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Soldaten, die sich im Zweiten Weltkrieg den Kriegsdienst entzogen, drohte die Todesstrafe, 'Selbstverstümmeler' und 'Simulanten' kamen vor das Kriegsgericht. Entdeckt wurden sie von Ärzten. Es waren die behandelnden Ärzte an der Front, die meldeten, und es waren die beratenden Ärzte, die begutachteten. Zu den Beratern gehörten während der Nazizeit alle, die in der Medizin Rang und Namen hatten.Das überraschende Ergebnis: Die Ärzte beurteilten die Selbstverstümmelung rigoroser als die Kriegsrichter. Das ärztliche Ethos wurde den militärische Zielen untergeordnet. Dabei blieb die Humanität oft auf der Strecke.…mehr

Produktbeschreibung
Soldaten, die sich im Zweiten Weltkrieg den Kriegsdienst entzogen, drohte die Todesstrafe, 'Selbstverstümmeler' und 'Simulanten' kamen vor das Kriegsgericht. Entdeckt wurden sie von Ärzten. Es waren die behandelnden Ärzte an der Front, die meldeten, und es waren die beratenden Ärzte, die begutachteten. Zu den Beratern gehörten während der Nazizeit alle, die in der Medizin Rang und Namen hatten.Das überraschende Ergebnis: Die Ärzte beurteilten die Selbstverstümmelung rigoroser als die Kriegsrichter. Das ärztliche Ethos wurde den militärische Zielen untergeordnet. Dabei blieb die Humanität oft auf der Strecke.
Autorenporträt
Gine Elsner war bis 2009 Direktorin des Instituts für Arbeitsmedizin in Frankfurt a.M. Seitdem arbeitet sie schwerpunktmäßig zur Verstrickung der Ärzteschaft, insbesondere von Arbeitsmedizinern, in den Nationalsozialismus. Gerhard Stuby ist Professor im Ruhestand für öffentliches Recht und wissenschaftliche Politik am Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Bremen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2012

Wehrkraft
Ärzte im Dienst Hitlers

Den geplanten Krieg vor Augen, erließ das nationalsozialistische Regime am 17. August 1938 eine "Kriegssonderstrafrechtsverordnung", welche die Zersetzung der Wehrkraft unter Todesstrafe stellte. In minder schweren Fällen konnte auf Zuchthaus oder Gefängnis erkannt werden. Diese Strafen sollten auch verhängt werden, falls jemand versuchen sollte, sich oder einen anderen durch Selbstverstümmelung teilweise oder ganz der Wehrpflicht zu entziehen. Nach Schätzungen sollen wegen des Delikts der Selbstverstümmelung im Zweiten Weltkrieg etwa 10 000 Soldaten verurteilt worden sein. Gine Elsner und Gerhard Stuby ermittelten und werteten 131 Kriegsgerichtsakten aus. Für diese Fälle wurden mehr als zweihundert ärztliche Stellungnahmen angefertigt, wobei es zumeist die Truppen- oder Bataillonsärzte der Wehrmacht waren, die als erstbehandelnde Ärzte im Rang vom Unterarzt bis zum Oberstarzt den Verdacht auf eine Selbstverstümmelung meldeten. Natürlich gab es auch Wehrmachts-Ärzte, die solche Fälle nicht anzeigten. Weitere ärztliche Stellungnahmen zu gemeldeten Fällen erfolgten sodann von zumeist anerkannten Wissenschaftlern, die für eine Armee oder einen Wehrkreis als Beratende Ärzte zuständig waren. Besonders häufig nahmen sehr junge Soldaten Selbstbeschädigungen vor oder gerieten in den Verdacht, sich selbst verstümmelt zu haben. Für 111 der 131 ermittelten Fälle ist der Ausgang des Verfahrens überliefert. Es erfolgten 18 Freisprüche, weitere 38 Verfahren wurden eingestellt und somit die Hälfte der Beschuldigten verurteilt. In den 14 Fällen, in denen die Todesstrafe verhängt wurde, erfolgte in fünf Fällen die Umwandlung in eine Haftstrafe, und drei weitere zum Tode verurteilte Soldaten wurden "zur Bewährung" zurück an die Front geschickt.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, den Beratenden Gerichtsmedizinern der Wehrmacht sei es von Kriegsbeginn an in erster Linie um die Erhaltung der Wehrkraft gegangen, ihr hätten sich alle anderen Aspekte, auch die der ärztlichen Ethik, untergeordnet. "Ärzte wurden immer mehr zu Polizisten und Jägern, die sich auf der wahnhaften Jagd nach Simulanten, Aggravanten und Selbstverstümmlern befanden. Nicht nur das humane Engagement blieb dabei auf der Strecke." Zum Einsatz und zur Rolle der Ärzte der Wehrmacht sowie der Beratenden Ärzte muss nun weiter geforscht und veröffentlicht werden, um zu einem wissenschaftlich befriedigenden Ergebnis zu gelangen

REINER POMMERIN

Gine Elsner/Gerhard Stuby: Wehrmachtsmedizin & Militärjustiz. Sachverständige im Zweiten Weltkrieg: Beratende Ärzte und Gutachter für die Kriegsgerichte der Wehrmacht. VSA Verlag, Hamburg 2012. 199 S., 16,80 [Euro].

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