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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.06.2013

Eichenpoller ist kein Kirschbaum
Nachschlagewerk über Mainz

Da hat sich aber einer Mühe gemacht und im Stadtarchiv, in Bibliotheken und Museen gestöbert, etwa 120 Bücher sowie viele Zeitungen und Broschüren gewälzt und auch das Internet befragt, um Erhellendes über seine Heimatstadt herauszufinden. So zum Beispiel, dass der in Mainz bis heute als "Klickerwasser" dargebotene Sprudel den Namen nicht etwa den Kohlensäurebläschen im Flascheninnern verdankt. Vielmehr gehe die Bezeichnung auf die bis vor 50 Jahren übliche Verpackungsart zurück, bei der die an Wasserhäuschen verkaufte Flüssigkeit in kleinen, dickwandigen Flaschen abgefüllt war, die mit einer Klicker genannten Glaskugel verschlossen wurden. Mit Hilfe des meist hölzernen "Selzewasserklickerfläschjeklickerrunnerdrickers" konnte die Mineralwasserflasche mühelos geöffnet werden, wie Autor Helmut Lehr in seinem für "Meenzer, Mainzer, Zugezoochene un Messfremde" gedachten Nachschlagewerk verrät.

Unter der Überschrift "Was der Domsgickel so hört..." erklärt der selbständige Stadtführer und Heimatforscher nicht nur 70 Begriffe - von Augustinerkirche bis Zwockel -, sondern gibt dem Leser gleich noch 130 Fotos und sonstige Abbildungen mit an die Hand, von denen viele selten und schön sind. Allerdings gibt es durchaus auch Bilder, wie die am 27. Februar 1945 gemachte Luftaufnahme der durch Bombenangriffe zu mehr als 80 Prozent zerstörten Innenstadt. Ergänzt durch Anmerkungen wie jene zum "Wunder von Mainz": Denn dass ihr Dom den Bombenhagel weitgehend unbeschadet überstanden hatte, habe vielen Mainzern damals Mut gemacht, dass ihre Stadt gleichfalls weiterbestehen werde, so Lehr. Er hat zu vielen Themen etwas zu sagen respektive zu schreiben: ob zur Mainzer Republik von 1793, die er unverändert für eine undemokratische Veranstaltung hält, oder aber zur Fastnacht, zur Römerzeit sowie zum nicht immer einfachen Verhältnis zu den Nachbarn aus Wiesbaden. Schier unverzichtbar dürfte sein jüngstes Werk für jene sein, die mit offenen Augen durch die Stadt gehen und denen dabei allerlei Fragen in den Kopf kommen.

Was bedeutet eigentlich "Andau", wohin führt das "Hollagäßchen", welche Aufgaben hatte einst der "Flaschenrüttler bei Kupferberg", und kann es wirklich sein, dass am Kirschgarten in der Altstadt ein letzter alter Kirschbaumstumpf aus der Erde ragt? Nein, meint Lehr, denn der an der Ecke eines Fachwerkhauses wohl zum Schutz vor vorbeikommenden Fuhrwerken und noch dazu falsch herum in den Boden gerammte Holzpoller sei erwiesenermaßen aus Eiche - und alle weiteren um diesen Stumpf kreisenden Kirschgarten-Geschichten nichts anderes als Märchen.

MARKUS SCHUG

Helmut Lehr: "Was der Domsgickel so hört. Für Meenzer, Mainzer, Zugezoochene un Messfremde zum Nachschlagen und Entdecken." 112 Seiten mit zahlreichen Abbildungen. Verlag der Rheinhessischen Druckwerkstätte, Alzey, 2012. 19,50 Euro.

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