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Walter Benjamin is often viewed as a cultural critic who produced a vast array of brilliant, idiosyncratic pieces of writing with little more to unify them than the feeling that they all bear the stamp of his "unclassifiable" genius. Eli Friedlander finds an overarching coherence and a deep-seated commitment to engage the philosophical tradition.

Produktbeschreibung
Walter Benjamin is often viewed as a cultural critic who produced a vast array of brilliant, idiosyncratic pieces of writing with little more to unify them than the feeling that they all bear the stamp of his "unclassifiable" genius. Eli Friedlander finds an overarching coherence and a deep-seated commitment to engage the philosophical tradition.
Autorenporträt
Eli Friedlander
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.11.2013

Einheit im Verschwommenen
Eli Friedlander will das Werk Walter Benjamins vor der Zerstückelung retten
Große Künstler und Denker werden nach ihrem Tod Objekte von Interpretationskulturen. Je uneindeutiger das hinterlassene Werk, je facettenreicher die Persönlichkeit seiner Schöpferin oder seines Autors, desto vielfältiger die Auslegungskunst. Auf Walter Benjamin trifft dies in besonderem Maße zu. Er wird von Philosophie, Gesellschaftstheorie, Ästhetik, Literatur- und Filmtheorie, politischer Theorie, gar Theologie reklamiert. Einzig die Geschichtswissenschaft verweigert sich der kritischen Aneignung Benjamins. Im Blick von außen erscheint ein kaleidoskopischer Denker, der zugleich Literaturkritiker, Philosoph, politischer Agitator, Kulturtheoretiker, Medienpionier und potenzieller Revolutionär war.
  An dieser Stelle setzt Eli Friedlander, Philosoph an der Universität Tel Aviv, an. Um Benjamin vor der akademischen Zerstückelung zu retten, möchte der Autor die „philosophische Armatur“ freilegen, „die seine Schriften zusammenhält und zugleich einen Maßstab zur Beurteilung des Gewichts einzelner Momente in ihnen“ liefert. Er präsentiert ein „philosophisches Porträt“, das von einer einheitlichen Quelle in Benjamins Denken ausgeht.
  Es gehört Mut oder eine gehörige Portion Unbefangenheit dazu, einen solchen Ansatz zu wählen und sich an den seit vielen Jahren immer wieder neu entzündenden Debatten über die Bedeutungsebenen von Benjamins Denken vorbei auf einen eindeutigen philosophischen Korpus zu orientieren. Friedlander bringt eine solide theologische Kenntnis und Vertrautheit mit der jüdischen Mystik mit. Er weiß, wovon er spricht, wenn er das Wort „Offenbarung“ verwendet.
  Scheinbar paradox, wählt der Autor das in höchstem Maße fragmentarische „Passagenwerk“ aus dem Nachlass Walter Benjamins zum Zentrum seiner Untersuchung. An dieser umfangreichen, hunderte von Seiten umfassenden Sammlung von Reflexionen und Exzerpten arbeitete Benjamin über einen Zeitraum von etwa fünfzehn Jahren. Die Notate sind der Geschichte der Stadt Paris unter den unterschiedlichsten Blickwinkeln gewidmet: Architektur, industrielle Materialien und Techniken, kapitalistische Warenwirtschaft, Revolte und Utopie, Traum und Prostitution, Interieur und Straßen, Literaturgeschichte und Literatur (Baudelaire!) und weitere, scheinbar abseitige Erscheinungen des Pariser Lebens im neunzehnten Jahrhundert. Nicht zu vergessen die dort gesammelten Notizen zur Erkenntnismethode.
  Mehrere Buchexposés sind während dieser Zeit aus dem Konvolut hervorgegangen, doch ein Buch wurde nie geschrieben. Friedlander nun will „das Passagenwerk als den Brennpunkt . . . nutzen, in dem Benjamins Denken zu einer Totalität gebündelt wird“. Neben dem „Passagenwerk“ werden gelegentlich weitere Texte aus verschiedenen Schaffensperioden Benjamins herangezogen.
  Der Autor wählt neun thematische Zugänge: Sprache, Bild, Zeit, Leib, Traum, Mythos, Rettung und Eingedenken. Entlang dieser Zugänge möchte der Autor zentrale Achsen in Benjamins Denken erkennbar machen. Methodisch ist dieser Ansatz riskant, da er dazu verleitet, Thematiken und Begriffe aus ihrem Zusammenhang herauszulösen, ohne Rücksicht auf den historischen Kontext oder auf markante Verschiebungen im Denken Benjamins.
  Der Nachteil einer solchen Vorgehensweise zeigt sich, wenn die Interpretation zu kurz greift, so im Kapitel über den Mythos, in dem das Weiterleben des Autors im Werk thematisiert wird, obwohl das transzendierende Moment des Werkes bei Benjamin eher vom Übersetzer/Kritiker in seinem Verhältnis zum Werk ausgeht.
  Im Abschnitt über den Leib erweist sich, dass der paraphrasierte Text, das frühe Fragment „Schemata zum psychophysischen Problem“ aus einer Zeit stammt, als Benjamin noch nicht jene „monadologische“ Methode verwendete, wie man sie aus seinen Schriften von „Einbahnstraße“ bis „Passagenwerk“ kennt, sondern eher einem postplatonischen Dualismus folgte.
  Im Kapitel über Baudelaire, in dem Friedlander über die Nähe von Allegorie und Ware bei Benjamin nachsinnt und damit einen Bogen zur Habilitationsschrift „Ursprung des deutschen Trauerspiels“ spannt, wird endlich der kapitalistische Strukturzusammenhang benannt, dessen Ausdruck in der Kultur Benjamin nachspürt. Friedlander argumentiert freilich, als wenn es sich dabei um einen philosophischen Diskurs handele, und nicht um jenen radikalen „Umschmelzungsprozeß“, in dem Benjamin die Beziehung zwischen Erfahrung, Erkenntnis und Praxis zu ergründen sucht. Einige Aspekte bleiben verschwommen, so etwa das Verhältnis von Flaneur und gesellschaftlicher Masse in Baudelaires Poesie. Dem Autor gelingt es nicht, die Ambivalenz in Benjamins Gedankenführung sichtbar zu machen. Der nämlich hebt heraus, dass Dichter wie Charles Baudelaire oder Edgar Allan Poe gleichermaßen geschockt und fasziniert vom Auftreten der modernen Massen waren, deren Aufkommen zugleich das Ende ihrer Existenz bedeutete, in der Literatur wie im Leben.
  Benjamins Traumbegriff wird auf eine mentale Leistung reduziert; dabei hat sich Benjamin jahrelang intensiv mit dem surrealistischen Denken beschäftigt. Auch seine im Blick auf die Erweiterung des Erfahrungs- und Denkraums betriebenen Drogenexperimente wären in diesem Kontext äußerst bedeutsam, kommen aber nicht zur Sprache.
  Die letzten beiden Kapitel – über Rettung und Eingedenken – widmen sich einer Seite Benjamins, die dem Autor sehr angelegen ist. Dort erörtert er Benjamins geschichtskritischen Gedanken von der Rettung des Vergangenen in der Gegenwart. Doch so sehr der Autor auch Benjamin folgt, wenn dieser argumentiert, diese „Rettung“ sei nicht durch Einfühlung in die Vergangenheit (wie im Historismus), sondern durch den konstruierten Zusammenprall des „Gewesenen“ mit dem „Jetzt“ herbeizuführen, so fällt er hinter ihn zurück, wenn es darum geht, dass das Jetzt nicht einfach die gegebene Realität ist, sondern diese des revolutionären Schocks erst noch bedarf. Dieser Schock aber ist bei Benjamin nicht nur eine erkenntnistheoretische Konstruktion, sondern beinhaltet auch tatsächliches Handeln. Diese Konsequenz aber verweist der Autor auf ein anderes Blatt, das er freilich nicht beschreibt.
  In diesem „philosophischen Porträt“ erscheint Benjamin als eine von allen Desastern der Geschichte, allen verstörenden Erfahrungen des individuellen Lebens befreite Denkergestalt, die zentrale Bausteine zu einer philosophischen Lehre hervorgebracht hat. Man fragt sich am Ende, ob hier nicht jene idealistische Geschichtsschreibung durch die Hintertür wieder hereinkommt, die Benjamin seit seinem Essay über „Goethes Wahlverwandtschaften“ so scharf kritisiert hatte. Und ergibt sich nicht Benjamins irritierende Aktualität eher aus dem Scheitern seiner Hoffnung auf eine „einheitliche Lösung“?
ANTONIA GRUNENBERG
Eli Friedlander : Walter Benjamin. Ein philosophisches Porträt. Aus dem Englischen von Christa Krüger. Verlag C.H. Beck, München 2013. 317 Seiten, 26,95 Euro. E-Book 21,99 Euro.
Walter Benjamin (1892-1940).
Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1926.
FOTO: BPK / GERMAINE KRULL
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