde als Wölfe in die Wälder zurückkehren. Sie begleiten einen Luftschiffer in Oxford…mehr

Produktbeschreibung
Heinrich Deterings Gedichte erkunden Metropolen und entlegene Landschaften. Formbewusst und leichtfüßig balancieren sie zwischen romantischer Sehnsucht und Spielwitz.»Seine Gedichte sind faszinierend wie seine Essays«, schrieb Helmuth Nürnberger über Heinrich Deterings Band »Schwebstoffe«. Die neuen Gedichte erkunden Metropolen und entlegene Landschaften und vergewissern sich ihrer Geschichte. Lakonisch und neugierig vermessen sie die Welt zwischen Berlin und Boston und dem Borgo-Pass in den Karpaten, wo die Hunde als Wölfe in die Wälder zurückkehren. Sie begleiten einen Luftschiffer in Oxford auf einer Zeitreise und lassen Dutschke, Duce und Dubcek in einem Vers zusammentreffen, sie sehen Chuck Berry den Blues spielen und gehen den sterbenden Piraten der Schatzinsel nach ins Unbekannte. Formbewusst und mit großer Leichtigkeit halten diese Verse die Schwebe zwischen Alltäglichem und Metaphysik, zwischen romantischer Sehnsucht und Spielwitz.InhaltsverzeichnisI Semiotik in ErlangenCathrinesminde_Wrist_Wesselburen_Reisebericht_Kopfunter_Zaunkönig_Warschau, dritter Oktober_Nachtfahrt_Berliner Kindheit_Oxford, Deadmans Walk_Düppeler Schanzen_Läsionen_Eidersperrwerk_II LeichenschattenVerfärbungen_im halbleeren Bett_Menetekel_Amseln_ein Metaphysiker spricht_Grimm-Haus_Nehmt alle Fotos fort in Hannover_Husum, kurz vor sieben_was mich betrifft_Incarnation_Famous last words_englische Stimmen_III unter den Pappelnaus den Augen_1967_das Ende des Winters_Karl IV., Karlstein bei Prag_Der Heilige Antonius, Colmar_Wiederbringung, Colmar_Wilhelm Raabe auf Borkum, 1901_Weinheber_Becher_einwandfrei_Heimkehr, halb elf_zehn Silben_Duck Room, Blueberry Hill_Silver_IV KönigstürMartha_Einkaufszone_im Davongehn_Teehaus_Kraniche_Frau Keun, am Ende_Gospel Train_verstummt_verloren_Neue Zeit_Mitte März_am Borgo-Pass_Nach Golgatha_Königstür
Autorenporträt
Heinrich Detering, geb. 1959, lehrt Neuere deutsche Literatur und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Göttingen. 2003 erhielt er den Julius-Campe-, 2012 den H.-C.-Andersen-Preis. 2014 war er Aston Poet in Residence in Birmingham, 2012 Liliencron-Dozenzt für Lyrik in Kiel, 2008 Ehrengast der Villa Massimo, 2004 Poetikdozent in Mainz, 2003 Paul Celan Fellow in St. Louis.Veröffentlichungen u. a.: Holzfrevel und Heilsverlust. Die ökologische Dichtung der Annette von Droste-Hülshoff (2020); Menschen im Weltgarten. Die Entdeckung der Ökologie von Haller bis Humboldt (2020); Der Antichrist und der Gekreuzigte. Friedrich Nietzsches letzte Texte (2010).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.11.2009

Chuck Berry rockt zu Rilke
Kurzweilige Andacht: Heinrich Deterings neue Gedichte

Seit der Romantik hadert die Literatur mit einem besonders anspruchsvollen Wahrnehmungsmodell: einer Ästhetik, die auf Andacht, Ergriffenheit, hohe Töne, große Gefühle zielt und dem Betrachter so lange Geduld abverlangt, bis er sich erweckt fühlt. Wilhelm Heinrich Wackenroders "Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders" (1796) mit ihren frommen Geschichten über Kunst, Malerei und Literatur verkörperten diese Ästhetik eindrücklich, und prompt zog Goethe gegen das "klosterbrudisierende Unwesen" ins Feld. Heinz Schlaffer brachte das Problem einmal auf den Punkt. Seit den Desillusionierungen der Moderne gelte die Andachtsästhetik als Kitsch. Er setzt stattdessen auf Flüchtigkeit, auf eine Schönheit, die sich nur zufällig einstellt und schnell wieder vergeht.

Dabei könnte man es belassen, wäre nicht gerade ein Gedichtband erschienen, dem die Kritik an der Andachtsästhetik zugleich sympathisch und unbefriedigend erscheint. Heinrich Detering, Dichter, Kritiker und Literaturwissenschaftler, weiß um die sentimentalen Schlagseiten der Andachtsästhetik. Wiederverzauberung der Welt durch poetische Askese lautet deshalb Deterings poetologisches Programm. Es ist ein Programm für eine Welt, der mit dem Religiösen auch ihre Ausdrucksformen, das Pathos, der hohe Ton, abhandengekommen sind. Sie kann sich ihren Mysterien nur auf umgekehrtem Weg, durch Ironie und nüchternes Silbenzählen nähern.

Mit kurzen Texten und heiterem Trotz reibt sich der Dichter Detering an einer prosaischen Welt ohne Gott und Teufel, einer Welt, die sich mit dem materiellen Hier und Jetzt zufriedengibt. Die Texte sind lose thematisch miteinander verbunden und in vier Gruppen gegliedert: Eine erste Gruppe ("Semiotik in Erlangen") handelt von Reisen, Legenden, eigentümlichen Ereignissen, eine zweite von Vergangenheit und Tod ("Leichenschatten"), eine dritte über Historisches ("unter den Pappeln") und eine vierte über die letzten Dinge. Sie ist nach dem gleichnamigen Gedicht "Königstür" überschrieben und zeigt den nicht unerheblichen Spannungsbogen des Bandes an: Bei der Königstür handelt es sich um den wichtigsten liturgischen Baukörper der orthodoxen Kirche. Sie öffnet sich, so heißt es, wenn das Weltgericht anbricht.

Wer so hoch greift, muss genau prüfen, welche poetischen Traditionen er beerben will. Die metaphysischen Dichter des siebzehnten Jahrhunderts etwa zählen nur bedingt dazu. Bei aller Bewunderung möchte Detering kein John Donne sein: "die Metaphysik as we know it / is often hard to share / doch ein metaphysical poet ist auch nicht irgendwer", heißt es lakonisch. Metaphysischen Dichtern stand offenkundig zu Gebote, was den Gegenwärtigen nicht mehr zukommt: "betörende Wörter / wie Pan und parasakral".

Auch eine neue Kunstreligion hat der Dichter nicht zu bieten. Sein Wahnfried heißt Wrist: Im wirklichen Leben ist Wrist ein kleiner Ort an der Bahnstrecke zwischen Hamburg und Kiel; im Gedicht wird er zur Chiffre für ein unentdecktes "Zwischenreich / aus Himmeln und aus Mooren", wo - wie alte Landkarten schreiben - die Löwen wohnen. Deterings Sprecher hat sich hier schnoddrig und mit Chuzpe eingerichtet, um zu sehen, was nach der Welt kommt: "Hier werd ich sein wenn nichts mehr ist / nicht Löwe Land noch Karte / Die Ewigkeit sieht aus wie Wrist / Ich habe Zeit Ich warte".

Das Bild vom Moor und der widerständige Ton des Textes lassen unweigerlich an Annette von Droste-Hülshoff denken, auch wenn die lyrischen Gesprächspartner Deterings Hans Magnus Enzensberger, Harald Hartung und Dirk von Petersdorff heißen. Als zurückgezogener, mönchischer Dichter stellt er die Naturordnung Norddeutschlands auf den Kopf. Er erneuert die Physikotheologie. Bäume baumeln (auch grammatikalisch in umgekehrter Reihenfolge) vom Himmel herab; Newtons Fallgesetze gelten nicht mehr. Beim Abstieg ins Tal der Kraniche hingegen heißt es: "als ich vom Abhang die Herrlichen sah / und ihre klagenden Schreie hörte / wusste ich: das hier ist das Paradies / im Augenblick des Sündenfalls / und kehrte um".

Doch schreckt der Dichter vor der Sünde nicht nur nicht zurück, sondern sie erweist sich als notwendiges Gegenstück zum Heiligen. Die Begeisterung für das Dunkle und Gefährliche lässt den Dichter zum Piraten, zum Geschichtenerzähler werden. Er träumt sich in das Personal der "Schatzinsel" von Robert Louis Stevenson hinein und fragt, was nach Verschwörung, Meuterei, Schatzsuche und Mord kommt. Jim Hawkins, der jugendliche Held des Romans, versprach sich, nie wieder auf die Schatzinsel zurückzukehren. Doch glücklich zu Hause angekommen, quält ihn noch Jahrzehnte später die Abenteuerlust, die Sehnsucht nach dem Ort, den er floh: "der Rentner träumt im Admiral Benbow / krank vor Heimweh jede Nacht jede Nacht".

Auf die Abenteuer des Kultbuches antwortet "1967", ein Gedicht über das Aufwachsen auf dem Land, über schreiende Hasen und die Apo, deren blasphemische Ansichten, so fürchteten die Dörfler, die Jugend in der Gestalt einer jungen Lehrerin bedrohten. "Oxford, Deadman's Walk" hingegen blickt weit in die Geschichte zurück und erzählt von der ersten Ballonfahrt auf englischem Boden im Jahr 1784. Der Luftschiffer James Sadler startete aus den Wiesen Oxfords und landete nur sechs Meilen vom Abflugort entfernt. "Jenseits der Themse hatte er Mordor / erblickt in endloser Ferne". "Flüchtige Hirngespinste" wie dasjenige vom Land des Schreckens aus J. R. R. Tolkiens "Herrn der Ringe" begleiten den Luftschiffer auf der Fahrt ins Ungewisse, in die Einzugsgebiete von Wrist.

Wrist liegt überall und nirgends, ist ein imaginärer und realer Ort, eine Sichtweise und Daseinsform. "Wristen" drückt sich durch running gags wie den Verweis auf das schon aus dem Vorgängerband "Schwebstoffe" von 2004 bekannte Autohaus Elmshorn, durch Fankult und Spaß am Sampeln aus. Als Fan und DJ schreibt der Dichter über Künstler wie Bob Dylan, Irmgard Keun, Chuck Berry und über Friedrich Nietzsche. Es geht um Alter und Ekstase, "Heliumhirn / und bleierner Bauch", um das Überleben und Sterben von Legenden.

"Duck Room, Blueberry Hill" spielt in Chuck Berrys gleichnamigem Restaurant in St. Louis, wo er selbst noch Konzerte gibt und sich in seinem berühmten "Duck walk" versucht. In "Wrist" gerät dieses Szenario zum negierten Sonett: Der alte, aber energiegeladene Chuck Berry trifft mit seiner E-Gitarre auf den ekstatischen späten Rilke der Sonette an Orpheus. Rilkes "O reine Übersteigung" aus dem ersten Sonett wird zur Tonspur für den dreiundachtzigjährigen Chuck. Seine E-Gitarre verhallt mit rilkeschen Zuckungen: "Rom in Ruinen Und noch immer Rom".

Detering ist kein Poeta philologus, kein Philologendichter. Er will bewegen - als Mönch, Pirat, Geschichtenerzähler, Fan, DJ und ohne das große klosterbrudisierende Rad zu drehen. Wenn Andacht so kurzweilig ist, hat sie ihre moderne Form gefunden.

SANDRA RICHTER

Heinrich Detering: "Wrist". Gedichte. Wallstein Verlag, Göttingen 2009. 77 S., geb., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.11.2009

Sich selbst ins Wort gefallen
Heinrich Detering lockt die Leser nach Wrist
„bei Hamburg ging endlich die Sonne auf / über der Alster das rosige Winterlicht / über der Elbe die lautlose Explosion / später über Hannover / lagen die braunen Rauchschwaden wie im Krieg.” Der das geschrieben hat, kennt dank seiner späten Geburt (1959) die Rauchschwaden im Krieg allenfalls vom Hörensagen. Aber dieses plötzliche „wie im Krieg”, woher es auch kommen mag, lässt aufhorchen. Dem Autor Heinrich Detering gelingt eine poetische Aussage, welche in der Imagination der Leser nun ihre eigenen Wege geht.
Als Detering vor fünf Jahren seinen ersten Gedichtband veröffentlichte, fand sich darin auch schon eine Reiseminiatur: „bei Kassel kreuzten wir die Wettergrenze / im Radio Satchmos lässige Eleganz / ... / endlos unter der Brücke die glitzernde Werra im Wald / dann der Regen”. Auch das war gelungen: lässige Eleganz auch im Gedicht, schicke Langweiligkeit als Thema ... und kein Risiko. Diese Manier ist auch in dem neuen Band noch zu finden, wenn „der Regen einsetzt”, in „Husum, kurz vor sieben”. Aber sehr viel öfter als damals gibt es nun Themen und Wendungen, die dafür sorgen, dass die Gedichte nach dem letzten Vers im Kopf der Leser erst richtig anfangen, wie der zitierte „Reisebericht”.
Dazu muss der Autor sich spalten, sich beobachten und doch er selber bleiben. Ironisch und beinah frech geschieht das gleich im zweiten Gedicht mit dem Titel „Wrist”, das dem Band seinen geheimnisvollen Namen gegeben hat: Wer weiß schon, dass es sich dabei um eine 2504 Seelen zählenden Gemeinde in Schleswig-Holstein handelt, ein „Zwischenreich / aus Himmeln und aus Mooren”? Volkstümlich rhythmisiert und gereimt, ist es ein kleines Meisterwerk. Darin lässt das lyrische Ich demonstrativ seinen vielbeschäftigten Autor hinter sich: „Die Ewigkeit sieht aus wie Wrist / Ich habe Zeit Ich warte”. Schärferer Sarkasmus schafft den nötigen Abstand in „Neue Zeit”, einem umwerfenden Insider-Gedicht mit akademischem Modejargon.
Ein unüberbrückbarer Abgrund trennt den Autor von dem Kind, das er einmal war und in dessen Perspektive das lyrische Ich in „1967” spricht (er war also gerade acht): „wir gingen Hasen jagen mein Vater und ich”, ein Gedichttyp, für den Durs Grünbein mit seinem „Schweißausbruch” („Und immer geht die Katze mit mir mit, der blutige Kadaver ...”) hohe Maßstäbe gesetzt hat.
Wieder anders, aber sehr eindringlich hören wir ihn in nächster Nähe sprechen, wenn er ganz still ist beim Sterben einer Neunzigjährigen „im halbleeren Bett”. Auch politische Themen meistert Heinrich Detering , obwohl sie nie ohne eine dezidierte Meinung des Autors auskommen können: Josef Weinhebers, des „Faschisten”, Selbstmord wird zu seinem letzten Vers, nachdem er den vorletzten schrieb: „Dies alles ist furchtbar”.
Johannes R. Becher, der Dichter und später kaltgestellter Kulturminister der DDR, bekommt eine jämmerliche und doch tragische Aura: „seine Stimme im Chor zu hören / heißt nicht allein zu sein / und es klingt wie ein unreiner Reim”.
Heinrich Detering ist nicht nur ein Fachmann, was Metrik und poetische Formen betrifft, er besitzt auch eine feine Sensibilität dafür, dass die Form anmaßend werden kann. Nicht umsonst sind die Dichter der Moderne gegen Strophen und Reime allergisch geworden.
Die radikale Silbenzählung scheint eine Form zu sein, welche Wortwahl und Satzbau unbehindert lässt, aber dem Dichter doch die Kompetenz einräumt, seinem Werk einen poetischen Stempel ohne inhaltliche Vorgaben aufzudrücken.
In einer schönen Skizze „zehn Silben” wird so eine flüchtige Empfindung poetisch gespiegelt und erhebt sich dadurch über eine private Plauderei: „das Herzklopfen beim Nachhausekommen / jede Woche draußen vor der Haustür / das leichte Kribbeln wieder da zu sein / schon ulkig nach fast vier Jahren Pendeln // nur zehn Silben lang aber immerhin”.
Eine etwas ausführlichere Reflexion in zwei vierzeiligen Strophen (je ein Vers mit 11 und drei Verse mit 10 Silben) unter der Überschrift „einwandfrei” schildert, vielleicht etwas selbstgefällig, das zwiespältige Verhältnis zwischen dem der spricht und seiner Rede.
Der Dichter verschont auch seine eigenen Texte nicht mit diesem Misstrauen – und verdankt ihm seine besten Gedichte: „so höre ich mich manchmal Sätze sagen / von denen ich nicht weiß woher sie kommen / sie klingen einwandfrei Den der sie sagt / möchte ich nicht kennenlernen müssen // er redet gut für seine Verhältnisse / mit denen ich nichts zu schaffen habe / wenn ich ihm jetzt ins Wort fallen könnte / ich würde es tun So höre ich mich”.HANS-HERBERT RÄKEL
HEINRICH DETERING: Wrist. Gedichte. Wallstein Verlag, Göttingen 2009. 77 Seiten, 14,90 Euro.
„so höre ich mich manchmal Sätze sagen / von denen ich nicht weiß woher sie kommen ...”
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sandra Richter sieht sich in ihrer Kritik von Heinrich Deterings Gedichtband "Wrist" an die besonders in der Romantik gepflegte "Andachtsästhetik" erinnert. Allerdings stellt sie erleichtert fest, dass sich der Autor mit poetischer Zurückhaltung und gewohnter "Chuzpe" durch dieses unter Kitsch- und Sentimentalitätsverdacht stehende Gebiet schlägt. Seine Gedichte handeln von der säkularisierten Welt, vom Reisen, Altern und Tod und schließlich auch von den "letzten Dingen", pflegen aber einen derartig "schnoddrigen" Ton, dass hohles Pathos gar nicht aufkommt, wie Richter befriedigt erkennt. "Wrist", ein kleiner norddeutscher Ort im Moor, der dem Band den Titel gegeben hat, steht dabei für eine bestimmte "Sichtweise und Daseinsform", erklärt die Rezensentin. Darin nähert sich der Lyriker, Kritiker und Literaturwissenschaftler nicht nur unerschrocken der "Sünde" als notwendigem Widerpart zum Sakralen, es bereitet ihm auch keine Schwierigkeiten, Chuck Berry mit Rilke auf die Bühne seiner Lyrik zu stellen, wie sie vergnügt konstatiert. Und so "kurzweilig" lässt sich Richter "Andacht" gerne gefallen, wie sie preist.

© Perlentaucher Medien GmbH