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Wirtschaftsbeziehungen sind Tauschbeziehungen und beruhen auf kulturell geprägten Regeln, die durch Werte oder Emotionen Verbindlichkeit gewinnen - etwa dadurch, dass die Partner sich vertrauen. Umso erstaunlicher, dass Wirtschafts- und Kulturgeschichte einander kaum zur Kenntnis nehmen. In diesem Band werden klassische Themen der Wirtschaftsgeschichte aus kulturgeschichtlicher Perspektive behandelt. Die Autorinnen und Autoren gehen davon aus, dass die Wirtschaft (von ökonomischen Theorien bis hin zur Managementkultur) von der Kultur beeinflusst wird. Zugleich wirkt die Ökonomie bis in das…mehr

Produktbeschreibung
Wirtschaftsbeziehungen sind Tauschbeziehungen und beruhen auf kulturell geprägten Regeln, die durch Werte oder Emotionen Verbindlichkeit gewinnen - etwa dadurch, dass die Partner sich vertrauen. Umso erstaunlicher, dass Wirtschafts- und Kulturgeschichte einander kaum zur Kenntnis nehmen. In diesem Band werden klassische Themen der Wirtschaftsgeschichte aus kulturgeschichtlicher Perspektive behandelt. Die Autorinnen und Autoren gehen davon aus, dass die Wirtschaft (von ökonomischen Theorien bis hin zur Managementkultur) von der Kultur beeinflusst wird. Zugleich wirkt die Ökonomie bis in das Alltagsleben der Menschen hinein. Die Ergebnisse des Bandes reichen von der Erkenntnis, wie wichtig etwa Vertrauen in der Wirtschaft ist, bis zur Entdeckung nationaler bzw. religiöser "Wirtschaftskulturen" und spezifischer Ausprägungen der Konsumgesellschaft. Beiträge u. a. von Christoph Conrad, Sebastian Conrad, Georg Elwert, Friedrich Wilhelm Graf, Martina Heßler, Dirk van Laak, Birger Priddat, Jakob Tanner, Adam Tooze, Frank Trentmann und Thomas Welskopp.
Autorenporträt
Hartmut Berghoff ist Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Universität Göttingen und Mitherausgeber der Zeitschrift für Unternehmensgeschichte. Jakob Vogel, Dr. phil., ist wiss. Assistent am Frankreich- Zentrum der TU Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.12.2004

Ökonomie und Kultur
Die historischen Vorbedingungen der Wirtschaft

Hartmut Berghoff/Jakob Vogel (Herausgeber): Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte. Dimensionen eines Perspektivenwechsels. Campus Verlag, Frankfurt 2004, 493 Seiten, 34,90 Euro.

In der Ökonomie scheint man in der jüngsten Zeit der reinen Theorie ein wenig überdrüssig geworden zu sein. So jedenfalls könnte man sich erklären, daß seit einigen Jahren die Fülle von neuen Bucherscheinungen über Wirtschaftsgeschichte und historisierende Wirtschaftsmodelle beständig zunimmt. Der Sammelband "Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte" von Hartmut Berghoff (Universität Göttingen) und Jakob Vogel (TU Berlin) zeigt, daß diese Entwicklung wohl erst an ihrem Anfang steht, denn es gibt offensichtlich noch eine Fülle von Betätigungsfeldern.

Daß die Zusammenführung von Kulturgeschichte und Ökonomie keine leichte Aufgabe ist, zeigt die Einführung der Herausgeber: Sie wirft viele Einzelfragen auf, führt aber doch nicht zu einer abschließenden Lösung. Dies spricht - um es vorweg zu sagen - nicht gegen, sondern für das Buch. Und daß Fragen manchmal besser sind als voreilige Antworten, findet der Leser auch in dem Beitrag von Birger Priddat (Witten/Herdecke) bestätigt, der auf fundierte Weise methodologisch in das Thema einführt. Priddat weiß sich wohl einig mit anderen Autoren, welche die "traditionelle" theoretische Ökonomie für zu abstrakt und realitätsfern halten - wobei hier meist die Neoklassik als überstrapaziertes Feindbild herhalten muß, obwohl es doch in der Tat andere Ansätze der ökonomischen Theoriebildung gibt, zum Beispiel die prozeßorientierte Mikroökonomie der Österreichischen Schule (Carl Menger, Friedrich August von Hayek und andere), die eine solch harsche Kritik nicht in geringerem Umfang verdienten. Indes, er stellt auch hohe Anforderungen an die echten oder vermeintlichen Alternativen.

Das beruhigt. Gerade in Deutschland wurde unter dem Vorwand, durch eine "historische Methode" die theoretische Ökonomie zu kritisieren, in Wirklichkeit die Delegitimierung des wirtschaftlichen und politischen Liberalismus betrieben. Priddat verheddert sich nicht in diesen ideologischen Fallstricken - und deshalb erfaßt er die "Historische Schule" des späten neunzehnten Jahrhunderts durchaus als problematisches Erbe. Er betrachtet sie streckenweise eher als eine normative denn eine genuin historische Richtung.

Um so interessanter sind für Priddat die neueren Versuche, Ökonomie und Geschichte tatsächlich zu einer geschlossenen theoretischen Einheit zu verschmelzen. Die Neue Institutionenökonomie (vertreten zum Beispiel durch den amerikanischen Nobelpreisträger Douglass North) untersuche das Wechselspiel von Marktentscheidungen und Institutionen, die ihrerseits aus Vergangenheitsentscheidungen entstanden sind, aber den Wirtschaftslauf determinieren. Dieser schon wesentlich anspruchsvollere Ansatz stelle aber immer noch keine echte historische Theorie dar, sondern analysiere letztlich nur das Verhältnis von schnellem Marktagieren und langsamem Institutionenwandel. Die Institutionenökonomie habe nur einen Hinweis für eine echte historische Theorie, die Theorie selbst jedoch noch nicht geliefert. Auch wenn es so nicht gesagt wird, drängt sich fast der Verdacht auf, daß eine echte Wirtschaftstheorie, die Kultur und Geschichte geschlossen integriert, wohl immer ein Desiderat ist.

Das schließt trotzdem nicht aus, daß die Integration von Ökonomie und Kulturgeschichte im Einzelfall doch schon interessante Ergebnisse hervorbringen kann. Neben den grundsätzlichen Methodenfragen bietet der Band daher eine Reihe von Einzelfallstudien, die zwar unterschiedliche Qualität aufweisen, von denen einige aber höchst interessant sind. Dazu gehört beispielsweise Sebastian Conrads (Berlin) Auseinandersetzung mit der Anführung von "Asian values", die allein Japan zum Aufstieg verholfen haben sollen. Dieses autonomistische Entwicklungsmodell lasse die Rolle internationaler Verflechtungen außer acht. Ein erhellendes Beispiel liefert auch der Beitrag von Frank Trentmann (London), der die fast einmalige Dominanz des manchesterliberalen Freihandelsideals in Großbritannien im neunzehnten und beginnenden zwanzigsten Jahrhundert untersucht. Das ist sogar politisch lehrreich, denn - so beweist das Beispiel - es genügt nicht, das beste Wirtschaftsmodell, die Marktwirtschaft, zu haben, man muß dieses auch in den Herzen der Menschen verankern können. Gute Wirtschaftspolitik sollte immer auch eine kulturelle Leistung sein.

DETMAR DOERING

Liberales Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung, Potsdam

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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27.12.2004, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Ökonomie und Kultur: "Grundsätzliche Methodenfragen und ... interessante Einzelfallstudien."
Ökonomie und Kultur
"Grundsätzliche Methodenfragen und ... interessante Einzelfallstudien." (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.12.2004)