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Seit der Einweihung der neuen Münchner Hauptsynagoge besteht unaufhörlich große Nachfrage nach öffentlichen Führungen. Die Autorin beschreibt einen Rundgang mit 15 Stationen durch das jüdische München, selbstverständlich mit einem ausführlichen Kapitel über die neue Synagoge, das Jüdische Museum und das Gemeindezentrum am St.-Jakobs-Platz. Anhand der Stationen des Spaziergangs wird die Geschichte der Juden in der Stadt erzählt, vom Mittelalter bis zur Einweihung der neuen (und fünften) Hauptsynagoge - ein Stadtführer für die Manteltasche, im praktischen Format und mit Straßenplan.

Produktbeschreibung
Seit der Einweihung der neuen Münchner Hauptsynagoge besteht unaufhörlich große Nachfrage nach öffentlichen Führungen. Die Autorin beschreibt einen Rundgang mit 15 Stationen durch das jüdische München, selbstverständlich mit einem ausführlichen Kapitel über die neue Synagoge, das Jüdische Museum und das Gemeindezentrum am St.-Jakobs-Platz.
Anhand der Stationen des Spaziergangs wird die Geschichte der Juden in der Stadt erzählt, vom Mittelalter bis zur Einweihung der neuen (und fünften) Hauptsynagoge - ein Stadtführer für die Manteltasche, im praktischen Format und mit Straßenplan.
Autorenporträt
Miriam Magall studierte Germanistik, Kunstgeschichte und Judaistik. Sie arbeitete als Konferenzdolmetscherin in Israel sowie Europa bei der EU und für den Europarat. Mehr als 280 Bücher übersetzte sie aus verschiedenen Sprachen ins Deutsche.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.01.2009

Sprechen – Lernen – Leben – Verzeihen
Die Kunsthistorikerin Miriam Magall schildert in ihrem Buch „Wie gut sind deine Zelte, Jakob!” die Geschichte der Juden in München
Von Franz Freisleder
München und seine Juden. Eine Geschichte, die sich bis in die Gründungstage der Stadt zurückverfolgen lässt. Das Wort Verfolgung beherrscht die Szene dabei nicht nur in den zwölf Jahren der Nazi-Herrschaft. Und so weit man sie nicht verfolgte, mussten sich die Juden ihre Duldung lange mit einer Reihe von Einschränkungen, Auflagen und finanziellen Sonderbelastungen erkaufen. Doch es hat auch Zeiten gegeben, in denen viele von ihnen zu den angesehensten Bürgern der Stadt zählten, die ihnen zur geliebten Heimat geworden war. Daran erinnerte Charlotte Knobloch, Präsidentin der Münchner Israelitischen Kultusgemeinde und des Zentralrats der Juden in Deutschland, im November 2006 bei der Einweihung des Jüdischen Gemeindezentrums am Jakobsplatz ebenfalls, als sie sagte, die Gemeinde sei nun wieder da angekommen, wo sie hingehöre:„im Herzen der Stadt”. Der Kunsthistorikerin Miriam Magall gab damals der festliche Akt, der sie sehr beeindruckt hatte, den Anstoß, tiefer in die jüdische Geschichte der Stadt einzudringen. Das Ergebnis ihrer Arbeit stellt sie jetzt unter dem Buchtitel „Wie gut sind deine Zelte, Jakob! – Spaziergänge im jüdischen München” vor.
Es handelte sich vermutlich um aus Regensburg zugewanderte und aus Frankreich ausgewiesene Juden, wenn bereits vor dem Jahr 1200 in Urkunden von „Mercatores de Munichen” zu lesen ist. 1210 wird von einer Synagoge am heutigen Marienhof-Gelände und von einem Begräbnisplatz berichtet. Auch hierorts verbreitet man die Lüge vom Ritualmord an christlichen Kindern: Deren Blut werde nach ihrer Kreuzigung zum Pessach-Fest mit dem Matzenteig vermischt. So kommt es bereits 1285 zu einem ersten Pogrom, bei dem – je nach Quelle – 67 bis 180 Männer, Frauen und Kinder im Bethaus verbrannt werden. Im 14. Jahrhundert ist Juden der Zugang zunächst wieder erlaubt. Doch 1345 macht die Schauermär von den Ritualmorden erneut die Runde und fordert mehrere Opfer. Und schon vier Jahre später wirft man den Juden vor, sie hätten die Brunnen vergiftet und so die Pestepidemie verursacht. Wieder werden viele von ihnen ermordet, die Übrigen vertrieben.
Von 1352 an holt Herzog Ludwig V. die jüdische Gemeinde wieder zurück nach München, erlässt ihr für zwei Jahre die von Kaiser Ludwig dem Bayern eingeführte Kopfsteuer und 1357 sogar die Zahlung von Zöllen. Auch ihre Gesundheit vertrauen die Wittelsbacher Herzöge Ludwig V. und Stefan III. trotz königlichen Verbots jüdischen Ärzten an. Auf Anordnung von König Wenzel dürfen Juden eigentlich seit 1370 nur mehr als Geldverleiher agieren – müssen aber auf alle bisher ausstehenden Guthaben verzichten. Die Vertreibung aus dem ganzen Deutschen Reich, die Ende des 14. Jahrhunderts beginnt, trifft 1442 auch die Juden in München: Herzog Albrecht III., genannt „der Fromme”, weist sie alle aus. Ihr Spital wird enteignet. Die benachbarte Synagoge in der heutigen Landschaftsstraße bekommt ein Türmchen und wird in eine Marienkapelle umgewandelt. Fast drei Jahrhunderte lang gibt es fortan keine Juden mehr in der Stadt.
Der Geldnot gehorchend, nicht dem eigenen Triebe, missachtet Herzog Maximilian, der spätere erste bayerische Kurfürst, das von ihm selbst erneuerte Aufenthaltsverbot für Juden, das sein Großvater, Albrecht V., erlassen hatte. Weil er von niemandem sonst Kredit bekommt, dürfen sich einige als „Hoffaktoren” in München niederlassen. Noch mehr ist sein ausgabenfreudiger Sohn, Kurfürst Max Emanuel, auf jüdische Geldgeber angewiesen.
Zu den ersten kurbayerischen Hofjuden, die nach München kommen, zählen der pfalz-sulzbachische Oberfaktor Noel Samuel Isaak aus Mergentheim und der Wiener Oberhoffaktor und Bankier Simon Wertheimer. Sie bilden mit ihren Familien den Kern einer langsam neu heranwachsenden jüdischen Gemeinde. Hausbesitz ist ihnen noch nicht gestattet. Sie mieten sich deshalb in drei Gasthäusern im Tal ein. Im Haus des Branntweinbrenners Langer, Tal 13, bei dem die Wertheimers wohnen, richtet man 1763 wieder eine erste Betstube mit Platz für 50 Männer ein.
In der Theatergasse, der heutigen Westenriederstraße, wird am 26. Juli 1824 die erste Münchner Synagoge der Neuzeit eingeweiht; ein Entwurf des angesehenen Architekten Jean Baptist Metivier. König Ludwig I. und seine Gemahlin Therese nehmen an der Feier teil und signalisieren damit auch den Beginn einer neuen Zeit für Münchens Juden. Weil nach dem Wegfall des Matrikelzwangs immer mehr nach München ziehen, erhält Alfred Schmidt (auch Erbauer der Lukas-Kirche) von der liberalen Kultusgemeinde den Auftrag, an der Herzog-Max-Straße eine größere, neoromanische Hauptsynagoge zu errichten, die 1887 fertiggestellt ist. Im gleichen Stil, aber von August Exter entworfen, entsteht 1892 an der damaligen Canalstraße (heute Herzog-Rudolf-Straße) für die Orthodoxen eine zweite Synagoge. Der klassizistische Metivier-Bau wird versteigert und abgerissen. (Die Wohnhäuser, die dort entstehen, fallen später den Bomben zum Opfer. Jetzt dient das Gelände als Parkplatz). Im Hinterhaus Reichenbachstraße 27 öffnet für Zuwanderer aus Osteuropa noch 1931 eine Ostjüdische Synagoge ihre Pforten.
Die verschiedenen Einweihungs-Daten markieren rund 100 Jahre, in denen jüdisches Leben auch ein bedeutsames Stück Münchner Leben ist. Und Miriam Magall rückt eine Reihe von Persönlichkeiten ins Licht, deren Namen für diese Entwicklung stehen. Sie lässt die Feuchtwangers Revue passieren – vom Bankengründer Jakob über Anwälte, Verleger, Ärzte bis zum Schriftsteller Lion sind es an die 150 – die im Hofbräuhaus ihren Familienstammtisch haben. Von Lehmann Bernheimer wird erzählt, der mit einem kleinen Textilgeschäft an der Salvatorstraße beginnt, sich zu „dem” Raumausstatter und Spezialisten für asiatische Kunst entwickelt und 1882 zum Hoflieferanten avanciert. Prinzregent Luitpold ist 1889 Ehrengast bei der Eröffnung des Bernheimer-Palais und ernennt den Hausherrn 1894 zum ersten bayerischen Kommerzienrat.
Die Brüder Julius und Moritz Wallach aus Westfalen geben um die Wende zum 20. Jahrhundert den Impuls zu einer Renaissance der Landestrachten. Sie machen das Dirndl salonfähig. In ihrem Geschäft, zuletzt Ecke Residenzstraße/Hofgraben, trifft sich Weltprominenz. Weithin begehrt sind die Handdrucke und Webarbeiten aus ihrer Dachauer Fabrik. Und internationalen Ruf genießt in den Zwanziger Jahren auch ihr Privatmuseum im Haus Ludwigstraße 7 mit Volkskunst aus ganz Europa.
„König von Haidhausen” nennt man in München den Bierbrauer und Kommerzienrat Joseph Schülein. Mit seinem Bruder kauft er 1895 die bankrotte Unionsbrauerei in der Äußeren Wiener Straße (heute Einsteinstraße), erwirbt 1905 die Münchner Kindl Brauerei dazu und fusioniert 1920 mit der Löwenbrauerei. Der Schüleinplatz und ein Brunnen in Berg am Laim erinnern daran, dass er dort durch Grundstücksstiftungen eine Siedlung im sozialen Wohnungsbau ermöglichte. In mancher Münchner Familie noch unvergessen ist auch seine alljährliche Patenschaft für 30 bis 40 Firmlinge, die er jeweils einkleidete und bewirtete.
In der „electrodynamischen Fabrik”, die sein Onkel in der Adlzreiter-, danach in der Lindwurmstraße betreibt, hilft Neffe Albert Einstein in den 1890er Jahren als „Ferienjobber” mit. Erwirbt so bereits Grundwissen für seine spätere Promotion „Zur Elektrodynamik bewegter Körper”. Wie bereits sein Ahnherr Abraham, der 1770 nach München an den kurfürstlichen Hof kam, ist auch Max Uhlfelder überzeugter Bayer und begeisterter Münchner. Stadtgespräch sind die sozialen Leistungen für seine Angestellten ebenso wie die günstigen Preise – und Münchens erste Rolltreppe in seinem Kaufhaus im Rosental.
Die Katastrophe, die auch in München alles bisherige jüdische Leiden unendlich weit in den Schatten stellen wird, kündigt sich – nach einigen Zwischenfällen in den Zwanziger Jahren – am 9. März 1933 mit unverhohlener Deutlichkeit an: Max Uhlfelder wird festgenommen und drei Tage eingesperrt. SA belagert den Kaufhaus-Eingang, ruft hier wie vor anderen jüdischen Geschäften zum Boykott auf und hält die Namen der wenigen Mutigen fest, die sich trotzdem ins Haus wagen. Ähnliches wiederholt sich im Mai 1935. Jüdische Kaufhäuser belegt man nun mit einer zusätzlichen Warenhaussteuer. Nach der Pogromnacht vom 9. November 1938 – Goebbels ruft dazu im Münchner Rathaussaal auf – gibt das Haus Uhlfelder ein besonders erschreckendes Bild der Verwüstung ab: das Warenlager geplündert, Einrichtung und Fensterscheiben zertrümmert, die Rolltreppe mit Brechstangen zerstört. Auch bei Tietz (heute Hertie), Bamberger & Hertz (heute Hirmer) und weiteren „nichtarischen” Geschäften in allen Stadtvierteln tobt sich der braune Mob aus. Bald wird alles noch viel schlimmer. Die Autorin auf Spurensuche: Zu den Friedhöfen in Thalkirchen und in der Alten Heide; zum Gedenkstein an der Ecke Troppauer-/Knorrstraße in Milbertshofen. Aus dem dortigen Sammellager transportierte am 20. November 1941 der erste von 40 Deportationszügen 1000 Mä;nner, Frauen und Kinder in den Tod.
Vor allem durch Zuwanderung aus Osteuropa, so lesen wir, ist Münchens israelitische Kultusgemeinde, die vor dem Krieg 9500 Mitglieder zählte, inzwischen wieder auf 9300 Mitglieder angewachsen. Sucht man darunter allerdings Holocaust-Überlebende aus Münchner jüdischen Familien, so ist da Charlotte Knobloch fast ein Solitär.
Letzte Station auf Miriam Magalls Wanderung durch das jüdische München: die neue Synagoge mit dem Gemeindezentrum am St.-Jakobs-Platz. Im „Gang der Erinnerung”, der die beiden Einrichtungen miteinander verbindet, lenkt sie den Blick auf die Glasplatten, auf denen die Namen der 4579 deportierten Juden Münchens verzeichnet sind. Doch auch auf die Worte, die am Ende des Ganges stehen, weist sie hin: „Sprechen – Lernen – Leben – Verzeihen”.
Miriam Magall: „Wie gut sind deine Zelte, Jakob!”, München Verlag, 152 Seiten, rund 60 Bilder, 16,80 Euro.
Wieder im Herzen der Stadt: Münchens Juden haben ihr kulturelles und religiöses Zentrum am St.-Jakobs-Platz gefunden (Fotos oben). Die alte Synagoge an der Herzog-Max-Straße (links) wurde von den Nazis zerstört. Fotos: Haas, Rumpf, Stadtarchiv
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