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Heute noch singt man die altbekannten Wilderer-Moritaten und oft noch ist der rebellische Wildschütz Hauptperson hochdramatischer Romane, Theaterstücke und Filme. Doch woher rührt die Bewunderung, die diesen Männern gerade in Bayern so offensichtlich entgegengebracht wird? Diese und andere Fragen stellt sich der bekannte Münchner Schriftsteller Alfons Schweiggert in diesem packenden Sachbuch. Damit beleuchtet er die geschichtlichen Hintergründe des Wilderns, ohne dieses Phänomen zu verklären oder zu romantisieren. Im Zusammenspiel mit der reizvollen Bebilderung wird hier ein fünfhundert Jahre…mehr

Produktbeschreibung
Heute noch singt man die altbekannten Wilderer-Moritaten und oft noch ist der rebellische Wildschütz Hauptperson hochdramatischer Romane, Theaterstücke und Filme. Doch woher rührt die Bewunderung, die diesen Männern gerade in Bayern so offensichtlich entgegengebracht wird? Diese und andere Fragen stellt sich der bekannte Münchner Schriftsteller Alfons Schweiggert in diesem packenden Sachbuch. Damit beleuchtet er die geschichtlichen Hintergründe des Wilderns, ohne dieses Phänomen zu verklären oder zu romantisieren. Im Zusammenspiel mit der reizvollen Bebilderung wird hier ein fünfhundert Jahre altes und äußerst interessantes Kapitel bayerischer und spezifisch alpenländischer Sozialgeschichte aufgeblättert.
Autorenporträt
Alfons Schweiggert, geb. 1947, veröffentlichte zahlreiche Kinder- und Jugendbücher, außerdem Sachbücher und Lyrik. 1976 und 1984 standen Bücher von ihm auf der Bestenliste zum Deutschen Jugendpreis. 1990 wurde er für sein Gesamtwerk mit dem Kultur- und Literaturpreis München-West, 1995 mit dem Poetentaler ausgezeichnet. Der Autor gehört zur Literatenvereinigung 'Turmschreiber' und ist Präsidiums-Mitglied dieser Gruppe.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.01.2009

Ein Volk von Bazis
Warum ausgerechnet Wilderer und Bankengründer in Bayern zu bewunderten Volkshelden wurden
Von Hans Kratzer
München – Am Leonharditag (6. November) des Jahres 1877 machte sich der Holzknecht Georg Jennerwein auf den Weg von Schliersee nach Bad Tölz, doch kam er dort nie an. Eine gute Woche später wurde Jennerwein am Peißenberg tot aufgefunden – es muss ein furchtbarer Anblick gewesen sein, die Leiche war verstümmelt, der Unterkiefer war zerfetzt, die Wange mitsamt dem Schnurrbart hing im Geäst eines nahen Baumes.
Zunächst deutete alles auf einen Selbstmord hin, aber eine Kugel im Rücken des Toten verriet den feigen Hinterhalt. Bald geriet der Jagdgehilfe Johann Pföderl in den Verdacht, Jennerwein ohne Warnung von hinten erschossen zu haben. Möglicherweise schürten Frauengeschichten einen tödlichen Hass. Viele Fragen sind offen, aber eines steht fest: Der gewaltsame Tod machte den Jennerwein, einen kräftigen Wilderer, unsterblich. Sein Grab auf einem Friedhof zwischen Hausham und Schliersee ist ein beliebtes Ausflugsziel. Auch wenn gar nicht sicher ist, ob das schmiedeeiserne Kreuz überhaupt das Grab des Jennerwein markiert. Mehrmals wurde es versetzt, da kein anständiger Bürger neben einem Wilderer begraben werden wollte.
Und dennoch steht der Jennerwein heute in der ersten Reihe der bayerischen Volkshelden, einer Spezies, die größte Aufmerksamkeit verdient, weil sie viel über den Charakter und die Befindlichkeit der Bayern verrät. Nicht umsonst reiben sich immer wieder Filmregisseure, Buchautoren und Ausstellungsmacher an diesem Phänomen, das sich einfach nicht abnützen will. Zuletzt gab es opulente Kinostreifen über den Jennerwein und den Räuber Kneißl zu sehen, und auch der Turm der Bücher über Wilderer und Volkshelden wuchs weiter an.
Alle Autoren stellen die gleiche Frage: Woher rührt die Bewunderung, die diesen Rebellen seit Jahrhunderten entgegengebracht wird? Die Buchautoren Alfons Schweiggert und Dietz-Rüdiger Moser sind sich einig, dass der Wilderer den Urtypus des bayerischen Volkshelden darstellt. Sie schreiben ihm folgende Kardinaltugenden zu: das Verwegene und das Jagerische, den Wagemut und das Aufbegehren. Schweiggert behauptet sogar, dass jeder Bayer aus tiefstem Herzen ein Wilderer sei. Ihn reize das Unerlaubte, wenn er nur sicher sein könne, dass man ihn nicht auf frischer Tat ertappt. „Er gibt sich als Ehrenmann, obwohl er in Wirklichkeit ein verkappter Bazi ist”, sagt Schweiggert. Man brauche sich doch nur einmal die Politiker und ihre Ausreden anschauen. Das Rebellentum hatte schon 1495 der Kaiser Maximilian I. geschürt, als er dem Volk die freie Jagd verbot. Jagdrecht galt nun als Herrenrecht. Wer fremdes Wildbret antastete, beging nicht nur ein Eigentumsdelikt, sondern riss eigenmächtig Standesschranken nieder – damals ein todeswürdiges Verbrechen. Dabei war der Wilddiebstahl in kargen Zeiten für viele einfache Menschen überlebensnotwendig.
Aber nicht nur der rebellische Wildschütz wurde in der Folge in hochdramatischen Romanen, Theaterstücken und Filmen stilisiert. Es gibt auch anders gestrickte Helden, meistens handelt es sich aber um Außenseiter, die einerseits bewundert, andererseits gefürchtet wurden. Entweder weil sie sich gegen Gesetze zur Wehr setzten oder die üblichen Verhaltensweisen missachteten. Moser stellt in seinem Buch 17 solcher Einzelgänger in kulturhistorischen Skizzen vor und er zeigt, dass auch Frauen das Zeug zum Volkshelden hatten. Etwa die Geier-Wally, die typische Männeraufgaben erledigte und sogar schwer zugängliche Adlerhorste aushob. Außerdem nennt er die Baderstochter Agnes Bernauer, die den Sohn des Herzogs liebte und dafür in der Donau ertränkt wurde. Eine Heldin, die gut in die heutige Zeit passen würde, war die Inhaberin der berüchtigten Dachauer Bank, Adele Spitzeder, die gierige Anleger um ihre Millionen prellte.
(Alfons Schweiggert, Wilderer und Wildschützen in Bayern, Verlag Bayerland 2008, 128 Seiten, 14,90 Euro. Dietz-Rüdiger Moser und Carolin Raffelsbauer (Hrsg.), Geachtet und geächtet, Edition Buntehunde 2008, 175 Seiten, 22 Euro).
Wilderer, auf frischer Tat ertappt. Holzstich nach einem Gemälde von Corregio aus dem Jahr 1895. Abbildung: Schweiggert/oh
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