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Eines Tages setzt Emma O'Hallahan dem seit 45 Jahren währenden Nörgeln ihres Ehemanns ein beherztes Ende. Sie erschießt ihn und schaufelt ein Grab im Hinterhof - ihm, der die Verkörperung dessen war, was schiefläuft mit Amerika. Doch ihre Ruhe, die sie zwischen Soap-Operas und Brandy genießt, ist nicht von langer Dauer. Bradfields Roman ist ein Bravourstück schwärzesten Humors, eine hochvergnügliche Abrechnung mit dem Kleinbürgerzauber des amerikanischen Mittelstands.

Produktbeschreibung
Eines Tages setzt Emma O'Hallahan dem seit 45 Jahren währenden Nörgeln ihres Ehemanns ein beherztes Ende. Sie erschießt ihn und schaufelt ein Grab im Hinterhof - ihm, der die Verkörperung dessen war, was schiefläuft mit Amerika. Doch ihre Ruhe, die sie zwischen Soap-Operas und Brandy genießt, ist nicht von langer Dauer. Bradfields Roman ist ein Bravourstück schwärzesten Humors, eine hochvergnügliche Abrechnung mit dem Kleinbürgerzauber des amerikanischen Mittelstands.
Autorenporträt
Scott Bradfield, 1955 in Kalifornien geboren, studierte amerikanische Literatur in Irvine, California. Heute lebt er in London und Connecticut, wo er an der University of Storrs unterrichtet
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.02.1995

Das Glücksrad als tägliche Pflicht
Sehr bezeichnend: Scott Bradfield gerät auf die schiefe Bahn

Verglichen mit Emma O'Hallahan, ist Brechts unwürdige Greisin ein braves Weib. Nach "fünfundvierzig Jahren unterwürfiger, freiwilliger Erniedrigung" hat Emma ihren Ehemann Marvin mit einer Schrotflinte erschossen und seinen Körper im Garten des gemeinsamen Hauses im südkalifornischen Dynamo Valley vergraben. Reue empfindet sie nicht. In dem an die Enkel gerichteten Tagebuch, das sie gleich nach dem befreienden Schlag zu führen beginnt, erstellt Emma eine Liste der "nützlichen Vorteile, die ich davon habe, daß euer erbärmlicher Opa nicht mehr hier herumsitzt". Zwei der Punkte lauten: "Ich kann den Vögeln zuhören und weiß, daß euer Opa nie wieder mit seiner Zwölferflinte auf sie schießen wird", und dann: "Ich muß nie wieder Tag für Tag um Punkt sieben Uhr das Glücksrad ansehen."

Dieser Marvin scheint in der Tat ein unerfreulicher Mensch gewesen zu sein. Scott Bradfield schildert die heimliche Hauptgestalt seines Romans "Was läuft schief mit Amerika" als zotigen Choleriker und Stammtischpolitiker, der auf alle Fragen der Zeit eine drastische Antwort weiß. Zur Abschaffung der Überbevölkerung empfiehlt Marvin Sterilisationsprämien; Homosexualität sähe er gerne in Irrenanstalten behandelt. Andererseits hat ihn sein Autor mit einem zwar zynischen, aber treffsicheren Humor ausgestattet, der sich um politische Korrektheit wenig schert. Über den Unterschied zwischen Juden und Farbigen etwa weiß der Tyrann in Hush Puppies einen ziemlich guten Witz zu erzählen. Marvin verfügt über den Nonkonformismus des Spießers. Der Typus des heimlichen Anarchisten ist dem Autor sympathischer geraten, als es vermutlich beabsichtigt war.

Letztlich ist er dennoch zu fies, um wahr zu sein. Damit hat es seine Richtigkeit, denn Marvin "steht für etwas". Emma erklärt, wofür: "Männer hauptsächlich und Leute, die einen herumkommandieren, und daß man niemals sagen darf, was man denkt und so weiter." In diesem "Undsoweiter" drückt sich das ganze Dilemma der Heldin aus. Besser gesagt: Es bleibt unausgedrückt. Denn nach neunundsechzig Lebensjahren im Warenhaus Amerika hat Emma zwar perfekt gelernt, ihre körperlichen Bedürfnisse über Markennamen, ihre seelischen über die Titel diverser Fernsehshows und Seifenopern zu definieren. Für die Botschaft, die sie an ihre Nachkommen richtet und die es gegen die Metapher Marvin durchzusetzen gilt, ist es in ihrem Fall jedoch zu spät: "Ihr sollt lernen, mit eurer persönlichen, inneren Natur im Einklang zu leben, statt daß ihr immer nur versucht, sie zu unterdrücken."

Es erstaunt daher kaum, daß Emma mit ihrer neuen Freiheit wenig anzufangen weiß. Nun, da sie endlich tun und lassen kann, was sie will, sieht sie sich ganz auf orale Bedürfnisse zurückgeworfen, trinkt Brandy in unzuträglichen Mengen und verfällt nacheinander dem Fast Food und der Gesundheitskost. Daß Dosenmais auf ihrer Einkaufsliste als "frisches Lebensmittel" gilt, zählt zu den wenigen entlarvenden Beobachtungen eines Buches, welches ansonsten das Dilemma seiner benebelten Protagonistin reproduziert. Scott Bradfield schreibt Rollenprosa in ihrer schärfsten Variante. Die Redundanzsprache, in der Emma ihr Tagebuch führt, macht sich der Roman (dem das Diarium als erzählerisches Gerüst dient) ohne Abstriche zu eigen. Emma hat eine Vorliebe für Tautologien, Füllwörter und Komparative - das Buch hat sie auch. Emma liebt es, Feststellungen mit Ausrufen wie "Ach je" oder "Wenn das nicht bezeichnend ist" zu würzen - das Buch muß es ihr wohl oder übel nachtun. Ach je.

Scott Bradfield mag mit "Was läuft schief mit Amerika" eine Gesellschaftssatire im Sinn gehabt haben, aber etwas ist schiefgelaufen. Dieser Roman, der bis zur Schlußpointe vorhersehbar bleibt, begibt sich jeglicher Distanz und bildet das, was er kritisch schildern will, mimetisch nach. Im Grunde besteht "Was läuft schief mit Amerika" aus endlos dahinleiernden Variationen einer Idee, die in einem einzigen Satz rückstandlos resümierbar ist. Nach diesem Prinzip bastelt Hollywood die meisten seiner Drehbücher, auf diese Weise werden Bestseller geplant. Bradfields Roman läßt sich mühelos in die Regale der Warengesellschaft stellen, die er so gerne aufs Korn genommen hätte. Zum Trost bleibt dem Leser als einzige Figur mit Widerhaken der in verschiedenen Fäulnisstadien herumgeisternde Ehemann. Und seine Erkenntnis: "Du bist Zeitverschwendung, Emma. Die reine Verschwendung. Nichts als Verschwendung." STEFFEN JACOBS

Scott Bradfield: "Was läuft schief mit Amerika". Roman. Ammann Verlag, Zürich 1994. 257 S., geb., 38,- DM.

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