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Joyce Johnsons Erinnerungen an ihre Zeit mit dem Kultbuchautor Jack Kerouac sind zugleich das Porträt einer Ära, die zum literarischen Mythos geworden ist - der wilden Jahre der Beatniks.

Produktbeschreibung
Joyce Johnsons Erinnerungen an ihre Zeit mit dem Kultbuchautor Jack Kerouac sind zugleich das Porträt einer Ära, die zum literarischen Mythos geworden ist - der wilden Jahre der Beatniks.
Autorenporträt
Joyce Johnson, geboren 1935, arbeitete als Lektorin, schrieb für den New Yorker, Vanity Fair und Harper's und vier Romane. Ihr Debüt "Come an Join the Dance" gilt als erster weiblicher Beat-Roman. Aber berühmt wurde sie als "Kerouacs Geliebte". Die beiden waren zwei Jahre ein Paar.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.1997

Dreißig Meter Ruhm
Jack Kerouac, Held einer Generation · Von Burkhard Spinnen

Im Juli 1947 bricht der damals fünfundzwanzigjährige Jack Kerouac zu seiner ersten großen Tramp-Tour in den Westen auf, wo er den Freund Neal Cassady treffen will. Es folgen in den nächsten Jahren mehrere solcher Touren, man begegnet Freunden und Fremden, man redet, raucht, trinkt, maßlos und begeistert. Ende 1948 beginnt Kerouac mit der Niederschrift seiner Erlebnisse, sie scheitert; im April 1951 schreibt er dann in nur drei Wochen die erste Fassung von "On the Road" auf eine dreißig Meter lange Papierrolle. Aus Neal Cassady wird Dean Moriarty. Als das Buch schließlich am 5. September 1957 erscheint, erklären es die Kritiker zum Manifest der Beat Generation, es macht den bis dahin weitgehend unbekannten Autor über Nacht zum Medienstar und Dean Moriarty zur Kultfigur.

Die Nacht vom 4. auf den 5. September 1957 verbringt Kerouac in der Wohnung von Joyce Glassmann, einer einundzwanzigjährigen New Yorker Verlagsangestellten. Die beiden kennen sich seit einigen Monaten; ihre allemal lockere Beziehung endet zwei Jahre später ganz. Kerouac schreibt noch eine Fülle weiterer Bücher, ohne den Höhepunkt von "On the Road" wieder zu erreichen, 1969 stirbt er mit siebenundvierzig. Joyce Glassmann heiratet, arbeitet für Zeitschriften, veröffentlicht Romane und gibt an der Columbia University Kurse in Creative Writing. Selbst siebenundvierzig, schreibt sie ihre Erinnerungen an die Zeit vor und mit dem Autor. Und jetzt, da Kerouac fünfundsiebzig würde, ist das Buch in deutscher Übersetzung erschienen.

"Warten auf Kerouac" heißt im Original "Minor Characters", Nebenfiguren. "Zufällig traf ich Kerouac und stand mit ihm für einen Moment im Mittelpunkt der Szene, aber ich habe mich immer als Nebenfigur gefühlt", schreibt Joyce Johnson im Vorwort; sie sei, auch wenn sie mehr gewollt habe, eine Beobachterin geblieben. Diese Ehrlichkeit prägt das Buch. Joyce Johnson stilisiert sich nicht zur Muse oder zur rechtmäßigen Dichterwitwe; sie schildert vor allem ihr eigenes Leben während jener fünfziger Jahre, und sie schildert ein zeitgenössisches Bewußtsein, dem Jack Kerouac und andere Autoren der Beat Generation Ausdruck verschafften.

Joyce Glassmann ist, während Kerouac an "On the Road" arbeitet, ein unauffälliges Mädchen aus einer jüdischen New Yorker Mittelstandsfamilie. Dem einzigen Kind gelten die ehrgeizigen, wenngleich weltfremden Anstrengungen der Eltern; sie hingegen ahnt die rebellische Stimmung der Zeit, und sie fühlt sich angezogen von all jenen, die der Gutbürgerlichkeit entkommen und einen "neuen Sinn" finden wollen. Sie verläßt das College ohne Abschluß, sie zieht von zu Hause weg, sie verstößt heftig gegen die sexuellen Normen ihres Standes; und teils durch ihre eigenen literarischen Ambitionen, teils durch eine Reihe von Zufällen gerät sie in die New Yorker Szene um Allen Ginsberg. Joyce Johnson schreibt keine Abrechnung, vielmehr entsteht aus ihren Erinnerungen ein aufschlußreich zwiespältiges Bild jener Jahre. So schildert sie einerseits den abrupten Umschlag des Beat vom Lebensgefühl in die Mode, andererseits bleibt sie bis in den Stil hinein dem Lebensgefühl der Zeit und den Idealen der Rebellion verbunden.

Grund für solches Sowohl-Als-auch ist aber sicher nicht allein die Distanz. Auf beinahe jeder Seite scheint vielmehr die Erfahrung durch, daß die Freiheit, von der damals jeder sprach, eine Männerfreiheit, daß die erträumte neue Gesellschaft noch immer eine Männergesellschaft und wie risikoreich es für Frauen war, sich auf die Träume der Männer einzulassen. Denn die andere Seite der Freiheit sind Ruhe- und Verantwortungslosigkeit; jede gesteigerte Intensität birgt die Gefahr der Aggression, der Rausch zeigt bald seine zerstörerischen Tendenzen. Alle Frauen aus der Szene geraten in einen Zwiespalt, dem sie nicht heil entgehen: lassen sie die Männer gewähren, so vollzieht sich deren Befreiung auf ihre Kosten, versuchen sie hingegen, ein Mindestmaß an Bindung zu bewahren und die Selbstzerstörung zu bremsen, so gelten sie als bürgerlich und verklemmt. In einem Film, den Kerouac damals macht, sind alle Frauen "als Spielverderberinnen dargestellt".

Das Buch vermag, wie eine erneute Lektüre von "On the Road" (gerade von Coppola verfilmt und von Thomas Lindquist neu ins Deutsche übersetzt), heute wieder jene Stimmung und jene Sehnsucht zu wecken, aus der heraus damals junge New Yorker Intellektuelle zu Tramps wurden. Denn vielleicht, so vermutet Joyce Johnson, ging es ja schon den Beatniks "um das Recht, ein Kind zu bleiben". Und dieser Rechtsanspruch ist längst allgemein geworden.

Joyce Johnson: "Warten auf Kerouac". Ein Leben in der Beat Generation. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Thomas Lindquist. Verlag Antje Kunstmann, München 1997. 279 S., br., 29,80 DM.

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