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Die Rolle der Waffen-SS beim Holocaust - besonders 1941/42 - gehört zu den großen Desideraten der Forschung; es existiert dazu bisher keine einzige Monographie. Die Rolle von Himmlers Kommandostab Reichsführer-SS ist noch gänzlich unerforscht, was um so erstaunlicher ist, als das Kriegstagebuch des Kommandostabs von 1941 seit langem ediert ist, das mörderische Vorgehen von Himmlers Brigaden also prinzipiell bekannt ist. Martin Cüppers macht deutlich, dass die Verantwortung für die Shoa nicht allein bei den Bataillonen der Ordnungspolizei und den Einheiten aus Heydrichs…mehr

Produktbeschreibung
Die Rolle der Waffen-SS beim Holocaust - besonders 1941/42 - gehört zu den großen Desideraten der Forschung; es existiert dazu bisher keine einzige Monographie. Die Rolle von Himmlers Kommandostab Reichsführer-SS ist noch gänzlich unerforscht, was um so erstaunlicher ist, als das Kriegstagebuch des Kommandostabs von 1941 seit langem ediert ist, das mörderische Vorgehen von Himmlers Brigaden also prinzipiell bekannt ist.
Martin Cüppers macht deutlich, dass die Verantwortung für die Shoa nicht allein bei den Bataillonen der Ordnungspolizei und den Einheiten aus Heydrichs Reichssicherheitshauptamt lag, sondern Waffen-SS und Kommandostab ganz wesentlich beteiligt waren.
Autorenporträt
Martin Cüppers, geb. 1966, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle Ludwigsburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.07.2005

Himmlers radikalste Brigaden
Einordnung in die Gesamtgeschichte der Waffen-SS fehlt noch

Martin Cüppers: Wegbereiter der Shoah. Die Waffen-SS, der Kommandostab Reichsführer-SS und die Judenvernichtung 1939-1945. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005. 464 Seiten, 59,90 [Euro].

"Das kleine Kind der Juden, das Knäbel zuerst an der Hand führte und zuletzt auf dem Arm trug, mußte bei der Ermordung seiner Eltern zusehen. Hierauf fing es zu schreien an. Daraufhin nahm es Knäbel wieder auf den Arm, beruhigte es durch Streicheln und durch Worte. Als das Kind ruhig war, hat er es auch durch Genickschuß getötet. Im Augenblick der Schußabgabe trug er es auf dem Arm."

Knäbel gehörte zum SS-Infanterieregiment 8. Dieses war wiederum Teil der 1. Brigade der Waffen-SS. Und diese war, zusammen mit zwei weiteren Brigaden, dem Reichsführer SS Himmler direkt unterstellt. Für die 18 500 Mann der drei Brigaden hatte Himmler im Sommer 1941 einen Spezialauftrag: Sie sollten die "politische Befriedung" der besetzten sowjetischen Gebiete garantieren. Was darunter zu verstehen war, hatten Einheiten der Waffen-SS schon 1939 in Polen vorgeführt. Ihrem Terror waren vor allem Juden, aber auch Vertreter der polnischen Intelligenz zum Opfer gefallen. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion wurde das Morden systematisiert. Bei den drei Brigaden der Waffen-SS handelte es sich um die "ersten Verbände überhaupt, die zur Massenvernichtung der jüdischen Zivilbevölkerung" übergingen. Dieser Umschlag fällt in die Zeit Ende Juli, Anfang August 1941. Was nun folgte, waren "Großaktionen": Die Brigaden ermordeten allein bis zum Ende dieses Jahres in der besetzten Sowjetunion mindestens 85 000 Menschen, darunter 57 000 Juden.

Wenn diese Todesschwadronen bislang noch nicht Thema einer wissenschaftlichen Darstellung waren, so ist das ebensowenig nachzuvollziehen wie die Tatsache, daß man in der Bundesrepublik nicht mehr als acht ihrer Angehörigen zu Haftstrafen verurteilte. Keine Frage: Im Dschungel der NS-Organisationen waren und sind Funktion und Charakter dieser Brigaden nicht ganz einfach zu erkennen; in ihrem Falle wechselten reine Mordkommandos ab mit Fronteinsätzen oder Anti-Partisanen-Aktionen, tatsächlichen oder vermeintlichen, die sich in der Realität aber kaum von den Mordfeldzügen unterschieden.

Martin Cüppers hat jenes grauenhafte Kapitel der deutschen Zeit- und Militärgeschichte so minutiös und faktenreich rekonstruiert, daß die Lektüre zum Teil nur schwer zu ertragen ist. Wieder einmal waren es - so sein Ergebnis - ideologische Motive, die diese Brigaden zu willigen Vollstreckern werden ließen, nicht aber ökonomische oder gar strukturelle "Sachzwänge". Und noch etwas wird deutlich: Bei der Rekrutierung gab es doch eine klare Trennlinie zwischen Wehrmacht und Waffen-SS, die sich erst mit ihrem Ausbau in der zweiten Kriegshälfte langsam, wenn auch nie ganz verflüchtigte. Davor repräsentierte die Waffen-SS eindeutig denjenigen Teil der wehrfähigen deutschen Gesellschaft, der sich am stärksten mit der NS-Ideologie identifizierte, hier handelte es sich in der Tat um "Politische Soldaten". Einer ihrer Prototypen war eine so üble Figur wie Hermann Fegelein, der 1941/42 die SS-Kavallerie-Brigade kommandierte. Wenn seine Vorgesetzten dessen "ungeheure Leistung" lobten, so hieß das, daß die Einheit dieses Parvenüs besonders viele wehrlose Zivilisten oder Kriegsgefangene auf dem Gewissen hatte.

Mit seiner Darstellung hat Cüppers eine wichtige Lücke in der Holocaust-Forschung geschlossen. Was indes fehlt, ist eine Einordnung in die Gesamtgeschichte der Waffen-SS. Denn die drei Brigaden waren nur ein Teil, höchstwahrscheinlich der mit Abstand radikalste und verbrecherischste Teil der Waffen-SS, zu der bei Kriegsende mehr als 600 000 Soldaten gehörten. Deren Verbrechen sind flächendeckend noch längst nicht erforscht, doch spricht einiges dafür, daß deren Dichte bei den Frontdivisionen der Waffen-SS größer war als bei denen der Wehrmacht.

Doch bestand immer noch ein großer Unterschied zwischen den drei Brigaden und den Frontdivisionen der Waffen-SS. Von ihrer Funktion, ihrem Charakter und nicht zuletzt der Zahl ihrer Verbrechen besetzten die Brigaden ein ganz bestimmtes Segment in der düsteren Welt von Himmlers SS- und Polizeiapparat, das organisatorisch zwischen den Einsatzgruppen einerseits und der übrigen Waffen-SS andererseits anzusiedeln wäre. Wenn der Verfasser in einem Ausblick von acht Seiten die bekanntesten Verbrechen der Waffen-SS referiert, so fehlt hier der Hinweis, daß sich das, was unter dem Oberbegriff "Waffen-SS" firmierte, in der Praxis des Krieges erheblich unterscheiden konnte - im Hinblick auf Entstehungsgeschichte, Nationalität, Einsatzort, Professionalität wie überhaupt Mentalität. Cüppers hat einen Teil dieser Streitmacht beschrieben, deren Charakterisierung und Einordnung noch immer nicht leichtfällt. Wohlgemerkt: einen Teil. Schon allein das ist eine große Leistung.

CHRISTIAN HARTMANN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Verdienstvoll findet Rezensent Christian Hartmann diese Arbeit von Martin Cüppers, die eine wichtige Lücke in der Holocaust-Forschung schließe. Wie er berichtet, untersucht Cüppers die Geschichte dreier äußert brutaler Brigaden der Waffen-SS, die Himmler direkt unterstellt waren, und die 1941 den Auftrag erhielten, die "politische Befriedung" der besetzten sowjetischen Gebiete zu garantieren - was auf eine systematischen Ermordung vor allem der jüdischen Zivilbevölkerung hinauslief. Dieses "grauenhafte Kapitel der deutschen Zeit- und Militärgeschichte" rekonstruiere Cüppers "so minutiös und faktenreich", dass die Lektüre zum Teil nur schwer zu ertragen sei. Deutlich werde, dass es ideologische Motive waren, die diese Brigaden zu willigen Vollstreckern werden ließen, nicht ökonomische oder gar strukturelle Sachzwänge. Was Hartmann in Cüppers Darstellung fehlt, ist eine Einordnung dieser Brigaden in die Gesamtgeschichte der Waffen-SS. Nichtsdestoweniger würdigt er dessen Beschreibung eines Teils dieser Streitmacht als "große Leistung".

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