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Der preisgekrönte Roman des chinesisch-amerikanischen Autors Ha Jin - National Book Award 1999 Als sich 1963 der siebenundzwanzigjährige Lin Kong und die ein Jahr jüngere Shuyu das Ja-Wort geben,ist es keine Heirat aus Liebe. Nach der ersten Begegnung mit der Braut, die seine Eltern für ihn ausgewählt hatten, wollte Lin die Verlobung rückgängig machen: Shuyu ist eine ungebildete,wenig anziehende Frau, die noch im "Neuen China" gebundene Füße und den traditionellen Haarknoten trägt. Doch die Eltern blieben unnachgiebig und Lin geht ohnehin stets den Weg des geringsten Widerstands. Da sich der…mehr

Produktbeschreibung
Der preisgekrönte Roman des chinesisch-amerikanischen Autors Ha Jin - National Book Award 1999
Als sich 1963 der siebenundzwanzigjährige Lin Kong und die ein Jahr jüngere Shuyu das Ja-Wort geben,ist es keine Heirat aus Liebe. Nach der ersten Begegnung mit der Braut, die seine Eltern für ihn ausgewählt hatten, wollte Lin die Verlobung rückgängig machen: Shuyu ist eine ungebildete,wenig anziehende Frau, die noch im "Neuen China" gebundene Füße und den traditionellen Haarknoten trägt. Doch die Eltern blieben unnachgiebig und Lin geht ohnehin stets den Weg des geringsten Widerstands. Da sich der Arzt für seine Frau schämt, untersagt er ihr, ihn im Militärkrankenhaus in Muji zu besuchen, wo er, eine Tagesreise vom Dorf entfernt, eine Stelle innehat: "Er liebte sie nicht und hasste sie auch nicht. Er behandelte sie wie eine Cousine."Nur seine zwölf Tage Jahresurlaub verbringt er zu Hause bei Shuyu,die seine innere wie äußere Distanz klaglos erduldet. Wenig später lernt Lin Kong d ie Stationsschwester Manna Wu kennen, eine energische, moderne junge Frau. Erstmals empfindet Lin Kong so etwas wie Liebe - eine verwirrende Erfahrung. Die beiden werden ein Paar, doch es ist eine heimliche und sehr keusche Beziehung. Alles andere hätte zum Ausschluß aus der Armee geführt. Als sich der ewige Bedenkenträger Lin auf Drängen Manna Wus endlich aufrafft, die Scheidung von Shuyu zu verlangen, willigt jene zunächst ein, weigert sich aber im letzten Augenblick.
Fast zwanzig Jahre lang geht das so: "Jeden Sommer kehrte Lin Kong nach Gänsedorf zurück, um sich von seiner Frau Shuyu scheiden zu lassen." Doch was kann Erfüllung noch bedeuten nach so vielen Jahren des Wartens, der Geduld, Duldsamkeit und Entsagung?
Lin ist ein Wanderer zwischen zwei Sphären, die jeweils ihre Ansprüche auf völlige Unterordnung des Einzelnen erheben:
zu Hause das bäuerliche Milieu, das nur partiell in die neue kommunistische Gesellschaft eingebunden ist, im Krankenhaus dagegen die straff organisierte Welt des Militärs.
Der entschlussschwache, emotional träge Lin Kong bleibt passiv, gelähmt von Gefühlen der Schuld und der Verpflichtung gegenüber Shuyu und dem Staat - ein achtzehnjähriger Schwebezustand, unter dem alle Beteiligten zu leiden haben, auch die Frau, die er eigentlich liebt: Manna Wu.
Der chinesisch-amerikanische Schriftsteller Ha Jin erzählt in seinem mehrfach ausgezeichneten Roman die ungewöhnliche Liebesgeschichte dreier Menschen, die eine sehr unromantische Vorstellung von der Liebe haben. Etwas aus emotional und individuell motiviertem Antrieb zu wünschen oder gar zu tun, wagen alle drei Hauptfiguren kaum mehr. Unter dem enormen äußeren Druck gewinnt jede Geste, jeder Blick an Bedeutung, wird zur Ungeheuerlichkeit.
Dieser Selbstbeschränkung der Protagonisten, die auf die Kommunikation durch Unausgesprochenes setzt, entspricht die schnörkellose Darstellung. Mit seiner gleichsam poetisch komprimierten und anschmiegsamen Sprache schildert der Autor Menschen, die extremen seelischen Belastungen ausgesetzt sind und sie auf den ersten Blick mit kaum nachvollziehbarer Demut ertragen. Mit wenigen Sätzen gelingt es dem Autor, eine ruhige, aber spannungsgeladene Atmosphäre von der kargen Schönheit chinesischer Lyrik zu erzeugen, die mit feinen Irritationen der Ironie und der Erotik durchsetzt ist.
Autorenporträt
HA JIN left his native China in 1985 to attend Brandeis University. He is the author of six novels, four story collections, three volumes of poetry, and a book of essays. He has received the National Book Award, two PEN/Faulkner Awards, the PEN/Hemingway Foundation Award, the Asian American Literary Award, and the Flannery O'Connor Award for Short Fiction. In 2014 he was elected to the American Academy of Arts and Letters. Ha Jin lives in the Boston area and is a professor of English at Boston University.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.04.2001

Langer Marsch ins Unglück
Zwei Königskinder lassen sich scheiden: Ha Jins Roman "Warten" · Von Mark Siemons

Es ist nicht leicht, der Irritation auf die Spur zu kommen, die dieser auf englisch geschriebene Roman eines chinesischen Exilanten bewirkt. Nicht esoterische Dunkelheit und erst recht nicht verstiegene Prätention stürzen den Leser in Verwirrung, sondern im Gegenteil äußerste Einfachheit und Ruhe. Alles vollzieht sich so, als könne es anders nicht kommen, wie es kommt. Dabei ist das, was da erzählt wird, durchaus nicht selbstverständlich.

"Jeden Sommer kehrte Lin Kong nach Gänsedorf zurück, um sich von seiner Frau Shuyu scheiden zu lassen": Mit diesem Satz beginnt die merkwürdige Geschichte. Achtzehn Jahre lang wartet Lin Kong darauf, von seiner Frau geschieden zu werden, um die Geliebte zu heiraten. Schließlich bekommt er seinen Willen, und bestürzt muß er feststellen, daß er das Glück trotzdem nicht findet. So kurz kann man die Handlung zusammenfassen; das Grundmotiv wird schon im Prolog durchgespielt, um dann in drei Teilen über 36 Kapitel chronologisch entfaltet zu werden. Und obwohl der Leser so rasch mit den wichtigsten Bausteinen der Fabel vertraut ist, wächst die Spannung im Laufe der über dreihundert Seiten stetig weiter.

Die Geschichte spielt hoch im chinesischen Norden; sie beginnt Anfang der sechziger und endet Mitte der achtziger Jahre. Lin Kong ist ein Militärarzt, der nahe der chinesisch-sowjetischen Grenze seinen Dienst tut. Frau und Tochter bleiben im Heimatdorf zurück. Lin liebt seine Frau nicht; er hat sie nur auf Druck seiner Eltern geheiratet, die von ihr gepflegt werden wollten. Shuyu ist wenig anmutig, und ihre Füße sind gebunden, wie das auf dem Land noch bis tief in kommunistische Zeiten hinein vorkam. Aber sie liebt ihn, und sie ist verläßlich. Im Militärkrankenhaus lernt Lin die Krankenschwester Manna Wu kennen. Mit der Zeit gewöhnen sich die beiden aneinander, und ohne daß sie eine Affäre wagen - was strengster sozialer Ächtung unterläge -, fassen sie den Plan zu heiraten. Erst nach achtzehn Jahren wird dem Scheidungsantrag Lins stattgegeben. Als sie Hochzeit feiern können, merken sie, daß das Warten sie verändert hat, und das Unglück holt sie wieder ein.

Unverkennbar spielt die Politik bei diesem Geschehen eine wichtige Rolle. Die verschiedenen Entwicklungsphasen der Kommunistischen Partei, von der relativen Ruhe Anfang der sechziger Jahre über die Kulturrevolution bis zur vorsichtigen Öffnung der Reformära, beeinflussen das Leben der Figuren bis in die feinsten Verästelungen hinein. Und trotzdem macht der Roman die Politik nicht eigens zum Thema. Er nimmt sie eher wie nebenbei, wie aus den Augenwinkeln, zur Kenntnis, als jenes selbstverständliche, seinerseits nur schwer zu beeinflussende Hintergrundgeräusch des Lebens, als das sie auch den gewöhnlichen chinesischen Zeitgenossen erscheint. In dieser ungerührten Art, wie sich das große Über-Ich China hier bis in die persönlichsten Beobachtungen und Gespräche hineindrängt, liegt große Kunst. "Keiner von denen versteht die Mao-Tse-Tung-Ideen wirklich", hatte Lin nach Ausbruch der Kulturrevolution Manna noch bei einem intimen Treffen anvertraut. Demselben Lin wird zwei Jahrzehnte später elend zumute, als er nach der Hochzeit die zwei Dutzend Mao-Buttons zu Gesicht bekommt, die Mannas einzigen wertvollen Besitz darstellen.

Doch gibt die Politik nicht bloß die folkloristische Kulisse der eigentlichen Handlung ab. Sie ist ein wesentlicher Teil der Trauer, die über dem langen "Warten" in diesem Roman liegt. Die Chinesen sind den Windungen der Politik im zwanzigsten Jahrhundert ausgeliefert gewesen wie kaum ein anderes Volk, und was diese Abhängigkeit von einer willkürlich agierenden Macht für den einzelnen bedeutet, konnte man selten so plastisch erfahren wie bei Ha Jin - vielleicht gerade weil er es nicht eigens ausspricht, sondern es sich aus der Perspektive der Abhängigen von unten entwickeln läßt.

Die gänzlich mutwilligen, sich nach der Laune der Zeiten wandelnden Bestimmungen über Heirat und Scheidung, unter denen das Leben Lins vergeht und sich verbraucht, sind ein Abbild jenes Willkürapparats, unter dem das ganze Land steht. Aber der Roman geht nicht in politischer Systemkritik auf. Er ist eher eine melancholische Betrachtung über die Verstrickungen der Chinesen in die Geschichte. In einer Erzählung in der Erzählung wird von einem Mann berichtet, der 1943 sein Heimatdorf verließ, um sich der kommunistischen Armee anzuschließen; als er Offizier wurde, ließ er sich von seiner Frau scheiden. Erst nach seiner Pensionierung kehrte er vierzig Jahre später nach Hause zurück, wo seine Frau im Kreise der Kinder und Enkelkinder immer noch auf ihn wartete. Der Offizier bekam einen Herzinfarkt, dem er kurz darauf erlag.

Der Autor Ha Jin, 1956 in Jinzhou geboren, lebt seit 1985 in Amerika, wo er heute als Professor für englische Literatur in Georgia arbeitet. Eigentümlich, daß er mit diesem in fremder Sprache verfaßten Buch den vermutlich chinesischsten Roman seit langem geschrieben hat. So genau wie hier kann vielleicht nur ein Exilant Gerüche, Mahlzeiten, die Weisen, einander zu begrüßen und sich Gedanken über das Schicksal zu machen, schildern. Die vom Festland aus geschriebene chinesische Literatur der letzten Jahrzehnte war entweder mehr vom Gedanken, also etwa der Auseinandersetzung mit der Kulturrevolution, geleitet oder konzentrierte sich ganz auf die Schilderung des bunten schnellen Lebens der Jetztzeit. "Warten" aber nimmt China als Ganzes in den Blick, als ein bestechend präzise gezeichnetes Traumgebilde. Ha Jin hat seiner Heimat ein Monument gesetzt, wie dies ähnlich nur dem ganz anders schreibenden Gao Xingjian von Paris aus gelungen ist. Die Emigrationsbewegung von chinesischen Intellektuellen in den letzten zwanzig Jahren scheint jetzt ihre ersten großen kulturellen Wirkungen zu zeitigen. Gao erhielt im letzten Jahr den Nobelpreis, Ha Jin für "Warten" 1999 den "National Book Award".

Bis zu den letzten Kapiteln wartet der Leser mit dem Helden auf die Erfüllung seiner Erwartungen, damit diese ein ganzes Leben umspannende Liebe doch noch zu einem guten Ende kommt, allen Feinden der Freiheit und des privaten Glücks zum Trotz. Doch dann muß er zusammen mit dem Helden die unheimliche, nachgerade tschechowsche Feststellung machen, daß mit dem Selbstverständlichen, der Gewährung der Freiheit, noch gar nichts gewonnen ist. "Du hast dir vorgegaukelt, daß das, was du nicht haben konntest, das war, was du am meisten begehrtest", flüstert eine innere Stimme Lin zu. Mit einem Mal erscheint ihm seine grundgute erste Frau viel liebenswerter als die zweite, die nun zu erkennen gibt, wie sehr das lange Warten sie zerrüttet und vergiftet hat. Ihm stellt sich die bange Frage, ob er sich mit dem, was ihm als sein Lebensziel erschienen war, womöglich ein weiteres Mal in sich getäuscht hat. Aber so genau weiß er auch das nicht.

Ha Jin: "Warten". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Susanne Hornfeck. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2000. 335 S., br., 30,- DM.

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