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"Immer wieder ist es ein Glück Isaak Babel zu lesen." Manfred Papst, Neue Zürcher Zeitung
Isaak Babel ist ein hinreißender Erzähler von Weltrang; menschenfreundlich und liebenswürdig, und doch auf unbestechliche Weise der Wahrheit verpflichtet. Er wurde in finstere Zeiten hineingeboren, geprägt von Kriegen, politischen Umstürzen und antisemitischer Verfolgung. Diesen setzte er ein Werk entgegen, das durch seine menschliche Aufrichtigkeit und seinen künstlerischen Rang besticht. Die hier versammelten Dramen, Drehbücher, Reiseberichte, Erzählungen und sein Tagebuch von 1920 beschreiben Isaak…mehr

Produktbeschreibung
"Immer wieder ist es ein Glück Isaak Babel zu lesen." Manfred Papst, Neue Zürcher Zeitung

Isaak Babel ist ein hinreißender Erzähler von Weltrang; menschenfreundlich und liebenswürdig, und doch auf unbestechliche Weise der Wahrheit verpflichtet. Er wurde in finstere Zeiten hineingeboren, geprägt von Kriegen, politischen Umstürzen und antisemitischer Verfolgung. Diesen setzte er ein Werk entgegen, das durch seine menschliche Aufrichtigkeit und seinen künstlerischen Rang besticht. Die hier versammelten Dramen, Drehbücher, Reiseberichte, Erzählungen und sein Tagebuch von 1920 beschreiben Isaak Babels Weg vom gefeierten Autor der "Reiterarmee" bis zu seinem Ende unter Stalins Terror. Eine zeitlos bewegende Lektüre.
Autorenporträt
Isaak Babel (1894 -1940) wuchs in Odessa auf und zog 1920 mit der Roten Kavallerie des Generals Budjonnyj als Reporter in den Russisch-Polnischen Krieg. Mit dem 1926 veröffentlichten Erzählband "Die Reiterarmee" wurde er zum gefeierten Schriftsteller; dem stalinistischen Terror entkam er dennoch nicht. 1940 wurde er als Staatsfeind erschossen, 1954 rehabilitiert. Bei Hanser erschienen Mein Taubenschlag (Sämtliche Erzählungen, 2014) und Wandernde Sterne (Dramen, Drehbücher, Selbstzeugnisse, 2022).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Rezensent Christian Thomas zollt der Isaak-Babel-Werkausgabe größten Respekt. Die in den zwei Bänden gesammelten und von Bettina Kaibach und Peter Urban übersetzten Texte, im einen Band Erzählungen, im anderen Dramen, Drehbücher und Selbstzeugnisse, bieten tiefe Einblicke in das Leben und Schreiben des in Odessa geborenen jüdischen Autors und Reporters und in seine große Zwiespältigkeit, wie Thomas erklärt: einerseits "ideologisch eingespannt" als Journalist bei der Roten Armee, der über den Polnisch-Sowjetischen Krieg berichtete, andererseits unterschwellig zweifelnd an den brutalen Methoden, sich einer "literarischen Wahrhaftigkeit" nicht verwehren könnend, die der Kritiker vor allem in metaphorischen Ausbrüchen der ansonsten kühlen Berichte angelegt sieht: In einem "schwarzen, aufgequollenen Himmel" etwa zeigt sich ihm das leise Aufrührerische in Babels Prosa, das ihm - aufgebauscht freilich zum Spionagevorwurf - schließlich sein Leben kostete. Wie Kaibachs und Urbans punktgenaue Übersetzungs- und "akribischste" Herausgabearbeit nicht nur in den Berichten, sondern auch in den Erzählungen über die mafiösen Strukturen im Moldawanka-Quartier Odessas, Babels unverwechselbare Stimme und seine "revolutionsrote Bewusstseinsspaltung" der Leserschaft näherbringt, findet der Kritiker höchst verdienstvoll.

© Perlentaucher Medien GmbH…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.06.2022

Wir sind die Avantgarde, aber wovon?

Ungeeignet für jeden Versuch politischer Vereinnahmung: Der Band "Wandernde Sterne" zeigt die Vielfalt von Isaak Babels Werk.

Im Jahr 2012 initiierte Wladimir Putin einen nationalen Lesekanon für Schüler mit einhundert Titeln, vornehmlich Klassiker der russischen und sowjetischen Literatur. Mit Verweis auf die angebliche Existenz solcher Empfehlungen an amerikanischen Universitäten sollte dem ein russisches Pendant entgegengesetzt werden. Auf der russischen Liste fehlen Pasternak und der Nobelpreisträger Brodsky ebenso wie die Dichtung Ossip Mandelstams, auch Tolstois "Krieg und Frieden" sucht man vergeblich. Dafür steht neben dem Weißrussen Wassil Bykau oder dem Kirgisen Dschingis Aitmatow der Name Isaak Babels mit seinen Prosazyklen "Die Reiterarmee" und den "Geschichten aus Odessa".

Ob Babel heute noch in dieser recht abstrusen Liste auftauchen würde, kann bezweifelt werden. Seine Erzählungen über die an Juden verübten Gräueltaten der Armee General Budjonnys im russisch-polnischen Krieg 1920 und der für die Bolschewiki unglückliche Ausgang des Krieges - eine Eroberung Polens und der Westukraine sowie die Ausdehnung der Revolution nach Europa scheiterten kläglich - könnten gefährliche Parallelen bei Lesern wachrufen. Überhaupt eignet sich das Werk des 1894 als Sohn jüdischer Händler im damals multikulturellen Odessa geborenen und im Januar 1940 von Stalins Schlächtern im Moskauer Lubjanka-Gefängnis ermordeten Autors ganz und gar nicht für kulturpolitische Vereinnahmungen.

Babels Erzählwerk ist in einer wundervoll edierten Ausgabe 2014 bei Hanser neu erschienen, jetzt liegen in einem zweiten Band seine Dramen, Drehbücher und Selbstzeugnisse in zum Teil neuer Übersetzung vor, mit informativem Anhang und einem Nachwort, das Autor und Werk in den historischen Zusammenhang einordnet. Babels hybride Kunstsprache, die Jargon, Jiddisches, lokale Dialekte und russische Hochsprache mischt, wurde von Bettina Kaibach großartig ins Deutsche hinüberjongliert.

Der Band gibt Einblicke in die Vielfalt des Schaffens dieses Meisters der "stilistischen Kaltschnäuzigkeit" (Schklowski) und in die Werkstatt eines Perfektionisten, der seine kurzen Texte bearbeitete wie Rohdiamanten, sein Schaffen als die "Geschichte eines Adjektivs" bezeichnete, das bedeutungsschwer, einfach und schön zugleich sein sollte. Sie demonstrieren auch den tragisch endenden Balanceakt eines jüdischen Schriftstellers russischer Sprache und Anhängers der Revolution, der für die "Gewesenen" mehr Sympathie empfand, als erlaubt und ihm zuweilen selbst lieb war, und der sich schwertat, das Gewesene auf der Müllhalde der Geschichte zu entsorgen und das Jetzige bedingungslos zu akzeptieren.

"Unsere Helden sind furchtbare Menschen", heißt es in den Skizzen zur "Reiterarmee", die aus seinem Kriegstagebuch destilliert wurden. "Wir sind die Avantgarde, aber wovon?", schreibt er im Tagebuch, das seine Hilflosigkeit gegenüber der Verrohung und Niedertracht in Budjonnys Truppen schildert. Ohne Vergleiche und historische Parallelen zu schreiben war sein Credo, einfach erzählen, Bilder in Worte verwandeln, diametral der Methode Tolstois entgegengesetzt. Tolstoi, so Babel, könne alle vierundzwanzig Stunden eines Tages beschreiben, er nur die interessantesten fünf Minuten.

Mit seinen "Geschichten aus Odessa" und der "Reiterarmee" war Babel mit kaum dreißig Jahren zur Ikone der neuen russischen Literatur aufgestiegen und erlangte international Renommee. Doch seine Stellung als anerkannter Schriftsteller blieb stets gefährdet, nicht nur, weil Budjonny, ein Vertrauter Stalins, den Kriegszyklus von Anfang an öffentlich kritisiert hatte. Mit dem politischen Sieg Stalins und der Totalisierung von Ökonomie und Kulturpolitik zog sich auch für Babel, dessen Familie im Exil lebte, die Schlinge immer enger um den Hals.

Der stets in finanziellen Nöten steckende Vater dreier Kinder von drei verschiedenen Frauen in zwei verschiedenen Ländern versuchte sich als Drehbuchautor und Dramatiker. Seine Sujets wurden düsterer, das jüdische Thema, für Babel zentral, galt schon bald als überkommenes Relikt bourgeoiser Gesellschaften. In der Kinoerzählung "Benja Krik" muss der Autor seinen legendären Helden aus Odessa, den jüdischen Gangster und Profiteur der zusammenbrechenden Ordnung, von einem Politkommissar mit den Worten erschießen lassen: "Sei mir nicht böse, Benja . . . Wir haben uns gut vertragen." Das menschelnde Ganoventum war den brachialen neuen Machthabern ein Dorn im Auge.

Im titelgebenden Drehbuch "Wandernde Sterne" (1926) nach Motiven einer Novelle von Scholem Aleichem emigriert ein jüdisches Künstlerpaar aus dem vorrevolutionären Russland in den Westen, wo der kapitalistische Moloch den Geiger Rodgaj verschlingt, während seine Partnerin Rachil Rache übt und zurück in die Heimat flieht. In der gleichnamigen Kinoerzählung findet sie nach der Revolution im Moskauer Hotel "Russland" kein Obdach mehr. Die Herbergsbesitzer werfen sie auf die Straße, nachdem ihr sowjetischer Pass ihre jüdische Herkunft enttarnt. Die Juden, so liest man zwischen den Zeilen, hatten für die Bolschewiki ihre Schuldigkeit getan.

Im Drama "Marija" (1935) harrt die Familie des Offiziers Mukovnin im revolutionären Petrograd aus. Der Vater hofft, sich der neuen Macht mit Büchern über Fehler zaristischer Militäroperationen anzudienen, doch die interessieren sich nur für das Heute. Als die Tochter Ljudmilla vom Komplizen einer Schieberbande vergewaltigt und, mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt, im Gefängnis landet, hofft Mukovnin auf die Hilfe seiner zweiten Tochter Marija. Die hatte sich der Revolutionsarmee angeschlossen, doch sie, die die hehren, unbefleckten Ideale verkörpert, taucht im Stück nie auf. Stattdessen schreibt sie von der Front, wo sie auf Ukrainer trifft, deren Kultur "das offizielle Russland jahrhundertelang unterdrückt und erniedrigt" habe, und dass man in Petersburg vom Volk so weit entfernt sei wie "Polynesien". Am Ende müssen die alten Bewohner ihre Wohnung zugunsten einer Proletarierfamilie räumen. Der schwangeren Arbeiterin ist es in den ungewohnt großen Zimmern ungemütlich, sie hat mit Blick auf ihre "engen Knochen" Angst vor der Geburt, doch der Gatte beschwichtigt: "Erst kriegste da drinnen einen Mordsdruck auf die Adern, dann reißts dich auseinander, und hinterher kennste dich selbst nicht wieder." Die Arbeiterknochen, die werde man schon weich kriegen.

Das Stück wurde in der Sowjetunion nie aufgeführt. 1936 starb Maxim Gorki, der stets eine schützende Hand über seinen Protegé gehalten hatte. Im Mai 1939 wurde Isaak Babel unter den damals üblichen absurden Anschuldigungen verhaftet. Das unter Folter erzwungene Geständnis widerrief der Autor in der nur wenige Minuten dauernden Gerichtsverhandlung. Sein Todesurteil hatte der Diktator da schon längst unterschrieben. Sie haben es mich nicht beenden lassen, soll Babel verzweifelt gerufen haben. Was dies gewesen sein könnte, wird man vermutlich nie erfahren. Zwei Dutzend Ordner, die der NKWD bei Babel beschlagnahmt hatte, sind bis heute verschollen. Das letzte Foto aus dem Gefängnis zeigt den sichtbar Gefolterten ohne seine charakteristische Brille. Unter den konfiszierten Gegenständen fanden sich zwei Brillen, vier ausländische Zeitungen, Zahnbürste und Zahnpasta, eine Seifendose und eine Badewannenente. Weiß der Teufel, so die New Yorker Autorin Elif Batuman in einem wunderbaren - im Netz leicht auffindbaren - Essay, wohin diese Ente nach drei Monaten in Stalins Foltergefängnis gelangt sein könnte. Isaak Babel, das sind zwei Bände Weltliteratur, die Tragik eines politischen Hochseilakrobaten und Rätsel über Rätsel. SABINE BERKING

Isaak Babel: "Wandernde Sterne". Dramen, Drehbücher, Selbstzeugnisse.

Aus dem Russischen von Bettina Kaibach und Peter Urban. Hrsg. von Urs Heftrich und Bettina Kaibach. Hanser Verlag, München 2022. 840 S., geb., 38,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"[Babels] Werk überzeugt - ähnlich wie dasjenige von Albert Camus - ebenso durch seinen literarischen Rang wie durch die humanistische Haltung des Autors." Manfred Papst, Neue Züricher Zeitung, 26.06.2022

"Isaak Babel, das sind zwei Bände Weltliteratur, die Tragik eines politischen Hochseilakrobaten und Rätsel über Rätsel." Sabine Berking, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.06.2022