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Das Denken selbst gerät in eine Globalisierungsfalle: Wie beherrscht man das Globale, fragen die einen, und wie rettet man es, fragen die anderen. Rüdiger Safranski ermutigt, Freiräume für Gleichgewicht und Handlungsfähigkeit zu schaffen, denn Globalisierung lässt sich nur gestalten, wenn darüber nicht die andere große Aufgabe versäumt wird: das Individuum, also sich selbst zu gestalten.

Produktbeschreibung
Das Denken selbst gerät in eine Globalisierungsfalle: Wie beherrscht man das Globale, fragen die einen, und wie rettet man es, fragen die anderen. Rüdiger Safranski ermutigt, Freiräume für Gleichgewicht und Handlungsfähigkeit zu schaffen, denn Globalisierung lässt sich nur gestalten, wenn darüber nicht die andere große Aufgabe versäumt wird: das Individuum, also sich selbst zu gestalten.
Autorenporträt
Rüdiger Safranski, geboren 1945, Philosoph und Schriftsteller, lebt in Berlin. Er veröffentlichte Biographien über E. T. A. Hoffmann, Schopenhauer und Heidegger sowie den großen philosophischen Essay "Wieviel Wahrheit braucht der Mensch? Über das Denkbare und Lebbare". Rüdiger Safranski erhielt 2006 den "WELT-Literaturpreis" und den "Friedrich-Hölderlin-Preis", 2009 den "Corine" - Internationaler Buchpreis, Kategorie Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten für sein Lebenswerk, 2014 den "Josef-Pieper Preis", den "Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung" für seine "brillanten" Biografien und den "Thomas-Mann-Preis" und 2017 den "Lüdwig-Börne-Preis".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.02.2003

Zu viel mailen, faxen und jetten verdirbt den Charakter daheim und unterwegs
Warum kann der Mensch nicht einfach in seinem Zimmer sitzenbleiben? Rüdiger Safranski rückt der Globalisierung mit Goethe und dem Gilgamesch-Epos zu Leibe

Wieviel Globalisierung verträgt der Mensch? Müßte angesichts der angeschwollenen Globalisierungsdebatte die Frage nicht eher lauten: Wieviel Globalisierung verträgt der Leser? Der Vorteil einer solchermaßen geänderten Fragestellung läge zudem in ihrer Verifizierbarkeit: Man braucht nur die einschlägigen Erhebungen des Buchmarkts abzurufen, um zu wissen, wie es mit der Verträglichkeit für Leser bestellt ist. Aber wo will man nachschlagen, wenn man wissen will, was "der Mensch" verträgt? Man versuche es einmal bei Rüdiger Safranski. Zehn Jahre nach "Wieviel Wahrheit braucht der Mensch?" ist sein neues Buch ein schmales und doch eines, das sich nicht scheut, in durchweg versöhnlichem, ja plauderndem Grundton aufs Ganze, eben auf "den Menschen" zu gehen.

Wobei die Globalisierung für Safranski nur Anlaß ist, um am Anfang des 21. Jahrhunderts noch einmal den sympathischen Versuch zu unternehmen, die Geistesgeschichte mit einer kleinen Anthropologie zu überraschen. Safranski ist offenbar der Auffassung, daß man in den abgebrühten Zeiten des Systemdenkens sich das Nachdenken über den Menschen nur gleichsam durch die Seitentür noch leisten kann, eine Anthropologie deshalb also nicht frontal wie noch bei Scheler oder Plessner durchgeführt werden darf, sondern okkasionell, hier also: gelegentlich der Globalisierungsdebatte (und nicht, wie es auch möglich wäre, der Bildungsdebatte oder der Arbeitslosigkeitsdebatte).

Ein bißchen wie Pflichtkapitel lesen sich denn auch die beiden ausdrücklich den Buchtitel aufnehmenden Kapitel "Globalisierung" und "Globalismus"; hier hat man den Eindruck, daß die pflichtschuldigen Stichworte zum Thema eher abgefackelt denn erleuchtet werden: Plünderung des Planeten, Neoliberalismus als Legitimationsideologie für ungehemmten Kapitalfluß, Ungleichzeitigkeiten, als da sind Überschwemmungen und Wildwuchs hier, Austrocknung und Dürre dort. Herzblut fließt in diesen beiden Kapiteln erst, als Safranski auf die "anthropologischen Grundbedingungen", die all diesen Dingen innewohnen, zu sprechen kommt. Sie lassen sich in zwei Gesetzen zusammenfassen. Erstens: "Wir können global kommunizieren und reisen, wir können aber nicht im Globalen wohnen." Zweitens: "Je mehr emotional gesättigte Ortsbindung, desto größer die Fähigkeit und Bereitschaft zur Weltoffenheit." Nun ist die Bahn frei, um diese beiden Pole des Sollens in den restlichen acht Kapiteln in ihrem die aktuelle Globalisierungsdebatte transzendierenden Gehalt zu würdigen. Safranski gibt gegen das Rumgemache der global player zu bedenken, daß man zum Individuum erst wird, "indem man sich eine Gestalt, einen Umriß gibt, also Grenzen zieht". Abfiltern ist angesagt. Das Plessnersche Motiv der Grenze (exzentrische Positionalität und so weiter) wird mit dem Heideggerschen der Lichtung (die im Wald, aufgefaßt als das Dickicht der Reizüberflutung) ineinandergeblendet, so daß es am Ende auf diese beiden Dinge ankommt: eine Grenze zu ziehen und eine Lichtung zu schlagen.

Die Spitzen gegen zu viel Fernsehgucken und zu viel mit dem Handy Telefonieren, gegen "mailen, faxen und jetten" sind in Safranskis Erzählung mit Händen zugreifen. Bei all diesem Treiben werde vergessen: "Nicht nur der Körper, auch unser Geist braucht einen Immunschutz; man darf nicht alles in sich hineinlassen, sondern nur so viel, wie man sich anverwandeln kann." Wir müssen wieder, sagte Nietzsche, gute Nachbarn der nächsten Dinge werden. Goethe hat das so ausgedrückt: Es ist immer sein Unglück, wenn der Mensch veranlaßt wird, nach etwas zu streben, mit dem er sich durch eine regelmäßige Selbsttätigkeit nicht verbinden kann. Neben Goethe und Nietzsche werden als Zeugen gegen die gedankenlose Vernetzung auch Schiller, Humboldt, Walter Benjamin, Rousseau (in Frontstellung zu Adorno), Marx, Sophokles, Kant, Voltaire, Platon, Hegel, Dante, Schopenhauer, Heine, das Gilgamesch-Epos der Sumerer und Johann Peter Hebel aufgeboten. Daß es ausnahmslos Klassiker sind, denen hier im Vorbeigehen auf die Schulter geklopft wird, ist wiederum selbst eine anthropologische (und das heißt freilich immer auch: leicht monistisch getönte) Aussage: Unsere Probleme mit der Globalisierung sind auch nur Anwendungsfälle des Ewig-Menschlichen, über das Meisterdenker aller Zeiten Einvernehmen erzielten.

Plessner vor Augen und die "Selbstüberforderung durch Technik und Wissen" im Nacken, formuliert Safranski das Problem so: "Wie weit kann der Mensch sich mit seiner zweiten - also der kulturellen - von der ersten Natur entfernen? Kann seine zweite Natur nicht in einen sogar selbstzerstörerischen Gegensatz zur ersten Natur geraten?" Plessner hätte hier übrigens mit "Nein" geantwortet. Denn die beiden Naturen stehen bei ihm nicht nebeneinander, sondern die zweite Natur hat die erste so überformt, daß der Mensch die ganze Welt gewinnen kann, ohne Schaden an seiner Seele zu erleiden. So ist er nun mal, der Grenzgänger Mensch: Er macht schon ganz von selber dicht, wenn ihn etwas nervt. Glück für ihn, daß er sich nicht alles anverwandelt, was er in sich hineinläßt. Ebendeshalb schadet ihm auch das Hineinlassen nicht. Doch für daheim und unterwegs: Der neue Safranski gehört in jede anständige Bibliothek.

CHRISTIAN GEYER

Rüdiger Safranski: "Wieviel Globalisierung verträgt der Mensch?" Hanser Verlag, München 2003. 118 S., geb., 14,90 [Euro].

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Neue und überraschende Fragen sind das, und die Lektüre des Büchleins überaus anregend. Die Zeit
"Der neue Safranski gehört in jede anständige Bibliothek." Christian Geyer, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.02.03

"Ein im besten Sinne philosophisches Buch: geistreich und elegant." 3sat, Kulturzeit

"Eine anregende Lektüre. (...) Darin mag man den besonderen intellektuellen Reiz dieser kleinen, aber feinen Schrift erkennen: Safranski hat einen philosophischen Diskurs und eine politische Anthropologie entwickelt, die dazu beitragen können, grundsätzliche wie aktuelle Fragen der Politik neu zu bedenken." Warnfried Dettling, Die Zeit, 20.03.03