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In the tunnels beneath New York a young man is missing. With each passing minute he heads deeper underground, further from the world of light and reason and closer to the moment of his great surrender. Above ground Ali Lateef of the NYPD is assigned the case. The boy's mother Violet is reluctant to help and Emily, Lowboy's girlfriend and only confidante, appears to have vanished too.

Produktbeschreibung
In the tunnels beneath New York a young man is missing. With each passing minute he heads deeper underground, further from the world of light and reason and closer to the moment of his great surrender. Above ground Ali Lateef of the NYPD is assigned the case. The boy's mother Violet is reluctant to help and Emily, Lowboy's girlfriend and only confidante, appears to have vanished too.
Autorenporträt
John Wray wurde 1971 in Washington/USA als Sohn eines amerikanischen Vaters und einer österreichischen Mutter geboren. Studium am Oberlin College, an der Columbia University und an der Universität Wien. Er lebt derzeit als freier Schriftsteller in Brooklyn, N.Y. und Friesach (Kärnten). 2007 wurde er von dem bekannten Literaturmagazin Granta unter die 20 besten jungen US-Autoren gewählt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.07.2009

Im U-Bahnnetz der Seele
Paranoia in Zellophan: John Wrays rasanter Roman „Retter der Welt”
Lowboy trägt die ganze Welt in sich. Und die Welt ist kurz davor zu explodieren, zu verglühen. Jedenfalls ist William Heller, der sich selbst Lowboy nennt, davon überzeugt; ebenso davon, dass er allein in der Lage ist, die Katastrophe zu verhindern. Durch sein Bewusstsein strömen permanent disparate Gedankenfetzen, die sich nur für ihn selbst zu einem verständlichen Ganzen zusammenfügen: Klimakatastrophenszenarien, Erlösungs- und Allmachtsphantasien, Angstschübe. William Heller ist 16 Jahre alt und paranoid schizophren.
Nach einem achtzehnmonatigen Aufenthalt in einer Klinik (von ihm als „die Schule” bezeichnet), soll er nun unter Aufsicht zurück nach Hause, zu seiner Mutter gebracht werden. Der Vater, ein berühmter Jazzmusiker, ist bereits vor Jahren gestorben. Doch William hat in den Wochen vor seiner Entlassung seine Tabletten nicht eingenommen und ist wach genug, um seinen beiden Begleitern in der U-Bahn zu entkommen. Nun ist Lowboy allein im Bauch von New York, allein mit sich und der ganzen Welt in seinem Kopf. Währenddessen begibt man sich in der vermeintlich normalen Welt oben auf die Suche nach Lowboy, dessen Gewaltpotential nicht sicher eingeschätzt werden kann – kurz vor seiner Einweisung hat er seine Freundin Emily auf die Gleise der U-Bahn gestoßen, wo sie in letzter Sekunde gerettet werden konnte.
Ein jugendlicher psychisch kranker Held also, eine wilde Verfolgungsjagd und eine doppelte Liebesgeschichte noch dazu, die sich, entsprechend dem Romanpersonal, auf ebenso schwankendem Boden abspielt wie überhaupt alles in John Wrays Roman. Der 1971 in Washington, D.C. geborene Autor hat sich, das zeigt die Danksagung am Ende, tief hineingearbeitet in die Gedankenwelten seiner Protagonisten. Umso höher ist es ihm anzurechnen, dass das Ergebnis der Recherchen weder reißerische Effekthascherei noch unausgegorene Phrasen sind: „Retter der Welt” ist ein von Beginn an packendes, motivreiches und intelligent angelegtes Buch. Verschlüsselung, Zeichenhaftigkeit und Doppelung – das sind nur einige der Hauptmotive des Romans. Lowboy alias William und diverse Gestalten, denen er begegnet, unten; oben seine österreichische Mutter Yda (von William Violet genannt) und ein schwarzer Detective namens Ali Lateef, geboren unter dem Namen Rufus Lamarck White, in den sechziger Jahren von seinem Vater umbenannt. Identitätsspaltungen, wohin man auch schaut. Gesund in einem medizinischen Sinn, das wird schnell klar, ist hier niemand; eine Feststellung, die auch auf die sorgfältig ausgearbeiteten Nebenfiguren des Romans zutreffen dürfte.
In zwei gegeneinander geschnittenen Handlungssträngen jagt John Wray Flüchtende und Suchende hinter- und nebeneinander her. Während William seine Freundin Emily an der Schule abfängt und diese sich einmal mehr in den Bann seiner undurchdringlich-faszinierenden Aura begibt, fühlt Lateef sich zusehends angezogen von Violet, deren Verhaltensmuster ihn, den erfahrenen Zeichendeuter, vor immer größere Rätsel stellen. Und auch für William ist die Welt voller Zeichen.
Ansteigende Hitze
Jeder Schritt, jede Bewegung, jede noch so kleine Begebenheit im New Yorker U-Bahnnetz bekommen eine Bedeutung: „Ein Fetzen von der Zellophanhülle einer Zigarettenschachtel huschte über den Bahnsteig, tänzelte kokett an der Bank vorbei: ein scheues Omen. Ein Vorzeichen. Er drückte das Gesicht gegen seine Knie und atmete keuchend.” So kann das Leben in sich zur Hölle werden. Die Hitze steigt in Lowboy, der sich in einer Welt voller Kulissen bewegt und dessen Zustand einer pulsierenden, vibrierenden Spannung den Roman vorantreibt und aus ihm herausstrahlt.
„Retter der Welt” ist ein Stationendrama, das sich problemlos auch als Thriller lesen lässt. Nichts raunt darin, nichts wird vergeheimnist. In einer klaren Sprache bekommt man die Innenarchitektur eines Kranken vorgeführt. William schlägt Haken, innerlich und äußerlich; leicht zu fassen ist er nicht. Er schließt sich einer Obdachlosen an, die versucht, ihn zu verführen; später landet er in den Fängen einer Prostituierten und deren Zuhälter, die ihn ausnehmen wollen. Mal ist Lateef dicht hinter ihm, mal begegnen sie sich in zwei aneinander vorbei fahrenden Zügen.
Die Rasanz, mit der sich „Retter der Welt” auf sein schon auf den ersten Seiten angedeutetes ungutes Ende hin zubewegt, ist vergleichbar mit der von Lowboy bevorzugtem Verkehrsmittel. Durchaus bezeichnend, dass Ali Lateef sich dagegen mit einem grauen Ökoauto durch die Straßen von New York bewegt.
Es gehört zum Krankheitsbild des Schizophrenen, sich nicht krank zu fühlen, sondern lediglich in einer Form von selbst zugeschriebener Hellsichtigkeit die Kluft zwischen sich und den anderen zu verbreitern.
Die Grenze zwischen Wahn und Wirklichkeit ebnet sich auch in Lowboy ein. Ohne den schützenden Mantel der Psychopharmaka drängen die Affekte nach oben, auch die einer bis dahin verdrängten oder kaltgestellten Sexualität. Geradezu brillant durchkreuzt John Wray immer wieder Szenen des Alltags mit Lowboys von Angst und Panik erfüllter Psyche, sei es der Kauf einer Hose, sei es eine schlichte Umarmung oder sei es der Kauf eines Kuchens in einer Bäckerei, den John Wray in quälender Echtzeit erzählt. Doch was auch immer Lowboy unternimmt, welche Wege er oder seine Verfolger auch immer beschreiten – John Wray hat sich nicht in die Irre führen lassen. Sein kühn angelegter Roman ist die präzise und ästhetisch plausible Darstellung einer Normalität, die auf deren Gegenteil basiert.
CHRISTOPH SCHRÖDER
JOHN WRAY: Retter der Welt. Roman. Aus dem Englischen von Peter Knecht. Rowohlt Verlag, Reinbek 2009. 352 Seiten, 19,90 Euro.
Hier wird bei John Wray alles zum Zeichen des Unheils: New Yorker U-Bahn Foto: The NewYork Times/Redux/laif
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