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Produktdetails
  • Mainzer Studien zur Musikwissenschaft Bd.39
  • Verlag: Schneider, Tutzing
  • 1999.
  • Seitenzahl: 443
  • Unbestimmt
  • Abmessung: 240mm
  • Gewicht: 1018g
  • ISBN-13: 9783795209971
  • ISBN-10: 3795209978
  • Artikelnr.: 08908000
Autorenporträt
Dr. Karl Böhmer studierte Musikwissenschaft und Kunstgeschichte sowie Mittlere und Neuere Geschichte in Mainz. Er promovierte über Mozarts Oper Idomeneo und arbeitet seit 15 Jahren als Dramaturg der Landesstiftung Villa Musica Rheinland-Pfalz.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.02.2000

Der Eintritt war frei
Mozarts „Idomeneo” und Münchens Karnevalsopern
Zumindest in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gab es in München mit schöner Selbstverständlichkeit jeweils eine neue Oper in der Karnevalszeit. Auch bei Mozart bestellte der Intendant Graf Seeau Karnevalsopern – nach La finta giardiniera von 1775 den Idomeneo für 1781. Die Spielzeiten im extra für die Karnevals-Opern errichteten „Neuen Theater” – heute Cuvilliés-Theater – reichten jeweils von Januar bis Aschermittwoch. Zu diesem Haus hatte nicht nur der Adel Zutritt, sondern auch der Bürger und der Bauer – wenigstens im Parkett. Der Eintritt war frei, der Andrang groß. Die festliche „große” Seria-Oper nach italienischer Art wurde von der Buffa ergänzt, aber auch von der französisch geprägten Komödie sowie dem deutschen Sing- und Schauspiel.
Mozart ließ sich von dieser Formen-Vielfalt anregen. Er strebte eine Synthese an, mit der seine Singularität signalisiert und definiert werden könnte. Zugleich ließe sich Mozart als „europäischer” Komponist erkennen. Die Einflüsse bestimmen speziell die Oper Idomeneo, zusammen mit der leider weiterhin unbekannten Tradition der Münchner Karnevalsoper, so dass die Frage nach der gattungsgeschichtlichen Einordnung des Werkes und der Bewertung innerhalb von Mozarts Entwicklung als Musikdramatiker neu gestellt erschien.
Die Bedeutung der Münchner Karnevalsopern-Tradition stellte sich im Hinblick auf Idomeneo als ein „ebenso spannendes wie dankbares Promotionsthema” dar, und Christoph-Hellmut Mahling ermunterte den jungen Mainzer Musikwissenschaftler Karl Böhmer, die in Neuland vorstoßende Untersuchung zu wagen. Es gelang brillant und aufschlussreich. Böhmer prüfte eindringlich und stellte fest, dass „in der bisherigen Forschung die beiden Fragen deshalb unwillkürlich ineinander spielen, weil das Heranreifen des Opernkomponisten Mozart im allgemeinen teleologisch im Sinne einer zielgerichteten Entwicklung hin auf den Höhepunkt der Da-Ponte-Opern und der Zauberflöte interpretiert wurde”. Wir sollten im Idomeneo nicht länger die Überwindung der seria bei Mozart sehen, sondern ihre Erfüllung, die Münchner Tradition fortsetzend.
Erstaunlich nennt der Autor die Tatsache, dass eine Analyse der Einflüsse der Münchner Operntradition bisher nur ansatzweise zu konstatieren sei, obwohl die Partituren der Münchner Karnevalsopern von 1753 bis 1778 im Notenmaterial der Hofkapelle beinahe lückenlos in der Bayerischen Staatsbibliothek zu finden sind.
Das Musikleben nahm sich damals sehr vielfältig und hochkarätig in München aus, wie Böhmers Untersuchungen – anknüpfend an die Arbeiten des Münchner Experten Robert Münster – bestätigen. Entscheidend wirkte sich das Engagement der residierenden Kurfürsten aus. Maximilian III. Joseph war als Gambist und Komponist ernst zu nehmen. In seiner Regierungszeit (1745–1777) kam es zur unmittelbaren Anknüpfung an die Musikpflege seines Vaters und seines Großvaters. Die seria dominierte – getragen von Metastasios Libretti. Wichtig war für den Hof, dass Kastraten Rollen erhielten – bis zu vier in einer Oper.
Mozart stellte einen Vergleich zwischen München und Mannheim an – wo man zwar nur wenige Kastraten fände, aber hinsichtlich des Orchesters und der Betonung des deutschen Geschmacks Karl Theodor von der Pfalz viel verdankte, der als bayerischer Kurfürst von 1778 bis 1799 in München regierte und mit seinen mitgebrachten Mannheimer Musikern eine aufstachelnde Konkurrenz nach München holte – auch Kontroversen. Der Vorliebe der Münchner für die italienische Oper stellte Karl Theodor für die deutsche Hofoper das Singspiel, die Ballettpantomime, das Melodram gegenüber.
Der Streit um die Vorherrschaft deutscher und italienischer Karnevalsopern fiel heftig aus. Es wäre heute sicher richtig, Werke etwa von Bernasconi, Galuppi, Sacchini, Tozzi, Gluck, ferner Opern von Holzbauer und Myscivecek auszuprobieren, vielleicht auch den von Böhmer eingehend analysierten Telemaco (schon dieses Titels wegen) von Franz de Paula Grua. Da müsste ein Praktiker wie René Jacobs aktiv werden. Und angesichts der Gefahr, dass Jacobs in Berlin von der Staatsoper abgekoppelt wird, wäre es zu empfehlen, ihn nach München zu holen, wo ja endlich eine Zustimmung beispielsweise zu Händel das Ausgraben von Münchner Karnevalsopern sinnvoll macht. Zumindest lohnt es, sich hierzu bei Böhmer zu informieren. Seine mit viel statistischem Material bereicherte Publikation dürfte ein idealer Wegweiser dabei sein – wie auch zum Thema Mozart.
W.-E. VON LEWINSKI
KARL BÖHMER: Mozarts Idomeneo. Verlag Hans Schneider, Tutzing 1999. 443 Seiten, 142 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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