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Drei Gauner ziehen im Jahr 1000 durch Italien, treffen auf Mönche, Frauen und wilde Tiere, entkommen der Pest und dem Scheiterhaufen. Und haben dabei nur eins im Sinn: Hunger! Essen! Trinken! Ein Schelmenroman, komisch und voller Überraschungen, auch für fortschrittliche Geschöpfe im 21. Jahrhundert.Nach einer Schlacht bleiben als einzige Überlebende zwei Freunde und ein Feind übrig: Carestia und Pannocchia verstecken sich im Brunnen, Millemosche von der Gegnerseite in seiner Ritterrüstung. Hungrig ziehen sie los, überstehen abenteuerliche Verfolgungen, Magenknurren wie Halsdürre, und werden…mehr

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Produktbeschreibung
Drei Gauner ziehen im Jahr 1000 durch Italien, treffen auf Mönche, Frauen und wilde Tiere, entkommen der Pest und dem Scheiterhaufen. Und haben dabei nur eins im Sinn: Hunger! Essen! Trinken! Ein Schelmenroman, komisch und voller Überraschungen, auch für fortschrittliche Geschöpfe im 21. Jahrhundert.Nach einer Schlacht bleiben als einzige Überlebende zwei Freunde und ein Feind übrig: Carestia und Pannocchia verstecken sich im Brunnen, Millemosche von der Gegnerseite in seiner Ritterrüstung. Hungrig ziehen sie los, überstehen abenteuerliche Verfolgungen, Magenknurren wie Halsdürre, und werden dennoch den grimmigen Gesellen Hunger nicht los.Auf der lebendigen Kuh zeichnen die drei bereits die Teile ein, die sie verspeisen wollen, da kommt das ganze Dorf mit Heugabeln gelaufen. Die letzte Rettung scheint eine Frau mit Hühnern. Allein im Streit darüber, wer die Frau und wer die Hühnereier bekommt, müssen sie wieder hungrig davonziehen.Erzählt werden die Abenteuer der drei in der ironisch althergebrachten Sprache, die Luigi Malerba in »Pataffio« so meisterhaft vorgeführt hat - höchst lebendig in Szene gesetzt von der dialogischen Kunst Tonio Guerras.
Autorenporträt
Luigi Malerba (eigentlich Luigi Bonardi) wurde am 11. November 1927 in Berceto bei Parma geboren. Er gehörte zu den Gründern der Gruppe 63, schrieb Theaterstücke, Drehbücher, Erzählungen und Romane. Der phantasievolle Geschichtenerzähler, der zu den wichtigsten zeitgenössischen Autoren Italiens zählt, lebte in Rom und Orvieto. 2008 verstarb Luigi Malerba.

Tonino Guerra, geboren 1920 in Santarcangelo di Romagna, ist Schriftsteller, Lyriker, Drehbuchautor. Er lebt in Pennabilli in der Emiglia-Romagna.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.1996

Irgendwie mittelalterlich
Malerba und Guerra über das Jahr tausend · Von Dirk Schümer

Einen Roman schreiben wie eine gute Pasta kochen - geht das? Luigi Malerba und Tonino Guerra haben es versucht: ein einfaches, aber bewährtes Rezept, einige wenige, aber gute Zutaten, die punktgenaue Garzeit und eine appetitliche Zubereitung. Fertig. "Von dreien, die auszogen, sich den Bauch zu füllen" handelt von Seite 1 bis Seite 186 vom Essen, und zwar, weil die drei Helden des Romans nichts zu beißen haben. Also schaffen sie Literatur, indem sie sich die leckersten Gerichte vorstellen, indem sie sich den Geschmack und das Aroma ausmalen, indem sie sich wenigstens Worte auf der Zunge zergehen lassen, während im Bauch der Hunger nagt. So überleben sie.

Die Handlung spielt im Jahr tausend - in einer Zeit furchtbarer Hungersnöte fürwahr. Der Mönch Radulf Glaber berichtete in seinen Historien, geschrieben nach 1025, gar von Fällen von Kannibalismus. Doch die Jahreszahl bedeutet für das Autorengespann Malerba/Guerra ohnehin nur eine grobe Einordnung. Das Mittelalter, das die drei Helden Pannocchia, Carestia und Millemosche nach Eßbarem durchkämmen, ist eine vage Landschaft, deren Beschreibung auch auf das Jahr 700, das Jahr 1350 oder das Jahr 2100 passen könnte. Sogar auf das Jahr 1996, dann allerdings eher auf Länder wie Burundi oder Liberia als auf Italien. Einigen wir uns darauf: Das Buch spielt in der fernen Epoche der Poesie, also immer und überall, also hier und heute.

Die beiden Autoren lassen ihre Hungerleider vom spätmittelalterlichen Glanz des Rittertums schwadronieren, bei der Belagerung einer Burg mitmachen und führen sie sogar mit einem leibhaftigen König zusammen, den sie auf seinem verschneiten Schloß kennenlernen. Auch Hexen, mit deren Verbrennung sinnigerweise die Neuzeit begann, werden kurz erwähnt. Historische Korrektheit ist das Anliegen dieses Werkes nicht. Sogar ein Indianer kommt, lange vor seiner Entdeckung, kurz ins Bild. Und gleich zu Anfang wollen Carestia und Pannocchia ein Pferd "zu Steaks" verarbeiten. Immerhin also macht sie der Hunger hellsichtig für Zubereitungsmethoden späterer Zeiten.

Nein, dieser historische Roman ist nicht mit einer kulturwissenschaftlichen Bibliothek im Rücken erarbeitet worden, wie das ein berühmteres italienisches Autorenduo, die Krimiautoren Fruttero und Lucentini, in ähnlichen Fällen zu machen pflegte. Malerba und Guerra dagegen haben aus ihrem Wissensfundus zum Mittelalter einfach herausgepickt, was ihnen gerade gefiel, und daraus eine simple Story gebastelt: Ihre drei hungrigen Helden stolpern von einem Schlamassel ins nächste. Ihr einziges Ziel, Sättigung, wird ihnen dabei von den Autoren beinahe sadistisch verwehrt. Statt dessen gibt's alle naselang Prügel. Eine Clownsgeschichte im mittelalterlichen Lumpengewand also, voller Slapsticks und Nonsensdialoge. Malerba und Guerra müssen Fans von Laurel und Hardy sein.

Wir lernen also wenig über die Lage des Abendlandes im Jahre tausend, dafür aber bedenkenswerte Lebensweisheiten, etwa über den Hunger. So stellen Pannocchia und Carestia irgendwann fest, daß man ohne Magen auch keinen Hunger leide. Das wahre Problem ist also der Magen. Aber was wäre das schon für ein Leben ohne Magen?

Auch für die Freunde der Architektur ist eine Parabel dabei: Um der kriegerischen Unbill ihrer Zeit zu entgehen, bauen sich unsere Helden ein Häuschen ohne Fenster und ohne Türen. Aber ach, das Unglück kommt durchs Dach. Ähnliche Exempel hat Malerba auch in seinen "Geschichten vom Ufer des Tibers" aus dem Jahr 1993 konstruiert, in denen er einen Penner zum Vorsokratiker adelte, oder in "Die nachdenklichen Hühner", Malerbas 1991 erschienenen Lehrgeschichten vom Misthaufen.

Die assoziative und damit wieder irgendwie mittelalterliche Schreibweise der beiden Autoren zeigt sich regelmäßig, wenn die Helden eines ihrer Halbabenteuer unehrenhaft beendet haben und ausgehungert irgendwo herumliegen, die Geschichte also bedrohlich stillesteht. Aber da gibt es dann "diese Biegung, die hinter einem Röhricht verschwindet, doch das Röhricht hat keine Bedeutung, wichtig ist die Biegung". Und schon bahnt sich die Sprache ihren Pfad: "Wäre die Biegung in Afrika, könnte ein Tiger daherkommen, doch glücklicherweise sind wir nicht in Afrika. Mit ein wenig Glück könnte statt dessen ein Wagen voll mit herrlichen Dingen zum Essen daherkommen, doch von denen ziehen während des gesamten Mittelalters höchstens fünfe oder sechse vorbei, und daher ist es besser, einfach nicht weiter daran zu denken."

Solche verquere Logik lebt von den absurden Fallgeschichten des russischen Hungerleiders Daniil Charms. Oder von Becketts trockenen Unsinnsdialogen. Oder von Pirandellos erzähltheoretischen Fabelwelten. Oder vom spanischen Picaro-Roman. Oder von humanistischen Schwänken. Oder von antiken Exempla. Oder, der Titel spielt deutlich darauf an, von den Märchen der Gebrüder Grimm. Schon die sprechenden Namen Millemosche (tausend Fliegen), Carestia (Hungersnot) oder Pannocchia (Maiskolben) spielen mit der Gattung der Allegorie. Die Autoren, die so souverän den Sinn abstürzen lassen, während sich ihre Helden an der Handlung entlanghangeln müssen, zehren also trotz ihrer bewußten Stilbrüche von historischem Wissen. Nur beuten sie eben keine Quellenstudien aus, sondern die Fundgrube der Weltliteratur.

Man kann sich gut vorstellen, wie die beiden Autoren, als sie das Buch 1968 schrieben, sich phantasievoll - wie bei der stillen Post - von einer Handlungsvolte zur nächsten, noch anarchischeren weitergetrieben haben. Ähnlich poetisch, wenn auch im Alleingang hat das damals Italo Calvino mit seinem "Baron in den Bäumen" oder seinem "Geteilten Visconte" getan. So ist dieses Buch, dessen altertümliche Wendungen der Übersetzer Moshe Kahn in ein herrlich verschrobenes Deutsch übertragen hat, eine gültigere Erinnerung an eine spielerische Postmoderne, die damals, Gott sei Dank, noch nicht wußte, daß sie unter diesem blöden Stichwort später einmal rubriziert werden sollte. Warum aber mehr als ein Vierteljahrhundert verstreichen mußte, bevor dieser "Roman aus dem Jahr tausend" ins Deutsche übersetzt wurde, weiß vielleicht noch nicht einmal der Wagenbach Verlag, der sich seit vielen Jahren intensiv um das Werk Luigi Malerbas in Deutschland kümmert.

Insofern gleicht die karge, clowneske Handlung, die oft Tonino Guerras Handschrift als Drehbuchschreiber Fellinis zeigt, späteren historischen Romanen Luigi Malerbas. Ob er in "Die nackten Masken" das Rom der gewissenlosen Renaissance-Päpste evoziert oder in "Das Griechische Feuer" im Innern des byzantinischen Kaiserpalastes das System jeder Schreckensherrschaft bloßlegt - immer bedeuten für diesen hochgelehrten Autor die Fakten nichts als Kulisse. Alles Wissen wird erst durch die Kraft des Fabulierens lebendig, wie sie vor allem Malerba in hohem Grade gegeben ist. Seine Historienromane transzendieren die komplizierte Faktenfülle und legen dabei einen simplen Humanismus frei, wie ihn auch unsere drei Freunde vorführen, während sie versuchen, sich den Bauch vollzuschlagen und einigermaßen ungeschoren davonzukommen.

So gesehen, ist das poetische Jahr tausend für diesen Roman eine gute Wahl. Die Kriegsgreuel dieser Jahre sind leider zeitlos, und die Furcht vor dem Weltuntergang, die man diesem Jahrgang gerne andichtet, wird auch immer aktueller. Die Untergangspredigt, wenn sie denn demnächst irgend jemand halten will, sollte sich folgender unübertrefflicher Formulierungen Guerras und Malerbas bedienen: "Der gewaltige Zorn des Allmächtigen kommt über das Universum. Dann werden die Sonne und der Mond sich verfinstern. Alle fliegenden Vögel werden auf die Erde stürzen, und das Wasser wird brennen, wie wenn es Wachs wäre, und sterben werden alle Fische, einschließlich des Kabeljaus, der Sardine und der Flunder."

Luigi Malerba/Tonino Guerra: "Von dreien, die auszogen, sich den Bauch zu füllen". Roman aus dem Jahre 1000. Aus dem Italienischen übersetzt von Moshe Kahn. Wagenbach Verlag, Berlin 1996. 186 S., geb., 29,80 DM.

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