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Der Chronist unserer rasenden Depression.
Nach dem Tod von David Foster Wallace schrieb Richard Powers, er sei «der Beste unserer Generation» gewesen. In diesem letzten Erzählungsband nimmt Wallace mit Schärfe und Witz die Deformationen des Menschen im Medienzeitalter aufs Korn. Und das mit großer Meisterschaft, egal, ob er von den üblen Folgen einer Schönheitsoperation erzählt oder vom Versuch eines Paares, in einem Schlaflabor zu ermitteln, wer durch sein Schnarchen wann wen vom Schlafen abhält.

Produktbeschreibung
Der Chronist unserer rasenden Depression.

Nach dem Tod von David Foster Wallace schrieb Richard Powers, er sei «der Beste unserer Generation» gewesen. In diesem letzten Erzählungsband nimmt Wallace mit Schärfe und Witz die Deformationen des Menschen im Medienzeitalter aufs Korn. Und das mit großer Meisterschaft, egal, ob er von den üblen Folgen einer Schönheitsoperation erzählt oder vom Versuch eines Paares, in einem Schlaflabor zu ermitteln, wer durch sein Schnarchen wann wen vom Schlafen abhält.
Autorenporträt
Wallace, David FosterDavid Foster Wallace wurde 1962 geboren. Er studierte Englisch, Philosophie und Mathematik, begann eine Karriere als Tennisprofi, machte sich aber schließlich einen Namen als einer der einflussreichsten und zugleich innovativsten Autoren seiner Generation. Zuletzt unterrichtete Foster Wallace Creative Writing am Pomona College in Claremont, Kalifornien. Seit langem unter Depressionen leidend, wurde David Foster Wallace am 12. September 2008 in seinem Haus in Kalifornien tot aufgefunden.

Ingendaay, MarcusMarcus Ingendaay, 1958 geboren, studierte Anglistik und Germanistik in Köln und Cambridge. Nach Stationen als Reporter und Werbetexter arbeitet er seit vielen Jahren als freier Übersetzer. Für seine Übersetzungen von Werken u. a. von William Gaddis und David Foster Wallace wurde er mehrfach ausgezeichnet. «Die Taxifahrerin» ist sein erster Roman.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.08.2008

Und für zwischendurch gönnen wir uns eine Olive
Alle rühmen David Foster Wallace. Zu Recht. Auch „Vergessenheit”, sein neuer Erzählungsband, begeistert
Wenn es darum geht, diesen Autor anzupreisen, hat sein hiesiger Verlag für den Klappentext nahezu freie Auswahl. Die Times erblickt einen „Thronfolger für Thomas Pynchon”, und die angesagte britische Kollegin Zadie Smith formuliert den wuchtigen Satz: „David Foster Wallace ist so modern, dass er sich in einem anderen Raum-Zeit-Kontinuum bewegt.” Sogar der bekannte Kritiker Harald Schmidt, sonst für seine Gnadenlosigkeit bekannt, hat sich ein enthusiastisches, prädikatloses Statement entreißen lassen: „Der Megageheimtip der amerikanischen Literaturszene.”
So viel Lob macht skeptisch, reizt zum Widerspruch. Aber es hilft nichts: Die erste der Geschichten, die in „Vergessenheit” versammelt sind, ist trotz ihres umständlichen, wenig verheißungsvollen Titels schlichtweg brillant. In „Der Spiegel der Natur – Eine Kritik der Philosophie” passiert, schaut man nur auf die Gegenwartshandlung, kaum Bemerkenswertes. Ein junger Mann fährt mit seiner Mutter, die nach mehreren missglückten Schönheitsoperationen unter einer entstellenden Gesichtslähmung leidet, im Bus zu einem Anwalt, der die verantwortlichen Ärzte verklagen soll – das ist schon alles.
Das runde Buslenkrad
Ungewöhnlich fesselnd wird diese Situation aber durch die raffinierte Verzögerungstaktik, mit der in sehr kurzen Rückblenden immer mehr Details über den Ich-Erzähler enthüllt werden. Es handelt sich um einen fanatischen Sammler lebender Spinnen, und wie eine Fliege in deren klebrigem Netz ist er in seinen Obsessionen gefangen. Dass die Mutter an dieser prekären seelischen Verfassung schuld ist, wird nur knapp angedeutet – wenn sie strickend und hinter einer großen Sonnenbrille verborgen zu Hause sitzt, gleicht sie selbst den aussaugenden Wesen, denen ihr Sohn verfallen ist.
Kurios und treffend sind die nebenbei eingestreuten kleinen Beobachtungen des Sohnes: „Ein rundes Buslenkrad ist nicht nur größer, sondern auch in einem horizontaleren Anstellwinkel angebracht als in mir bekannten Taxis, Privatwagen oder Streifenwagen, und der Busfahrer bewegt es mit ausladenden Ganzkörperbewegungen, die der Geste ähneln, mit der man bei einem plötzlichen Gefühlsausbruch Dinge von einem Tisch oder anderen Flächen fegt.” Für den langweiligen Halt an Kreuzungen steckt neben dem Münzautomaten eine zusammengefaltete Zeitung: „Meine Theorie ist ja, dass der Fahrer seine Zeitung liest und sie beim Umspringen der Ampel auf grün widerwillig wieder zusammenfaltet und in die Tasche zurücksteckt, um die ohnmächtige Ablehnung zu signalisieren, die er seiner Festanstellung entgegen bringt, und ein vom Gericht berufener Psychologe könnte die Zeitung als Hilferuf interpretieren.”
Die Titelgeschichte, die an zweiter Stelle folgt, schildert die Midlife-Crisis, in die ein gut situiertes Ehepaar unversehens gerät. Sie wirft ihm vor, sein unerträgliches Schnarchen störe sie beim Einschlafen; er dagegen behauptet, sie schlafe lange vor ihm ein und hindere durch plötzliches Aufschrecken und laute Vorwürfe ihn daran, Ruhe zu finden. Erst der Aufenthalt in einer Schlafklinik klärt den Konflikt, der sich zu einem Drama auszuwachsen droht. In „TV der Leiden – The Suffering Channel”, der dritten Geschichte, gerät ein Reporter des New Yorker People-Magazins Style auf die Spur eines Mannes, der seinen Exkrementen beim Ausscheiden jede beliebige Form, darunter die bekannter Kunstwerke, zu geben vermag. In der Sendung eines Kabelkanals, der sich auf die Ausstrahlung sensationeller Bilder menschlichen Unglücks spezialisiert hat, darf er seine ausgefallene Fähigkeit vor den Augen der Nation demonstrieren.
Verglichen mit dem makellosen „Spiegel der Natur” sind diese Stories schwächer. In „Vergessenheit” arbeitet Wallace mit einem extrem verschachtelten Satzbau, der zu Sperrungen, die sich über anderthalb Seiten erstrecken, führt. Ebenso wie das manische Wiederholen derselben Sachverhalte und Probleme lässt sich dies zwar mit Hinweis auf die Anspannung, unter der die Hauptfigur steht, rechtfertigen – ein wenig nervig ist’s dennoch. In „TV der Leiden” geht es etwas zu ausführlich um die Endprodukte menschlicher Verdauung, als dass Leser, die keine Neigung zur Koprophilie verspüren, daran ihren ungeteilten Spaß haben können. Dennoch gibt es einige sehr starke Momente. Die Society-Redakteure gehen ihrer Arbeit ausgerechnet im World Trade Center nach – dass nicht alle von ihnen die Anschläge von 9/11, die kurz bevorstehen, überleben werden, erwähnt Wallace beiläufig und verleiht dem albernen Treiben so einen tiefschwarzen Hintergrund. Und in „Vergessenheit” wird nach und nach deutlich, dass auch dieser Ich-Erzähler seelisch stark ramponiert ist; ihn plagt die hilflose Liebe zu seiner attraktiven Stieftochter, die gerade zu Hause ausgezogen ist.
Staksige Ostküsten-Töchter
Sehr schön gelingt es dem Autor mit nicht mehr als ein paar Tupfern Milieus und die Macken, die in ihnen blühen, zu charakterisieren. Wie er die Praktikantinnen-Riege von Style schildert – das ist großartig. Höhere Ostküsten-Töchter sind sie allesamt, in dezente oder neckische Designerklamotten gehüllt. Eine gelegentliche kleine Selbstverstümmelung gehört zur Grundausstattung, vor allem aber eine solide Magersucht. Das Essen wird mit der Apothekerwaage abgemessen; als kleine Leckerei zwischendurch gönnt man sich eine Rosine oder Olive. In der Mittagspause gibt es selbstverständlich keine Erholung; stattdessen ruft das betriebseigene Fitnesscenter mit seinen Laufbändern und Rudergeräten. In der Wirklichkeit möchte man diesen hochneurotischen Wesen nicht begegnen – aber das ist auch nicht nötig, denn in ihrer überwältigenden Dürre stehen sie einem nun plastisch genug vor dem geistigen Auge.
Auch von der populären Kultur lässt Wallace sich gerne inspirieren. Der überraschende Schluss von „Vergessenheit”, der alles zuvor Geschehene in ein völlig neues Licht rückt, erinnert an die in den amerikanischen Comics früher so beliebten imaginary stories, die unter dem Vorbehalt des Traumes von so Undenkbarem wie Hochzeit oder Tod eines Superhelden erzählten. In „Der Spiegel der Natur” ist der Spinnen-Freak nicht nur ein Hitchcock-Kenner, der dominanten Mutter, unter der er leidet, begegnet man auch in mehreren Werken des Suspense-Meisters. Warum aber wird hier behauptet, unter der Dusche in „Psycho” stehe Vivian Leigh? Denn dort wird nicht der kapriziöse Star von „Vom Winde verweht” – korrekter Vorname: Vivien – gemeuchelt, sondern Janet Leigh. Der Übersetzer hat nicht gepatzt, im Original steht es genauso. Wollte Wallace also den Leser foppen? Oder einen weiteren Hinweis auf die Verwirrtheit seines Protagonisten geben? Vom alltäglichen Wahnwitz weiß dieser Autor jedenfalls auf ebenso komische wie schauerliche Weise zu erzählen.CHRISTOPH HAAS
DAVID FOSTER WALLACE: Vergessenheit. Storys. Aus dem Amerikanischen von Ulrich Blumenbach und Marcus Ingendaay. Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2008. 222 Seiten, 18,95 Euro.
Der Busfahrer signalisiert mimisch seine „ohnmächtige Ablehnung, die er seiner Festanstellung entgegen bringt”. – Szene aus „The Honeymooners”. Foto: Cinetext
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Kurze Geschichten, große Literatur - so in etwa lässt sich der Leseeindruck von Rezensent Eberhard Falcke zusammenfassen, den diese "Stories" als "Psychopathologien des hyperaufgeklärten Menschen" begeistert haben. Bei dieser Edition handelt es sich um drei Erzählungen, die 2004 unter dem Titel "Oblivion" im Original erschienen seien und von denen bereits im vergangenen Jahr sechs Erzählungen unter dem Titel "In alter Vertrautheit" auf Deutsch erschienen seien. Schon die Titelgeschichte des vorliegenden Bandes zeigte Falcke "wie nahe wir dem Durchdrehen auf höchstem Reflexionsniveau sind".

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»Das ist alles auf geniale Weise absonderlich, meist sehr lustig und gekonnt verknotet erzählt.« Marianne Wellershoff Der Spiegel KulturSpiegel