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Produktdetails
  • Verlag: Mandelbaum
  • Seitenzahl: 192
  • Abmessung: 310mm
  • Gewicht: 1164g
  • ISBN-13: 9783854760245
  • Artikelnr.: 24831934
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.03.1995

Nachtarbeit am Gespenst
Nur bedingt gründlich: Register und Bibliographie zur "Fackel"

"Die Fackel" erschien von 1899 bis 1936. Man kann sie lesen als Chronik der historischen Krisen der österreichischen Kultur im Übergang zur Moderne, und eben als polemische Chronik, die sich den lokalen und persönlichen Einzelheiten widmet, bedarf sie heute der bibliographischen Aufschlüsselung. Charakteristisch für die Zeitschrift war von Beginn an die Urteilsschärfe ihres Herausgebers Karl Kraus, die noch heute zu faszinieren vermag und offenbar nicht völlig der Ratio entstammte. Kraus selbst hat von Phantasie, Vorstellung, Traum und Schlaf als Erkenntnisquellen gesprochen; er war kein Aufklärer, der in Begriffen und Theorien dachte, sondern ein Nachtarbeiter, dem sich die Gesellschaft in Visionen und Gesichten darstellte: in den Gespenstern Strindbergs und den Ungestalten aus Faust II.

Im Rückblick wird die Verwandtschaft der "Fackel" mit Freuds "Traumdeutung" evident; aus den vier Erwähnungen Freuds im Verzeichnis der zitierten Autoren allerdings, das Wolfgang Hink vorlegt, ist das Verhältnis nicht zu verstehen. Autorennamen wurden in das Verzeichnis nur aufgenommen, wenn das Zitat in der "Fackel" eine Länge von fünf zusammenhängenden Textzeilen überschreitet - wie man damit arbeiten soll, bleibt ein Rätsel. Die Nuancen gehen verloren: wer etwa das ausgesprochen komplexe Verhältnis von Kraus zu Hofmannsthal erforschen will, das sich von vorsichtiger Schätzung des Jugendwerks über ironische Seitenhiebe gegen den vermeintlichen Epigonen zu schroffer Ablehnung entwickelte, der wird ohne die zahllosen, oft beiseite gesprochenen Anmerkungen nicht weiterkommen, über die das alte Personenregister von Franz Ögg genauere Auskunft gibt.

Sinnvoller erscheint das chronologische Verzeichnis der "Fackel"-Beiträge mit kurzen Angaben zum Inhalt. Auf engstem Raum kann man studieren, wie sich aus den Notizen zu lokalen, scheinbar nichtigen Anlässen langsam der Gehalt der Polemik heraushebt: der Widerstand gegen den unkontrollierten Machtanspruch der Gegenwart. Noch die geringste Glosse lebt von der Einsicht, daß das Bessere und Würdige nicht zusammenfällt mit dem Neuen, das dem Zeitgeist assimilierbar ist; anders gesagt: daß der Zusammenhang von Humanität und Fortschritt sich löst.

Zahlreiche Arbeiten von Kraus beschäftigen sich, wie dem Register zu entnehmen ist, mit diesem Thema, am Ende steht das Wortspiel "Fordschritt". Seine Fortschrittsskepsis verlegte Kraus den Weg zu den Linksliberalen; weil er zugleich gegen das Bestehende eine geradezu paradiesische Konzeption des Glücks vertrat, war auch der Konservativismus keine Alternative - Kraus blieb, so Hink, als Autor seiner Zeitschrift "etwa ab 1911 völlig allein".

Als aus der Zeit die "große Zeit" von 1914 bis 1918 wurde, fand er zu seiner eigentlichen Statur. Weniger bekannt ist die Auseinandersetzung, die er ab 1934 mit der marxistischen Geschichtsphilosophie führte, einer anderen Kunde von großen Zeiten. Gerade deshalb aber hätte in diesem ansonsten zuverlässigen bibliographischen Werk eine Glosse aus dem Jahr 1935, als der Stalinismus sich gerade konsolidiert hatte, nicht als Kommentar zum "Wahlkampf in Rußland" nachgewiesen werden dürfen. LORENZ JÄGER

"Die Fackel". Hrsg. von Karl Kraus. Bibliographie und Register 1899 bis 1936 von Wolfgang Hink. Band 1: Bibliographie, Band 2: Register. Verlag K. G. Saur, München, New Providence, London und Paris 1994. Bd. 1: 455 S., Bd. 2: 223 S., geb., zus. 498,- DM.

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