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Hans Bentzien, ehemaliger Kulturminister der DDR, macht in seinem Buch über den 17. Juni deutlich, daß die Geschehnisse ohne Berücksichtigung der Interessen in den Führungen der Sowjets und Amerikaner nicht zu verstehen sind. Dabei geht er ausführlich auf die Nachkriegs- und Aufbausituation in Deutschland ein und kennzeichnet die machtpolitischen Strömungen und Aktivitäten hinter der offiziellen Parteilinie. Wie standen die russischen Militärs zur Deutschlandfrage? Welche Rolle spielte Geheimdienstchef Berija? Welche unterschiedlichen Akzente gab es in der Außenpolitik der Sowjetunion? Welche…mehr

Produktbeschreibung
Hans Bentzien, ehemaliger Kulturminister der DDR, macht in seinem Buch über den 17. Juni deutlich, daß die Geschehnisse ohne Berücksichtigung der Interessen in den Führungen der Sowjets und Amerikaner nicht zu verstehen sind. Dabei geht er ausführlich auf die Nachkriegs- und Aufbausituation in Deutschland ein und kennzeichnet die machtpolitischen Strömungen und Aktivitäten hinter der offiziellen Parteilinie.
Wie standen die russischen Militärs zur Deutschlandfrage? Welche Rolle spielte Geheimdienstchef Berija? Welche unterschiedlichen Akzente gab es in der Außenpolitik der Sowjetunion? Welche Berater zogen in wessen Interesse die Fäden im ZK der SED? Bentzien analysiert als Zeitzeuge und Historiker.
Autorenporträt
Hans Bentzien, Politiker, Publizist und Buchautor, geb. 1927 in Greifswald. Nach dem Kriegsabitur zur Wehrmacht eingezogen, arbeitete er nach seiner Rückkehr aus britischer Gefangenschaft als Lehrer, studierte dann in Jena und Moskau und wurde 1961 Kulturminister. Wegen 'Sabotage der Parteibeschlüsse' 1966 abgelöst, arbeitete er als Verlagsleiter und ab 1975 beim staatlichen Komitee für Fernsehen, wo er 1979 erneut abgesetzt wurde. 1989/90 letzter Intendant des DDR-Fernsehens. Er hat zahlreiche Bücher besonders zur preußischen und NS-Geschichte sowie Biografien veröffentlicht. Hans Bentzien lebt in Reichenwalde bei Berlin.
Rezensionen
literaturtest.de
Ein Zeitzeuge berichtet
Mit Hans Bentzien konnte für dieses Thema ein besonders interessanter Autor gewonnen werden, interessant aufgrund seiner Biografie: NSDAP-Mitglied, dann Aufstieg in der SED, DDR-Kulturminister, Verlagsleiter und DFF-Generalintendant. Heute kennt man ihn vor allem als Autor verschiedener Publikationen zu historischen und zeitgeschichtlichen Themen. Was in diesem Band präsentiert wird, ist weniger die Sicht des Historikers auf den 17. Juni 1953. Es sind vielmehr die Betrachtungen eines kritischen Geistes, der jahrzehntelang Spitzenämter in der DDR innehatte.
Subjektive Interpretation
Und so ist denn seine Perspektive streckenweise eine abgemilderte Version der offiziellen SED-Linie. Bei der Beschreibung der konkreten Ereignisse des 17. Juni 1953 stehen die Zerstörungen und Gewalttaten der Protestierenden sowie die maßvolle Reaktion der Sicherheitskräfte im Vordergrund. Die Parteiführung habe auf die Forderungen der Streikenden reagiert (ausgenommen freilich die nach freien Wahlen und der Einheit Deutschlands); andere Autoren rücken hier eher die anschließenden Massenverhaftungen und den Ausbau der Staatssicherheit in den Vordergrund.
Informationen aus erster Hand
Das wirklich Spannende an diesem Buch liegt weniger in Bentziens subjektiven Betrachtungen als vielmehr in der dokumentarischen Fülle. Aufgrund seiner prominenten Stellung kannte er die Schlüsselfiguren der DDR, nahm an zahllosen Sitzungen und intimen Unterhaltungen teil, die hier den Lesern zugänglich gemacht werden. Egal, ob es um Erich Honecker oder den legendären Rekord-Normübererfüller Adolf Hennecke geht: Bentzien kannte sie alle und weiß Details zu berichten, die sich so in keiner anderen Quelle finden. Sein Buch ist der persönliche Bericht eines Zeitzeugen, der nicht nur für viele Historiker sehr interessant sein dürfte.
(Henrik Flor)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.06.2003

Revolte von anrührender Humanität
Hunderttausende begehrten gegen das Ulbricht-Regime auf: Neuerscheinungen zum 17. Juni

Hans Bentzien: Was geschah am 17. Juni? Vorgeschichte, Verlauf, Hintergründe. Edition Ost, Berlin 2003. 214 Seiten, 12,90 [Euro].

Torsten Diedrich: Waffen gegen das Volk. Der 17. Juni 1953 in der DDR. R. Oldenbourg Verlag, München 2003. 261 Seiten, 19,80 [Euro].

Hubertus Knabe: 17. Juni 1953. Ein deutscher Aufstand. Propyläen Verlag, München 2003. 320 Seiten, 25,- [Euro].

Volker Koop: Der 17. Juni 1953. Legende und Wirklichkeit. Siedler Verlag, Berlin 2003. 428 Seiten, 24,90 [Euro].

Hans-Peter Löhn: Spitzbart, Bauch und Brille - sind nicht des Volkes Wille! Der Volksaufstand am 17. Juni 1953 in Halle an der Saale. Analysen und Dokumente. Wissenschaftliche Reihe des Bundesbeauftragten, Band 22. Edition Temmen, Bremen 2003. 212 Seiten, 10,90 [Euro].

Rolf Steininger: 17. Juni 1953. Der Anfang vom langen Ende der DDR. Olzog Verlag, München 2003. 206 Seiten, 14,90 [Euro].

Unser Volk quält sich zu Recht mit seinem nationalsozialistischen Erbe. Um so unverständlicher ist es, daß es sich auch schwertut mit erhebenden Erinnerungen seiner Geschichte, auf die es stolz sein könnte, über die es glücklich sein müßte. Was haben die Franzosen aus dem Sturm auf die Bastille gemacht, einem - historisch genau betrachtet - bescheidenen, risikoarmen Ereignis! Und wir? Unser Land ist nicht so reich an eindrucksvollen Freiheitsbewegungen, daß es sich Vergeßlichkeit erlauben dürfte und leisten könnte.

Ein großer Augenblick unserer Geschichte waren die Tage und Taten des 16./17. Juni 1953. Erstmals im damaligen Ostblock, drei Jahre vor den Ereignissen in Polen und Ungarn 1956, fünfzehn Jahre vor dem tschechoslowakischen Frühling 1968, kam es in jenen Junitagen im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands zu einer machtvollen Erhebung. Innerhalb weniger Stunden wuchs ein sozialpolitischer Demonstrationszug, mit dem Bauarbeiter der Stalin-Allee gegen die administrativ verordnete Lohndrückerei des SED-Regimes aufbegehrten, spontan zu einem wirklichen Volksaufstand in der gesamten DDR an.

Der 16./17. Juni war eine Revolte aus dem Volke, spontan, ohne eigentliche Führung, von anrührender Humanität. Statt Bahnhöfe, Postämter, Rundfunksender und die Schaltzentralen der Macht zu besetzen, hat man damals - vielleicht naiv - vor allem unschuldig eingesperrte Landsleute, politische Gefangene, zu befreien versucht. Im Laufe weniger Stunden beteiligten sich in Hunderten von Orten viele Hunderttausende von Menschen, vielleicht sogar mehr als eine Million. Höhepunkt waren überall Massenkundgebungen, bei denen spontan die Einheit und Freiheit Deutschlands gefordert wurde: Menschenrechte, freie Wahlen, Demokratie.

Seit 1945 hatte die Sowjetunion gewaltsam die Umgestaltung ihrer Zone vorangetrieben. Seit Sommer 1952 wurde die sozialistische Verformung rücksichtslos forciert, nahm unerträgliche Ausmaße an. Hunderttausende flohen in den Westen, Bauern, Handwerker, Mittelständler, die ihre eigenständigen Existenzen verloren hatten, weil sie in die Kollektivierung getrieben wurden. Unter denen, die blieben, wuchs die Empörung, die sich nach Stalins Tod (5. März 1953) explosionsartig Luft machte. Hätten damals die Russen nicht gewaltsam eingegriffen, wäre das Regime, dessen Führer die Hauptstadt bereits fluchtartig verlassen hatten, schon im Sommer 1953 und nicht erst im Herbst 1989 von dieser elementaren Volksbewegung hinweggefegt worden. Was 1989/90 glücklich gelang, endete 1953 in Erschießungen, in jahrelangen Einkerkerungen. Viele, viele Hunderte mußten in Gefängnissen ihren Freiheitswillen büßen. Die Juni-Erhebung wurde zum Trauma der SED. Bis zum Ende befürchtete das Regime eine Wiederholung - wie wir heute wissen: zu Recht.

Eine eindrucksvolle Reihe von Autoren hat den fünfzigsten Jahrestag zum Anlaß genommen, der Erhebung zu gedenken. Das von ihnen entwickelte Bild stimmt in allen wesentlichen Zügen überein. Nur Hans Bentzien, einst Kulturminister der DDR und letzter Fernsehintendant des Landes, hält es für "zweifellos richtig", daß die Unruhen konterrevolutionär gewesen seien. Hingegen könne nicht nachgewiesen werden, "daß sie eine faschistische Zielsetzung hatten oder von und mit faschistischen Elementen organisiert waren". Immerhin. Damit fällt die Legende der Erna Dorn in sich zusammen. Von ihr hieß es in der DDR offiziell, sie habe - vormals KZ-Kommandeuse - aus dem Gefängnis befreit beim Aufstand in Halle, einem Zentrum der Revolte, eine führende Rolle gespielt. Hans-Peter Löhn, aber auch Hubertus Knabe haben ihr - vermutlich einer gescheiterten Existenz - Gerechtigkeit widerfahren lassen und den Justizmord im Maße des heute Möglichen aufgeklärt. Sie war offenbar eine seltsame, verwirrte Person, deren Verurteilung ausschließlich auf Selbstbezichtigungen beruhte.

Besonders eindrucksvoll ist das Werk Knabes, des wissenschaftlichen Direktors der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, des ehemaligen zentralen Untersuchungsgefängnisses der DDR-Staatssicherheit. Es ist das umfangreichste, auch wichtigste der hier angezeigten Bücher - eine große Erzählung, packend in der Sprache. Emphatisch erinnert er an "einen deutschen Aufstand", der nach seiner Überzeugung als nationaler Gedenktag gewürdigt werden sollte. Er schildert, wie auch Volker Koop, eingehend regionale Abläufe, unterstreicht die revolutionäre Situation jener Junitage, als im Sinne Lenins die Herrschenden nicht wie bisher weiterregieren konnten und die Beherrschten nicht mehr so weiterregiert werden wollten. Wie auch andere Autoren betont Knabe, daß vielerorts selbst Bauern mobil machten. Währenddessen hielten sich die Intellektuellen von den Protesten weitgehend fern. Niemand von den Prominenten hatte den Mut, der Bewegung Geist und Stimme zu geben, ja Stephan Hermlin war sich nicht zu schade, in einer Erzählung mit dem Titel "Die Kommandeuse" 1954 die angebliche "KZ-Bestie" literarisch zu verewigen.

Die Wucht der Erhebung war gewaltig. Der Arbeiteraufstand - darin stimmen die Autoren überein - wurde in einer emotionalen Ausnahmesituation zum Volksaufstand. Nicht nur Knabe rügt die Tatenarmut des Westens, schildert ausführlich die Härte der Verfolgung nach den Unruhen. Er fragt, ob der Juni-Aufstand umsonst gewesen sei. "Ja. In gewisser Weise hat er sogar das Gegenteil dessen erreicht, was er anstrebte: eine Welle der Repression, den Ausbau des Unterdrückungsapparates und eine politische Traumatisierung der Bevölkerung." Auf der anderen Seite der Bilanz sei der Aufstand aber ein unübersehbares Plebiszit gegen die Diktatur gewesen. Nach dem 17. Juni habe es keinen Zweifel mehr gegeben, daß das kommunistische System gegen den Willen der Bevölkerung errichtet worden war. So ähnlich schreiben das alle.

Der inzwischen offene Zugang zu den Archiven der früheren DDR ist der Mehrzahl der Bücher sehr zugute gekommen. Man weiß heute, daß viel mehr Menschen in jenen Junitagen auf den Beinen waren. Besonders Koop hat regionale Unterlagen für eine detaillierte Chronologie der Ereignisse genutzt. Bezirk nach Bezirk schildert er eingehend die Abläufe vor Ort. Von der Legende eines vom Westen angezettelten Putsches bleibt auch bei den Darlegungen dieses politisch engagierten Historikers und Journalisten nichts übrig. Koop bekennt freimütig, daß sein Buch "bei aller Unvollständigkeit eine wichtige Aufgabe erfüllen könnte". Weshalb? Weil es dringlich sei, gerade Menschen in den neuen Ländern die Bedeutung der damaligen Ereignisse bewußt zu machen. Die Wichtigkeit dieser Aufklärung sei ihm klar geworden, als Historiker aus der alten DDR noch im Jahr 2002 davon überzeugt waren, es sei den Menschen im Juni 1953 nur um niedrigere Normen gegangen, keineswegs um die Freiheit und Einheit Deutschlands. Torsten Diedrich betont übrigens, Wiedervereinigung habe damals im Verständnis der DDR-Bewohner nicht die Übernahme des westlichen politischen Systems bedeutet.

Koop und die anderen Autoren wie Hans-Peter Löhn und Rolf Steininger haben völlig recht: die Unruhen begannen damals mit einem Aufbegehren gegen die amtliche Heraufsetzung der Arbeitsnormen. Als das Regime, ohnehin verunsichert durch die Moskauer Wirren nach dem Tode Stalins im Frühjahr 1953, erschreckt zurückwich, entwickelte sich ohne Beteiligung der Medien mit atemberaubender Geschwindigkeit über Nacht eine Massenbewegung, die am 17. Juni auf machtvolle Demonstrationen und Kundgebungen hinauslief, bei denen freie Wahlen und die Einheit Deutschlands gefordert wurden. Wären die sowjetischen Panzer (wie 1989) in ihren Kasernen geblieben, hätten die Wut und Entschlossenheit eines tatkräftigen Teils der DDR-Bevölkerung schon damals das verhaßte Regime beseitigt.

Der 17. Juni war und ist - seit 1989 erst recht - für immer ein Anlaß stillen deutschen Stolzes. Der Mut, die Entschlossenheit der Männer und Frauen unseres Volkes, die für die Ziele dieses Tages viele Jahre der Haft, ja in annähernd hundert Fällen ihr Leben hingegeben haben, müssen im Gedächtnis der Nation bewahrt werden. Denn wofür sie eintraten, bildet heute und in Zukunft die Grundlage unseres gemeinsamen, jetzt glücklich wieder vereinten Staates: Deutschlands Einheit in Freiheit, der Menschlichkeit verpflichtet, eine wirkliche Demokratie.

ARNULF BARING

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