Produktdetails
  • Verlag: Pattloch
  • 1997.
  • Seitenzahl: 47
  • Abmessung: 240mm
  • Gewicht: 435g
  • ISBN-13: 9783629007261
  • ISBN-10: 3629007260
  • Artikelnr.: 08131422
Autorenporträt
Dr. Dorothea Baun ist wissenschaftliche Mitarbeiterin von Prof. Dr. Andrea Göppel-Klein am Lehrstuhl für ABWL, insbesondere Internationales Marketing der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.02.1995

Traurige Männer verschwinden
Kaye Gibbons plädiert für einen starken Frauenhaushalt

Die Literatur der amerikanischen Südstaaten ist heute daran zu erkennen, daß sie, anders als in den Tagen von Faulkner oder Flannery O'Connor, alle regionalen Spuren sorgfältig verwischt. Aber es gibt noch immer untrügliche Merkmale, die den agrarischen Süden als Hintergrund einer Geschichte verraten. In Kaye Gibbons' erstem Roman "Ellen Foster" (1987) hatte die Stimme der Ich-Erzählerin, eines elfjährigen Waisenkindes, das von einer grauenhaften Kindheit tief in der Provinz berichtete, eine pfiffige Sachlichkeit, eine lakonische Originalität, wie sie die kleinen Monster bei J. D. Salinger niemals aufbringen könnten. Auch in den nächsten Romanen dieser Autorin, "A Virtuos Woman" und "A Cure for Dreams", war das Idiom des Südens unüberhörbar - Kaye Gibbons schien in ausufernden Monologen so etwas wie eine "oral history" ihrer Heimat North Carolina geben zu wollen.

Nun hat sie mit "Zauber des Lebens" diesem Projekt eine neue Richtung gegeben. Gleichgeblieben sind die Hauptfiguren: starke, unbeugsame Frauen, ausgestattet mit intakten Überlebensinstinkten und einer urwüchsigen, von Generation zu Generation überlieferten Lebensweisheit. Im Gegensatz zu den bizarren Erzählerinnen früherer Romane ist Margaret, die belesene Heldin von "Charms For the Easy Life" (so der Originaltitel; die Übersetzung wirkt über weite Strecken ungelenk) eher unauffällig. Und was sie zu berichten hat, ist nicht mehr die Geschichte von Niederlagen, sondern eine verblüffende Erfolgsstory.

Bravourös setzt sie sich, ähnlich wie ihre Mutter Sophia und die Großmutter Charlie Kate, mit unterschätzter Intelligenz und einer Kraft, die aus der Stärke der beiden anderen Frauen kommt, über alle Hindernisse des Erwachsenwerdens hinweg. Die Männer der Familie sind durch die Bank Versager: sie verschwinden irgendwann ("wie traurige Männer eben verschwinden: sie kommen von der Arbeit nicht mehr nach Hause") und werden kaum vermißt. Als Margarets Vater plötzlich stirbt, sagt ihre Mutter zu ihr: "Er ist tot. Mach uns 'nen Kaffee."

Der Roman beginnt um die Jahrhundertwende, als die Großmutter, eine Hebamme, dem Großvater, einem Fährmann, begegnet; er endet fünfzig Jahre danach, als Margaret endlich ihr eigenes Leben gefunden hat. Das bildungspralle Buch ist, überreichlich bisweilen, bestückt mit zeittypischem Inventar, vom Spülklosett zum Telefon, von der Lebensmittelkarte bis zu "Vom Winde verweht". Heimliche Hauptfigur ist die unglaubliche Großmutter, Geburtshelferin, Zahnzieherin, Quacksalberin mit poetischen Gaben, die nächtens Flaubert und Thomas Wolfe verschlingt, in jeder Lebenslage zu triumphieren scheint, deren nie versagender Mutterwitz und makellose Musterhaftigkeit die Erzählerin aber oft auch schier zu erdrücken scheinen.

Als Charlie Kate zum ersten Mal den Atlantischen Ozean sieht, meint sie: "Ganz schön, aber eigentlich nicht so groß, wie ich ihn mir vorgestellt habe." Wo diese Art von Bemerkung fällt, wächst meist kein Gras mehr, und so hinterlassen die zahllosen Anekdoten um die hemdsärmelige Hebamme nicht nur bei der Enkelin ein Gefühl zugleich von Bewunderung und Erschöpfung. HELMUT WINTER

Kaye Gibbons: "Zauber des Lebens". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Rosemarie Bosshard. Byblos Verlag, Berlin 1994. 264 S., geb. 38,- DM.

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