Honoré de Balzac
Broschiertes Buch
Verlorene Illusionen
Roman aus der Provinz
Herausgegeben: Walz, Melanie
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Balzacs schönster Roman in einer fulminanten NeuübersetzungLucien, der gut aussehende junge Schöngeist aus der Provinz, von Mutter, Schwester und Schwager abgöttisch geliebt und zum Genie erklärt, reist mit deren letztem Ersparten nach Paris und tappt dort in so manche Falle. Die Dichtung bringt ihn nicht weiter, erst als Zeitungskritiker kommt er zu Geld - und zu einer schönen Geliebten. Aber dann verstrickt er sich in Intrigen, und auf einmal steht alles auf dem Spiel.Balzacs unbestechlicher Blick auf das verlogene Treiben der Menschen ist großartige Satire, die Spielarten der menschl...
Balzacs schönster Roman in einer fulminanten Neuübersetzung
Lucien, der gut aussehende junge Schöngeist aus der Provinz, von Mutter, Schwester und Schwager abgöttisch geliebt und zum Genie erklärt, reist mit deren letztem Ersparten nach Paris und tappt dort in so manche Falle. Die Dichtung bringt ihn nicht weiter, erst als Zeitungskritiker kommt er zu Geld - und zu einer schönen Geliebten. Aber dann verstrickt er sich in Intrigen, und auf einmal steht alles auf dem Spiel.
Balzacs unbestechlicher Blick auf das verlogene Treiben der Menschen ist großartige Satire, die Spielarten der menschlichen Komödie sind heute noch gültig.
Lucien, der gut aussehende junge Schöngeist aus der Provinz, von Mutter, Schwester und Schwager abgöttisch geliebt und zum Genie erklärt, reist mit deren letztem Ersparten nach Paris und tappt dort in so manche Falle. Die Dichtung bringt ihn nicht weiter, erst als Zeitungskritiker kommt er zu Geld - und zu einer schönen Geliebten. Aber dann verstrickt er sich in Intrigen, und auf einmal steht alles auf dem Spiel.
Balzacs unbestechlicher Blick auf das verlogene Treiben der Menschen ist großartige Satire, die Spielarten der menschlichen Komödie sind heute noch gültig.
Honoré de Balzac, geboren am 20. Mai 1799 in Tours, gestorben am 18. August 1850 in Paris, ist neben Stendhal und Flaubert einer der großen Realisten der französischen Literatur. Er war ein glänzender Stilist, notorischer Schuldenmacher, Hedonist, Vielarbeiter und unvergleichlicher Menschenkenner. In seiner 88 Titel umfassenden ¿Comédie humaine¿ schuf er ein einzigartiges Bild seiner Epoche.
Produktdetails
- dtv Taschenbücher 14558
- Verlag: DTV
- Originaltitel: Illusions perdues
- 2. Aufl.
- Seitenzahl: 958
- Erscheinungstermin: 10. März 2017
- Deutsch
- Abmessung: 192mm x 121mm x 40mm
- Gewicht: 544g
- ISBN-13: 9783423145589
- ISBN-10: 3423145587
- Artikelnr.: 46971184
Herstellerkennzeichnung
dtv Verlagsgesellschaft
Tumblingerstraße 21
80337 München
produktsicherheit@dtv.de
Die Wiederkehr des großen Modernen
"Verlorene Illusionen" ist der berühmteste Roman von Honoré de Balzac - und auch der dickste. Wer das Werk in einer Übersetzung lesen will, die ihm gerecht wird, dem kann nun geholfen werden.
Von Felicitas von Lovenberg
Am Nachruhm war ihm nicht gelegen, das sei eine "Sonne für Tote", also Geld, das man nicht mehr ausgeben kann - für einen Verschwender wie ihn keine reizvolle Vorstellung. Er zog es vor, im Jetzt zu leben, seine Schulden in die Vergangenheit zu schieben und sich eine Zukunft als Auflagenkönig an der Seite einer schönen, klugen und vor allem vermögenden Frau auszumalen. Honoré de Balzac, der sich mit dreißig Jahren selbst adelte, mit Anfang vierzig seine
"Verlorene Illusionen" ist der berühmteste Roman von Honoré de Balzac - und auch der dickste. Wer das Werk in einer Übersetzung lesen will, die ihm gerecht wird, dem kann nun geholfen werden.
Von Felicitas von Lovenberg
Am Nachruhm war ihm nicht gelegen, das sei eine "Sonne für Tote", also Geld, das man nicht mehr ausgeben kann - für einen Verschwender wie ihn keine reizvolle Vorstellung. Er zog es vor, im Jetzt zu leben, seine Schulden in die Vergangenheit zu schieben und sich eine Zukunft als Auflagenkönig an der Seite einer schönen, klugen und vor allem vermögenden Frau auszumalen. Honoré de Balzac, der sich mit dreißig Jahren selbst adelte, mit Anfang vierzig seine
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Werke zu dem megalomanen Projekt der "Menschlichen Komödie" bündelte und mit nur 51 Jahren starb, war ein Meister der Verdrängung: von Rechnungen, Abgabeterminen und dem Namen der Dame von letzter Nacht ebenso wie von Neidern, Misserfolgen und schlechten Kritiken. Die einzige Währung, die er gelten ließ, war die harte.
Nachdem seine Absicht, es zum Erfolgsschriftsteller zu bringen, sich zunächst nicht ins Werk hatte setzen lassen, probierte er vieles, um der Fron zu entkommen, "Tinte in Gold" zu verwandeln. Doch als Verleger scheiterte er mit einer Klassiker-Edition, die Druckerei, für die er sich bis über beide Ohren verschuldete, schrieb nur rote Zahlen, und auf Sardinien fand er so wenig einen Silberschatz wie in seinem Garten eine einzige blaue Rose.
Aber er schrieb mehr als neunzig Romane, Erzählungen und Novellen, dazu Theaterstücke und Artikel. Ein sorgloses Auskommen konnte er auch damit nicht finanzieren. Umso mehr saß ein perfider Ausruf wie der des stilistisch überlegenen Flaubert, was dieser Mann für ein grandioser Autor hätte sein können, "wenn er doch nur hätte schreiben können". Dass der vorgebliche Berserker es aber höchst genau nahm, zeigt sein vielfaches Umschreiben von Texten und die akribische Nachbearbeitung von Korrekturbögen.
Nun ist seine Zeit abermals gekommen. Nach den großen Dostojewski-, Tschechow- und Tolstoi-Übersetzungen, nach Stendhal, Melville und Stevenson ist endlich Balzac an der Reihe, wieder gelesen zu werden. Anlässe dazu geben Politik und Wirtschaft ständig (jüngst mit dem Bekanntwerden der erweiterten Maschmeyer-Schröder-Connection), doch einen besseren Grund bietet eine neue Übersetzung von "Verlorene Illusionen", jenem Hauptwerk, in dem der Autor mit den Betrachtungen seiner Epoche unserer Gegenwart am nächsten kommt.
In "Ein großer Mann vom Land in Paris", dem mittleren der drei Bücher, aus denen dieser umfangreichste Roman Balzacs besteht, schildert er den rasanten Aufstieg und dramatischen Absturz des ehrgeizigen Lucien Chardon. Die rauschende Erbarmungslosigkeit, mit der Balzac den Kulturbetrieb als verkommen darstellt, hat den Titel zum geflügelten Wort werden lassen und den Roman zu einem Klassiker, den jeder zu kennen glaubt, auch ohne ihn gelesen zu haben.
Die Wahrheit auf dem Papier ist ungleich komplexer und spannender. Lucien, ein gutaussehender und talentierter junger Mann aus der südfranzösischen Provinz, kommt mit dem Herz voller Poesie, dem Kopf voller Prosa und den Ersparnissen von Schwester und Schwager in der Tasche nach Paris. Doch der ersehnte soziale und literarische Aufstieg bleibt zunächst aus. Binnen weniger Tage verliert er Bewunderung und Protektion seiner Madame de Bargeton, in deren Windschatten er Stadt und Gesellschaft erobern wollte, das baldige Erscheinen seiner mitgebrachten Werke rückt in weite Ferne, und der Großteil des Geldes ist für einen Anzug draufgegangen, den er nun nicht braucht. Doch sein Ego ist größer als die Enttäuschung, und so macht Lucien de Rubempré, wie er sich fortan nennt, Karriere nicht als Schriftsteller, sondern im Metier der schnellen Befriedigung von Publikum wie Autor: als Journalist. Bald ist er in die Spielregeln eingeweiht: Meinungen sind zum Wechseln da, und Rezensionen werden nicht um des Gegenstandes willen verfasst, sondern einzig, um eine (am besten die eigene) Karriere zu fördern und Konkurrenten zu schaden.
Doch auch, wenn Karl Kraus allein aus Zitaten dieses Teils der "Verlorenen Illusionen" einen geharnischten Leitartikel für seine "Fackel" vom 26. Juni 1909 schöpfte - Balzac malt die Welt keineswegs in Schwarz und Weiß, sondern in allen Schattierungen, die seine Palette hergibt. Und was die technischen Möglichkeiten und moralischen Gefahren der beschleunigten Zirkulation von Texten, Nachrichten und Geld anging, wohnten mindestens zwei Herzen in seiner Brust. Zwar gibt es den aufrechten Schriftsteller Daniel d'Arthez, jenen Freund, der Lucien vor dem Warencharakter von Zeitungstexten warnt und dessen Manuskripte in wahre Literatur verwandelt, doch lässt Balzac den Leser ebenso teilhaben an Luciens fulminantem Debüt als Theaterkritiker, das man widerwillig bewundern muss. Luciens Fluch ist nicht sein Beruf, sondern sein Charakter.
Aber in diesem großen, hellsichtigen Roman steckt noch viel mehr. Mindestens so sehr wie vom Journalismus und vom literarischen Leben handelt "Verlorene Illusionen" von den Intrigen und den Strategien anderer Geschäftszweige. Er erklärt die Herausforderungen des Druckereigewerbes, denunziert die Übermacht der Banken und die gerissenen Methoden der Anwälte. Er schildert das erbarmungslose soziale Gefälle zwischen Hauptstadt und Provinz. In wie vielen Tonarten Balzac das Titelmotiv der Desillusion im Roman variiert, führt die Übersetzerin Melanie Walz in ihrem Nachwort lebhaft vor Augen, das die Lektüre gerade nach 850 Dünndruck-Seiten Balzac ebenso lohnt wie ihre diskreten Anmerkungen.
Dass sich der Roman trotz seines Umfangs so federleicht und frisch liest, verdankt sich der schönen, klaren Sprache, in die Melanie Walz ihn gebracht hat. Ganz gleich, ob es sich um einen Exkurs zur Papierherstellung oder um das Wochenmenü bei Flicoteaux handelt, alles wird von Balzac mit Verve inszeniert. Melanie Walz ist mit diesem Tonfall und der Zeit, der er entstammt, insofern vertraut, als dass sie mit Dickens und Jane Austen zwei Autoren übersetzt hat, die viel mit Balzac verbindet. Nun hat sie sich in französischer Sprache nach Alexandre Dumas, Jules Michelet und ein wenig Proust jenes Werk Balzacs vorgenommen, das zwar in zig verschiedenen Ausgaben von Rowohlt bis Diogenes vorliegt, aber meist nur in der Übersetzung von Otto Flake aus dem Jahr 1920. In den siebziger Jahren folgte im Aufbau Verlag noch jene von Udo Wolf.
Fast hundert Jahre nach der ersten und gut vierzig nach der zweiten hat Melanie Walz den großen Modernen Balzac nun auch sprachlich in unsere Zeit geholt. Wird etwa bei Flake lapidar über Lucien gesagt: "Das ist kein Dichter, das ist schon ein laufender Roman", heißt es bei Udo Wolf immerhin: "Dieser Junge ist kein Dichter, sondern ein fortlaufender Roman." Melanie Walz macht daraus endlich einen Satz, den jeder versteht: "Dieser Bursche ist kein Dichter, er ist ein veritabler Fortsetzungsroman." Solche Beispiele gibt es zuhauf. So spricht Flake bei den Freunden um d'Arthez abwechselnd von einem Kreis und einem Bund; Melanie Walz erklärt den Zirkel von Schriftstellern und Philosophen resolut zur "Tafelrunde", was seine Geschlossenheit unterstreicht und Lucien als Gegenbild seiner eigenen Entscheidungen immer wieder sinnfällig vor Augen tritt.
Die Tafelrunde verstößt ihn schließlich, nachdem er ihren Artus verraten hat. Balzac aber hatte Lucien Chardon mit diesem wuchtigen Roman noch nicht abgeschrieben, sondern ihn in "Glanz und Elend der Kurtisanen" einen weiteren faustischen Pakt eingehen lassen.
Honoré de Balzac: "Verlorene Illusionen". Roman.
Aus dem Französischen von Melanie Walz. Carl Hanser Verlag, München 2014. 959 S., geb., 39,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nachdem seine Absicht, es zum Erfolgsschriftsteller zu bringen, sich zunächst nicht ins Werk hatte setzen lassen, probierte er vieles, um der Fron zu entkommen, "Tinte in Gold" zu verwandeln. Doch als Verleger scheiterte er mit einer Klassiker-Edition, die Druckerei, für die er sich bis über beide Ohren verschuldete, schrieb nur rote Zahlen, und auf Sardinien fand er so wenig einen Silberschatz wie in seinem Garten eine einzige blaue Rose.
Aber er schrieb mehr als neunzig Romane, Erzählungen und Novellen, dazu Theaterstücke und Artikel. Ein sorgloses Auskommen konnte er auch damit nicht finanzieren. Umso mehr saß ein perfider Ausruf wie der des stilistisch überlegenen Flaubert, was dieser Mann für ein grandioser Autor hätte sein können, "wenn er doch nur hätte schreiben können". Dass der vorgebliche Berserker es aber höchst genau nahm, zeigt sein vielfaches Umschreiben von Texten und die akribische Nachbearbeitung von Korrekturbögen.
Nun ist seine Zeit abermals gekommen. Nach den großen Dostojewski-, Tschechow- und Tolstoi-Übersetzungen, nach Stendhal, Melville und Stevenson ist endlich Balzac an der Reihe, wieder gelesen zu werden. Anlässe dazu geben Politik und Wirtschaft ständig (jüngst mit dem Bekanntwerden der erweiterten Maschmeyer-Schröder-Connection), doch einen besseren Grund bietet eine neue Übersetzung von "Verlorene Illusionen", jenem Hauptwerk, in dem der Autor mit den Betrachtungen seiner Epoche unserer Gegenwart am nächsten kommt.
In "Ein großer Mann vom Land in Paris", dem mittleren der drei Bücher, aus denen dieser umfangreichste Roman Balzacs besteht, schildert er den rasanten Aufstieg und dramatischen Absturz des ehrgeizigen Lucien Chardon. Die rauschende Erbarmungslosigkeit, mit der Balzac den Kulturbetrieb als verkommen darstellt, hat den Titel zum geflügelten Wort werden lassen und den Roman zu einem Klassiker, den jeder zu kennen glaubt, auch ohne ihn gelesen zu haben.
Die Wahrheit auf dem Papier ist ungleich komplexer und spannender. Lucien, ein gutaussehender und talentierter junger Mann aus der südfranzösischen Provinz, kommt mit dem Herz voller Poesie, dem Kopf voller Prosa und den Ersparnissen von Schwester und Schwager in der Tasche nach Paris. Doch der ersehnte soziale und literarische Aufstieg bleibt zunächst aus. Binnen weniger Tage verliert er Bewunderung und Protektion seiner Madame de Bargeton, in deren Windschatten er Stadt und Gesellschaft erobern wollte, das baldige Erscheinen seiner mitgebrachten Werke rückt in weite Ferne, und der Großteil des Geldes ist für einen Anzug draufgegangen, den er nun nicht braucht. Doch sein Ego ist größer als die Enttäuschung, und so macht Lucien de Rubempré, wie er sich fortan nennt, Karriere nicht als Schriftsteller, sondern im Metier der schnellen Befriedigung von Publikum wie Autor: als Journalist. Bald ist er in die Spielregeln eingeweiht: Meinungen sind zum Wechseln da, und Rezensionen werden nicht um des Gegenstandes willen verfasst, sondern einzig, um eine (am besten die eigene) Karriere zu fördern und Konkurrenten zu schaden.
Doch auch, wenn Karl Kraus allein aus Zitaten dieses Teils der "Verlorenen Illusionen" einen geharnischten Leitartikel für seine "Fackel" vom 26. Juni 1909 schöpfte - Balzac malt die Welt keineswegs in Schwarz und Weiß, sondern in allen Schattierungen, die seine Palette hergibt. Und was die technischen Möglichkeiten und moralischen Gefahren der beschleunigten Zirkulation von Texten, Nachrichten und Geld anging, wohnten mindestens zwei Herzen in seiner Brust. Zwar gibt es den aufrechten Schriftsteller Daniel d'Arthez, jenen Freund, der Lucien vor dem Warencharakter von Zeitungstexten warnt und dessen Manuskripte in wahre Literatur verwandelt, doch lässt Balzac den Leser ebenso teilhaben an Luciens fulminantem Debüt als Theaterkritiker, das man widerwillig bewundern muss. Luciens Fluch ist nicht sein Beruf, sondern sein Charakter.
Aber in diesem großen, hellsichtigen Roman steckt noch viel mehr. Mindestens so sehr wie vom Journalismus und vom literarischen Leben handelt "Verlorene Illusionen" von den Intrigen und den Strategien anderer Geschäftszweige. Er erklärt die Herausforderungen des Druckereigewerbes, denunziert die Übermacht der Banken und die gerissenen Methoden der Anwälte. Er schildert das erbarmungslose soziale Gefälle zwischen Hauptstadt und Provinz. In wie vielen Tonarten Balzac das Titelmotiv der Desillusion im Roman variiert, führt die Übersetzerin Melanie Walz in ihrem Nachwort lebhaft vor Augen, das die Lektüre gerade nach 850 Dünndruck-Seiten Balzac ebenso lohnt wie ihre diskreten Anmerkungen.
Dass sich der Roman trotz seines Umfangs so federleicht und frisch liest, verdankt sich der schönen, klaren Sprache, in die Melanie Walz ihn gebracht hat. Ganz gleich, ob es sich um einen Exkurs zur Papierherstellung oder um das Wochenmenü bei Flicoteaux handelt, alles wird von Balzac mit Verve inszeniert. Melanie Walz ist mit diesem Tonfall und der Zeit, der er entstammt, insofern vertraut, als dass sie mit Dickens und Jane Austen zwei Autoren übersetzt hat, die viel mit Balzac verbindet. Nun hat sie sich in französischer Sprache nach Alexandre Dumas, Jules Michelet und ein wenig Proust jenes Werk Balzacs vorgenommen, das zwar in zig verschiedenen Ausgaben von Rowohlt bis Diogenes vorliegt, aber meist nur in der Übersetzung von Otto Flake aus dem Jahr 1920. In den siebziger Jahren folgte im Aufbau Verlag noch jene von Udo Wolf.
Fast hundert Jahre nach der ersten und gut vierzig nach der zweiten hat Melanie Walz den großen Modernen Balzac nun auch sprachlich in unsere Zeit geholt. Wird etwa bei Flake lapidar über Lucien gesagt: "Das ist kein Dichter, das ist schon ein laufender Roman", heißt es bei Udo Wolf immerhin: "Dieser Junge ist kein Dichter, sondern ein fortlaufender Roman." Melanie Walz macht daraus endlich einen Satz, den jeder versteht: "Dieser Bursche ist kein Dichter, er ist ein veritabler Fortsetzungsroman." Solche Beispiele gibt es zuhauf. So spricht Flake bei den Freunden um d'Arthez abwechselnd von einem Kreis und einem Bund; Melanie Walz erklärt den Zirkel von Schriftstellern und Philosophen resolut zur "Tafelrunde", was seine Geschlossenheit unterstreicht und Lucien als Gegenbild seiner eigenen Entscheidungen immer wieder sinnfällig vor Augen tritt.
Die Tafelrunde verstößt ihn schließlich, nachdem er ihren Artus verraten hat. Balzac aber hatte Lucien Chardon mit diesem wuchtigen Roman noch nicht abgeschrieben, sondern ihn in "Glanz und Elend der Kurtisanen" einen weiteren faustischen Pakt eingehen lassen.
Honoré de Balzac: "Verlorene Illusionen". Roman.
Aus dem Französischen von Melanie Walz. Carl Hanser Verlag, München 2014. 959 S., geb., 39,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Thomas Laux beglückwünscht die Übersetzerin Melanie Walz für diese neue Ausgabe von Honoré de Balzacs "Verlorene Illusionen", dem achten Band seiner "Comédie humaine", denn einfach kann es nicht gewesen sein, die Satzmonster und die (vermutlich absichtlich) allgegenwärtigen Plattitüden zu bewältigen, ohne den Lesefluss zu beeinträchtigen, ist sich der Rezensent sicher. Absichtlich abgedroschen ist wahrscheinlich so vieles, vermutet Laux, weil es Balzac auch um eine Kritik eines journalistischen und literarischen Possenspiels ging, in das er seinen Protagonisten, den jungen Dichter Lucien Chardon, hineinwirft, und an dem er ihn scheitern lässt. Es ist im Grunde die Geschichte des Scheiterns überhaupt, so der Rezensent: der hoffnungsvolle Provinzler kommt in die Stadt, um sein Glück zu machen, und wird von ihr zugrunde gerichtet, erklärt Laux.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Die Übersetzerin hat das alles großartig gemeistert, der Roman liest sich sehr flüssig, biedert sich dabei keiner modernistischen Diktion an. ... immer wieder sind da Sätze, so kompakt und stringent, man liest sie staunend, sie enthalten für sich eine ganze Welt." Thomas Laux, Neue Zürcher Zeitung, 03.01.15. "Das Beste an dem Buch: Nichts von dem, was Balzac beschreibt, hat sich geändert. Der Roman ist wie ein Live-Bericht aus dem Kulturzirkus von heute. ... glänzend neu übersetzt von Melanie Walz." Uwe Wittstock, Focus, 03.01.15 "Einer der großen Romane der Weltliteratur liegt jetzt in einer leicht dahinfließenden Neuübersetzung von Melanie Walz vor. ... Wer die Gegenwart verstehen will, muss Balzac lesen!" Maike Albath, Deutschlandradio
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Kultur, 15.12.14 "Nie wurde lustiger, böser, klüger über uns Kulturjournaille geschrieben." Alexander Cammann, Die Zeit, 11.12.14 "Es ist ein Glück, dass kürzlich eine stilsichere, elegante Neuübersetzung erschienen ist, die alle Voraussetzungen für eine solche Lektüre bietet ... 'Illusions perdues' gehören zu den größten Romanen der Weltliteratur." Lothar Müller, Süddeutsche Zeitung, 02.12.14 "Wer das Werk in einer Übersetzung lesen will, die ihm gerecht wird, dem kann nun geholfen werden." Felicitas von Lovenberg, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.11.14 "Und staunend wird man gewahr, dass das gnadenlose Bild einer verlogenen Gesellschaft, das er malt, so fremd und gestrig, wie man denken könnte, gar nicht ist." Klaus Bellin, Neues Deutschland, 22.11.14
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Gebundenes Buch
Vom Scheitern
In dem gewaltigen Zyklus «Die menschliche Komödie» von Honoré de Balzac, der von den geplanten 137 Romanen und Erzählungen «nur» 91 Werke fertig stellen konnte, ist der 1843 erstmals in einem Band herausgegebene, dreiteilige Roman …
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Vom Scheitern
In dem gewaltigen Zyklus «Die menschliche Komödie» von Honoré de Balzac, der von den geplanten 137 Romanen und Erzählungen «nur» 91 Werke fertig stellen konnte, ist der 1843 erstmals in einem Band herausgegebene, dreiteilige Roman «Verlorene Illusionen» das umfangreichste und wohl auch schönste Werk. Die vorliegende Neuübersetzung von Melanie Walz macht die Lektüre dieses im Stil des literarischen Realismus erzählten, grandiosen Gesellschaftsromans sprachlich zu einem Leseerlebnis besonderer Art, ist es ihr doch gelungen, den vor etwa 180 Jahren geschriebenen, anspruchsvollen altfranzösischen Text in ein flüssig zu lesendes, modernes Deutsch zu transferieren. Gleichwohl wird dem Leser volle Aufmerksamkeit abverlangt in diesem großangelegten Sittengemälde, sowohl was die gewaltige Zahl an Figuren anbelangt als auch das adäquate Milieu, der uns Heutigen unbekannte Erfahrungshintergrund der damaligen Epoche, insbesondere in Hinblick auf die politischen, sozialen, wirtschaftlichen und künstlerischen Gegebenheiten im Frankreich der ersten Hälfte des 19ten Jahrhunderts. Hilfreich dabei sind die Vorworte aus Balzacs Feder zu den ursprünglich drei einzelnen Bänden sowie insbesondere ein umfangreicher Anhang, in dem neben einem kenntnisreichen Nachwort der Übersetzerin vor allem deren umfangreiche Anmerkungen zum Text mir unabdingbar erscheinen zum tieferen Verständnis des Geschehens.
Julien Chardon, ein auffallend schöner junger Mann, der sich für einen großen Dichter hält, wird von Madame de Bargeton protegiert, unumstrittene Grande Dame der Salons in der Provinzstadt Angoulême. Als sie mit ihm nach Paris geht, schämt sie sich dort plötzlich seiner Armut und Provinzialität wegen und überlässt ihn einfach sich selbst. Es gelingt Julien, sich in der Boheme der französischen Metropole als Journalist nach oben zu arbeiten, in die Gesellschaft eingeführt zu werden. Eine schöne Schauspielerin wird seine Mätresse, er lebt in Saus und Braus, bekommt aber schon bald Missgunst und Neid zu spüren und gelangt in einen finanziellen Abwärtsstrudel, dem er auch durch Glücksspiel und, als letzte Rettung, das Fälschen dreier Wechsel auf seinen Freund Daniel Séchard nicht entkommt. Er flüchtet aus Paris und kehrt nach Angoulême zurück. Daniel, der Juliens Schwester geheiratet hat, arbeitet dort verbissen an einer Erfindung zur Papierherstellung und vernachlässigt sträflich seine Druckerei, er bringt sich damit letztendlich in den Ruin. Die bei Fälligkeit präsentierten Wechsel kann er nicht einlösen und landet schließlich im Gefängnis. Julien als Schuldiger an diesem Unglück will sich daraufhin das Leben nehmen, trifft aber auf der Landstraße einen geheimnisvollen spanischen Abbé, der ihn von seinem Vorhaben abbringt. Er gibt ihm sogar das Geld für Daniel, mit dem der sich von allen seinen Schulden befreien kann, und macht ihn zu seinem Sekretär unter der Bedingung, dass er ihm blind gehorchen müsse, wofür er ihm in Paris eine glänzende Karriere ermöglichen werde.
Es sind in der Tat viele Illusionen, die Balzac als auktorialer Erzähler in seinem Roman platzen lässt. Er führt seine vielen überaus lebensvollen Figuren zielstrebig durch eine weit ausholende Handlung, immer mit dem Ziel, die Usancen und Hintergründe der vornehmen Gesellschaft und des korrupten Literaturbetriebs sowie der Theaterwelt seiner Zeit detailliert und so realistisch wie möglich darzustellen. Insoweit handelt es sich bei seinem Werk auch um ein wichtiges Dokument der Zeitgeschichte. Dünkel und Hochmut, Missgunst, Neid und Hass sind Auslöser absolut skrupelloser Ränkespiele und korrupter Machenschaften in dieser Erzählung, dem Sieg des Bösen stehen nur wenige ins Positive weisende Lebenslinien gegenüber, ein fürwahr pessimistisches Menschenbild, das Balzac da entworfen hat. Wer sich die Zeit nimmt, genüsslich in diesen Kosmos einzutauchen, dem stehen viele anregende Lesestunden bevor mit einem Klassiker der Weltliteratur.
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Gebundenes Buch
Der junge, aufstrebende Dichter Lucien gerät in der französischen Provinz ins Intrigenspiel zwischen der alteingesessener Aristokratie und liberalem Bürgertum. Seine Geliebte, flieht mit ihm auf abenteuerliche Weise nach Paris und verlässt ihn dort, weil er als …
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Der junge, aufstrebende Dichter Lucien gerät in der französischen Provinz ins Intrigenspiel zwischen der alteingesessener Aristokratie und liberalem Bürgertum. Seine Geliebte, flieht mit ihm auf abenteuerliche Weise nach Paris und verlässt ihn dort, weil er als „Unterprivilegierter“ in der Pariser Gesellschaft keinen Aufstieg findet. Lucien taucht in Künstlerkreise ab, verdient sein Lebensunterhalt bei einer Zeitung, erfährt Auf und Ab im Moloch aus Drahtzieher und Intriganten, steigt schnell, fällt noch schneller und kehrt resigniert in die Heimat zurück. Am Ende bleibt offen, was aus Lucien wird, Balzac krönt ihn aber zum Helden eines anderen Romans. "Verlorene Illusionen" ist eine detailreiche Schilderung des gesellschaftlichen Lebens am Anfang des 19. Jahrhunderts. Wer sich von dicken Schwarten nicht in die Flucht schlagen lässt, wird an diesem Buch seine Freude haben.
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