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Der erste Roman der spanischen Premio-Nadal-Preisträgerin Lucia Etxebarria in deutscher Übersetzung. Frech, direkt und provozierend beschreibt die Autorin den Kampf dreier Frauen um ihre Identität. In Rückblicken und Dialogen folgt sie den Lebensläufen dreier sehr verschiedener Schwestern auf der Suche nach etwas Lebenswertem.

Produktbeschreibung
Der erste Roman der spanischen Premio-Nadal-Preisträgerin Lucia Etxebarria in deutscher Übersetzung. Frech, direkt und provozierend beschreibt die Autorin den Kampf dreier Frauen um ihre Identität. In Rückblicken und Dialogen folgt sie den Lebensläufen dreier sehr verschiedener Schwestern auf der Suche nach etwas Lebenswertem.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.12.1998

Schwestern unter Strom
Lucía Etxebarría beschreibt drei Frauen im modernen Madrid

Die 1966 geborene, aus dem Baskenland stammende Lucía Etxebarría hat in diesem Jahr für ihren Roman "Beatriz und die himmlischen Körper" den angesehenen Premio Nadal erhalten. Ein Jahr zuvor erschien ihr in Spanien vielbeachteter Roman "Von Liebe, Neugier, Prozac und Zweifel", der jetzt auf deutsch vorliegt. Interessant erscheint zunächst der formale Aufbau des Buches: Anhand der Buchstabenreihenfolge des Alphabets werden Themenfelder entworfen - von "A wie die Atypische" bis "Z wie Zenit" -, in deren Rahmen sich drei ungleiche Schwestern bewegen, die in Madrid wohnen. In wechselnden Monologen und Rückblenden analysieren die drei jungen Frauen ihr Leben und ihre Vergangenheit. Ein Mosaik entsteht, dessen Farbe und Kontur im Verlauf des Werks immer deutlicher sichtbar wird.

Cristina, die jüngste und attraktivste, verdient ihren Lebensunterhalt als Kellnerin in einer Szenebar und schreibt nebenher an ihrer Doktorarbeit. Seit Jahren betäubt sie sich mit Drogen, Musik und Sex, der regelmäßige Gang zum Psychotherapeuten bleibt erfolglos. Ihr letzter Freund, an den sich die im Chaos Versinkende mit aller Macht klammerte, hat sich der zunehmend destruktiven Beziehung entzogen.

Rosa, die zweitälteste, ist das Wunderkind der Familie und hat sich vor den Unsicherheiten der Lebenswelt in eine unterkühlte Hyperrationalität geflüchtet. Sie ist eine streng methodisch vorgehende Karrierefrau, die sich mit der amerikanischen Wunderdroge Prozac über Wasser hält.

Ana, die älteste, war immer die stumme Dienerin der Familie und übernahm früh die haushälterischen Pflichten der geschiedenen und berufstätigen Mutter. Rasch band sie sich an einen erfolgreichen Studenten aus gutem Hause, mit dem sie eine mustergültige Ehe führte. Seit einiger Zeit bekämpft auch sie ihre Depressionen mit einem Cocktail von Medikamenten und Alkohol.

Die meisten Kapitel sind Cristina gewidmet, die fest im subkulturellen Milieu des modernen Madrider Nachtlebens mit seinen Diskotheken und Drogenumschlagplätzen verwurzelt ist. Lucía Etxebarría, die eine Biographie über die Rockmusikerin Courtney Love veröffentlicht hat, erweist sich hier als Kennerin der Sprache, Musik und Kleidungscodes der Szene. Zum Vergnüglichsten gehören die Dialoge Cristinas mit ihren beiden Freundinnen Gema und Line, in denen in einem aberwitzigen Argot über die selbstgefällige Präpotenz zumeist unfähiger Liebhaber hergezogen wird. Ralph Amann zeigt sich der nicht ganz einfachen Aufgabe der Übersetzung derartiger Szenen gewachsen, auch wenn ihm gelegentlich kleinere Fehler unterlaufen. Trotz des Szenekolorits ist das zentrale Motiv das der weiblichen Identität in der männerdominierten Gesellschaft Spaniens. Die Autorin, die sich als Feministin versteht, will die Probleme der jungen Frauen auf eine gefühllose und zynische Männerwelt zurückführen: Cristina und Ana wurden mißbraucht und vergewaltigt; der asexuell auftretenden Rosa werden die Karriereregeln für Frauen und die unterstellten Submissionsbedürfnisse der meisten Männer zum Verhängnis. Schon die Mutter wurde vom Vater geschlagen, mißachtet und über Nacht verlassen.

Auch an der Kritik der paternalistischen Strukturen des Katholizismus - die drei Mädchen werden in einer kirchlich geleiteten Schule unterrichtet - darf es nicht fehlen. Das ist stereotyp, einiges wirkt schlicht überflüssig. Die Probleme der drei Schwestern wären auch ohne solche Traumata begreifbar.

Der Roman will comicartig überzeichnender Szeneroman und ernsthafter feministischer Beitrag zugleich sein. Man kann dies im Sinne einer postmodernen und mithin modisch anmutenden Entgrenzung lesen oder aber doch als bedenkliche Unschlüssigkeit einer Autorin, die sich weder für eine einheitliche Stil- noch Deutungsebene entscheiden kann. Bedeutungsschwangere Selbstreflexion in gehobener Tonlage und schnoddriger Slang vermengen sich zumindest in der Gestalt Cristinas beständig auf irritierende Weise. Der Roman endet hoffnungsvoll. Denn schließlich weicht die Sprachlosigkeit der drei Schwestern, die in den anderen beiden immer nur das ganz Andere, Fremde erkannt hatten, ersten Verständigungsversuchen. Auf der vorletzten Seite fällt aus dem Munde Cristinas der entscheidende Satz, die Bestätigung dessen, was der Leser von Anfang an vermutet hatte: "Wenn durch unsere Venen dasselbe Blut desselben Vaters und derselben Mutter fließt, wieso sollten wir dann so verschieden sein? Wer sagt uns denn, daß wir am Ende nicht ein und dieselbe Person sind?" Auch die Pointe im Schlußsatz ist überdeutlich: Obwohl ihre Mutter bezeichnenderweise Eva heißt, schließt der Roman mit dem Wunsch Cristinas, die Schwestern mögen wie die Töchter Liliths sein, gemäß der Tradition des Talmuds die erste Frau Adams, die nicht aus seiner Rippe, sondern ihm gleichberechtigt von Gott erschaffen wurde. Lucía Etxebarría mag ein gewichtiges Anliegen haben, doch mit diesem Roman hat sie sich es etwas zu leicht gemacht. KLAUS GAUGER

Lucía Etxebarría: "Von Liebe, Neugier, Prozac und Zweifel". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Ralph Amann. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1998. 312 S., geb., 39,80 DM.

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