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"76 Prozent aller Befragten sind überzeugt, daß etwas anderes dahintersteckt." Wohinter? Egal. Verschwörungstheorien sind in. Was immer derzeit passiert, sogleich treten findige Journalisten oder windige Propheten auf den Plan und raunen von einer Verschwörung. Lady Di wird von einem besoffenen Chauffeur ins Jenseits spediert: dahinter muß der Secret Service stecken, wo nicht gleich Waffenhändler am Werk waren - haben die nicht auch Uwe Barschel auf dem Gewissen, oder war es der BND? Im Internet gibt es Hunderte von Seiten allein zum Stichwort "princess-diana-conspiracy". Und warum wurde JFK…mehr

Produktbeschreibung
"76 Prozent aller Befragten sind überzeugt, daß etwas anderes dahintersteckt." Wohinter? Egal. Verschwörungstheorien sind in. Was immer derzeit passiert, sogleich treten findige Journalisten oder windige Propheten auf den Plan und raunen von einer Verschwörung. Lady Di wird von einem besoffenen Chauffeur ins Jenseits spediert: dahinter muß der Secret Service stecken, wo nicht gleich Waffenhändler am Werk waren - haben die nicht auch Uwe Barschel auf dem Gewissen, oder war es der BND? Im Internet gibt es Hunderte von Seiten allein zum Stichwort "princess-diana-conspiracy". Und warum wurde JFK wirklich ermordet? Weil er zuviel über die Aliens in Roswell wußte. Verschwörungstheorien sind vor allem Geschichten, Romane, an denen jeder mitschreibt, der an sie glaubt. Ein Genre, dessen literarische Meister Thomas Pynchon und Don DeLillo sind, das Hollywood von "Das China-Syndrom" bis "Fletchers Visionen" zur Welterklärung nutzt. Aber wie konspirativ ist die Welt in Wirklichkeit? An der neuen Übersichtlichkeit nach Ende des Kalten Krieges muß irgendetwas mächtig faul sein. Es ist an der Zeit zu klären, was da draußen vorgeht. Machen Sie sich gefaßt auf einen rauhen Haufen Geschichten, bei denen Ihnen die Haare zu Berge stehen werden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.07.1999

Das zweite Buch kann kein Zufall sein
Jürgen Roth und Kay Sokolowsky haben sich gegen die Leser verschworen

Jürgen Roth ist ein Vielschreiber. Einunddreißig Jahre ist er alt und hat allein in diesem Jahr mindestens fünf Bücher veröffentlicht. Wenn er gerade keine Buchverlage beliefert, verfaßt er Texte für die beste Seite der "tageszeitung", die "Wahrheit". Dort gestand er vor einiger Zeit: "Bücher zu schreiben ist en vogue". Bier und Fußball, Literatur und Geistesleben sind seine Themen. Oder, seit neuestem, die Kehrseite dessen, was man gemeinhin unter Geistesleben versteht: Wahnvorstellungen.

Der Frankfurter Roth hat sich für seinen Ausflug in die paranoide Welt der Verschwörungstheorien mit dem Hamburger Kay Sokolowsky zusammengetan und gleich zwei Bücher produziert. Das erste kolportierte sämtliche Geschichten, die sich um die Tode von Prinzessin Diana, Uwe Barschel und John F. Kennedy ranken - die zeitgenössischen Klassiker der Verschwörungstheorie. "Der Dolch im Gewande" taucht tiefer in die Geschichte ein und verspricht "Komplotte und Wahnvorstellungen aus zweitausend Jahren". Roth und Sokolowsky sterben keine chronologische Ordnung an, sondern sie präsentieren Fallbeispiele, die sie in jeweils unterschiedliche Textformen gegossen haben. Und so warnt schon die Gebrauchsanweisung auf den ersten Seiten: "Wer es nicht aushält, im Anschluß an einen Essay eine Satire zu lesen, sollte dieses Buch freilich meiden."

Zunächst müht sich das Buch noch um Ernst und Abstraktion. Roth/Sokolowsky zeigen, daß das zwanzigste Jahrhundert eine reiche "Komplottmythographie" besitzt und deuten auch deren Bedeutsamkeit an. Der Wahn von einer "jüdischen Weltverschwörung" oder die gerne vermutete Omnipräsenz der amerikanischen Geheimdienste - immer haben die Ergüsse wirrer Geister dazu beigetragen, politische Handlungen zu legitimieren, bis hin zur Katastrophe. In den neunziger Jahren sind Verschwörungserzählungen zu Popularmythen geworden: Keine zehn Minuten vergingen zwischen der Nachricht von Dianas Tod und den ersten netzvermittelten Erklärungsversuchen, die, je nach Gusto, das Haus Windsor, Gaddafi oder "diverse intra- und extraterrestrische Kräfte von der Landminenlobby bis sonstwohin" als Drahtzieher hinter der tödlichen Fahrt durch den Tunnel wähnten. Doch egal ob Dolchstoßlegende oder Diana-Mythos - für Roth und Sokolowsky folgen die historischen Fälle gemeinsamen Prinzipien: Verschwörungsdenker kennen Schuldige schon vor den Tatsachen, überall vermuten sie bedeutungsvolle "Verbindungen", dem "politischen Argument" verschließen sie sich zugunsten dubioser Denkbilder.

Zum Beispiel die Heerscharen von Klassik-Fans, die bis heute darüber rätseln, wer Mozart auf dem Gewissen hat. Haben Mozarts freimaurerische Logenbrüder Hand angelegt? Die hätten ein Motiv, denn Mozart habe in der "Zauberflöte" geheime Ordensrituale verraten. Auch Antonio Salieri, sein Rivale, und Mozarts Ehefrau Constanze werden als mögliche Täter kurz aufgebaut und dann ebenso schnell wie plausibel wieder fallen gelassen. Was bleibt, ist das Lexikon-Wissen, daß Mozart seinen sechsunddreißigsten Geburtstag wegen schleichender Krankheit nicht mehr erlebt hat. Einige Seiten später dasselbe Spiel mit Nirvana-Sänger Kurt Cobain, der sich 1994 zur Trübsal von Millionen Grunge-Liebhabern eine Schrotflinte zwischen die Augen gehalten hat: Umgab sich nicht seine Frau Courney Love schon immer mit Männern, die wie Auftragskiller aussahen? Und hat sie nicht, vollgepumpt mit Heroin, gierig auf das Vermögen ihres Gatten geschielt?

Roth und Sokolowsky beschränken sich darauf, die geistigen Verrenkungen der Verschwörungstheoretiker auszustellen, in dem sie zitieren oder ironisieren; den Rest denkt sich der Leser. Leider trifft man dabei auf die ewig gleichen Geschichten, die in die ewig gleiche Spott-Schablone gepreßt werden, verfaßt in einem Stil, der gespreizte Formulierungen mit Eleganz verwechselt. Selbst unspektakuläre Fälle wie Arthur Schopenhauers bekannten Hegel-Haß stilisieren Roth/Sokolowsky zu einer wahnhaften Verschwörungstheorie nach ihrem Muster. So bleiben die einzelnen Komplotterzählungen nur so interessant wie die jeweiligen Personen, um die sie gesponnen sind - weil sie mindestens die Lust am Klatsch befriedigen. Dabei hatten die Autoren eigentlich - neben der Unterhaltung - noch ein anderes Ziel: ein Antidot zu bieten gegen das Komplottdenken, denn, so schreiben sie an anderer Stelle: "Vom esoterischen Geraune bis zur faschistischen Agitation ist es ein kleiner Schritt.. Ein fast pathetisch aufklärerisches Programm.

Erhellend und amüsant zugleich ist noch am ehesten der Text, den die Autoren einem gewissen Professor Gerard de la Vallée-Faucon zugeschrieben haben. Franz Beckenbauer strebt die Weltherrschaft an, liest man da, und zwar als letzter Erbe des Merowinger-Geschlechts: Seit jeher wird er "Kaiser" genannt, und seine Trikotnummer war die "fünf", die die Quersumme aus "23" zieht, welche wiederum im numerologischen Alphabet vor "W" wie Weltmeisterschaft in Wembley steht. 32 Jahre alt war der Kaiser, als er nach New York wechselte, wo er insgesamt 23 Tore schoß. Plumpe Koinzidenz? Mitnichten, denn zu allem Überfluß haben die lenkenden Mächte "ihren Schützling mit den Insignien eines eigens für ihn gegründeten Vereins versehen lassen, der gerade so hieß wie sein, Beckenbauers, Herrschaftsgebiet: Cosmos".

Nicht nur, daß der Traktat verschiedene Techniken des paranoiden Denkens persifliert, ist auffällig, er gibt noch weitere Rätsel auf: Wer steckt tatsächlich hinter dem Text, Jürgen Roth oder Kay Sokolowsky? Und welche tiefere Bedeutung verbirgt dieser blumige Namen: Garard de la Vallée-Faucon alias Gerd von Falkental? Eines jedenfalls hat das Buch geschafft: Paranoia steckt an.

RENÉ AGUIGAH

Jürgen Roth, Kay Sokolowsky: "Wer steckt dahinter?" Die 99 wichtigsten Verschwörungstheorien. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1998. 304 S., br., 19,90 DM.

Jürgen Roth, Kay Sokolowsky: "Der Dolch im Gewande". Komplotte und Wahnvorstellungen aus zweitausend Jahren. Konkret Literatur Verlag Hamburg 1999. 184 S., br., 28,80 DM.

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