Wie legen wir Normen des Grundgesetzes aus? Eine erste intuitive Antwort lautet: indem wir sie, ebenso wie das einfache Recht, mittels der gängigen Auslegungsmethoden untersuchen. Aber die Normen des Grundgesetzes weisen zumindest zwei Besonderheiten auf, die sie vom einfachen Recht unterscheiden. Sie sind zumeist sehr knapp formuliert und seit 75 Jahren überwiegend nicht verändert worden. Daher sind sie bei neuen Fragestellungen, die namentlich durch die Pluralisierung, die Digitalisierung oder die Europäisierung aufgeworfen worden sind, nicht ohne Weiteres operationalisierbar. Die…mehr
Wie legen wir Normen des Grundgesetzes aus? Eine erste intuitive Antwort lautet: indem wir sie, ebenso wie das einfache Recht, mittels der gängigen Auslegungsmethoden untersuchen. Aber die Normen des Grundgesetzes weisen zumindest zwei Besonderheiten auf, die sie vom einfachen Recht unterscheiden. Sie sind zumeist sehr knapp formuliert und seit 75 Jahren überwiegend nicht verändert worden. Daher sind sie bei neuen Fragestellungen, die namentlich durch die Pluralisierung, die Digitalisierung oder die Europäisierung aufgeworfen worden sind, nicht ohne Weiteres operationalisierbar. Die Interpretation einer Norm des Grundgesetzes beinhaltet daher vor allem die Interpretation der zu ihr ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die Untersuchung befasst sich auf der Grundlage eines Referenzfalls mit der Methode der Rezeption von verfassungsgerichtlichen Präjudizien und arbeitet anhand vieler Einzelentscheidungen eine heuristische Maßstabsverantwortung des Bundesverfassungsgerichts heraus.
Thorsten Kingreen ist seit 2003 Professor für Öffentliches Recht, Sozialrecht und Gesund-heitsrecht an der Universität Regensburg. Zuvor war er von 2002 bis 2003 Professor an der Universität Bielefeld. Einen Ruf an die Ludwig-Maximilians-Universität München lehnte er 2011 ab. Im akademischen Jahr 2014/2015 war er Gastprofessor an der University of California in Berkeley. Prof. Kingreen hat Rechtswissenschaften an der Philipps-Universität Marburg und der Université de Genève studiert und seine Referendarzeit in Düsseldorf und Tel Aviv absolviert. Promoviert und habilitiert wurde er an der Universität Münster. Wichtige Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind der deutsche, europäische und internationale Menschenrechtsschutz, das Verfassungsrecht der Europäischen Union und das Sozialrecht, insbesondere das Recht des Gesundheitswesens.
Inhaltsangabe
A. Grundlegung Das Prinzip Augenthaler - Recht banal: Ein Ausgangsfall auf die Ausgangsfrage - Grundannahmen - Mögliches Präjudiz für den Ausgangsfall: BVerfGE 103, 242 (2001)
B. Fallstudie im Verfassungsvergleich Fall oder Maßstab? Bezugspunkte der Rezeption von Präjudizien - Das Recht des Schwangerschaftsabbruchs in der verfassungsgerichtlichen Kontroverse - Zwischenbilanz
C. Maßstäbe und Fälle Karlsruher Klassiker - Entstehung und Textur der Maßstabsteile - Wirkung und Fortschreibung der Maßstabsteile
D. Maßstabsverantwortung des Bundesverfassungsgerichts Begründung: Offene Verfassung und verfassungsgerichtliche Maßstabsverantwortung - Emanationen der Maßstabsverantwortung
E. Lösung des Ausgangsfalls Prüfungsschritte - Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.04.2022
A. Grundlegung Das Prinzip Augenthaler - Recht banal: Ein Ausgangsfall auf die Ausgangsfrage - Grundannahmen - Mögliches Präjudiz für den Ausgangsfall: BVerfGE 103, 242 (2001)
B. Fallstudie im Verfassungsvergleich Fall oder Maßstab? Bezugspunkte der Rezeption von Präjudizien - Das Recht des Schwangerschaftsabbruchs in der verfassungsgerichtlichen Kontroverse - Zwischenbilanz
C. Maßstäbe und Fälle Karlsruher Klassiker - Entstehung und Textur der Maßstabsteile - Wirkung und Fortschreibung der Maßstabsteile
D. Maßstabsverantwortung des Bundesverfassungsgerichts Begründung: Offene Verfassung und verfassungsgerichtliche Maßstabsverantwortung - Emanationen der Maßstabsverantwortung
E. Lösung des Ausgangsfalls Prüfungsschritte - Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.04.2022
F. Zusammenfassung in Thesen
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