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Die Politik hat den Konsumenten entdeckt und stellt sich zunehmend auf dessen Haltungen und Ansprüche ein. Werden dadurch postdemokratische Verfallsprozesse beschleunigt oder entsteht stattdessen eine neue Form von Verbraucherdemokratie? Jörn Lamla nimmt die politischen Dynamiken in den Blick, die auf die Interdependenzen und Folgeprobleme der Konsumgesellschaft reagieren und neue Antworten suchen. Öffentliche Kämpfe um eine zeitgemäße Gemeinwohlinterpretation spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Praktiken eines moralisch aufgeladenen Konsumalltags. Ziel ist die Entwicklung einer…mehr

Produktbeschreibung
Die Politik hat den Konsumenten entdeckt und stellt sich zunehmend auf dessen Haltungen und Ansprüche ein. Werden dadurch postdemokratische Verfallsprozesse beschleunigt oder entsteht stattdessen eine neue Form von Verbraucherdemokratie? Jörn Lamla nimmt die politischen Dynamiken in den Blick, die auf die Interdependenzen und Folgeprobleme der Konsumgesellschaft reagieren und neue Antworten suchen. Öffentliche Kämpfe um eine zeitgemäße Gemeinwohlinterpretation spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Praktiken eines moralisch aufgeladenen Konsumalltags. Ziel ist die Entwicklung einer politischen Soziologie, die den innovativen Kräften kapitalistischer Marktordnungen, digitaler Technologien, rechtsstaatlicher Regulierung, zivilgesellschaftlicher Beteiligung, kollektiver Intelligenz und sozialer Bildungsprozesse angemessen Rechnung zu tragen weiß.
Autorenporträt
Lamla, JörnJörn Lamla lehrt und forscht als Professor für Soziologische Theorie an der Universität Kassel.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.12.2013

Der Konsument als Bürger
Jörn Lamla skizziert Illusionen und Chancen der Verbraucherdemokratie
Die „politische Ohnmacht des Verbrauchers“ hat der Soziologe Helmut Schelsky in den 1970er-Jahren zum Dogma erhoben; den Konsumenten fehle es, anders als den organisierten Interessen von Kapital und Arbeit und mangels eines Stimmrechts bei Wahlen, an einer wirksamen Vertretung ihrer Interessen.
  Im Boykott, den 1995 Kunden der Firma Shell übten, um gegen die geplante Versenkung der Bohrplattform Brent Spar zu protestieren, hat 20 Jahre später der Soziologe Ulrich Beck ein Bündnis der aktiven Konsumgesellschaft mit der direkten Demokratie sehen wollen.
  Wer jedoch eine „Einkaufsrevolution“ als Mittel der Energiewende und des Klimaschutzes, des Einstiegs in eine nachhaltige Politik propagiert, dem schlägt der Vorwurf der Naivität entgegen. Aus Sicht der Kritiker handelt es sich beim ethischen oder kritischen Konsum um ganz vereinzelte, auf schmale soziale Milieus begrenzte und somit weitgehend symbolische Maßnahmen, deren geringe Wirkungen im Übrigen durch Rebound-Effekte aufgezehrt würden: Die Konsumenten beruhigten mit ihrem Kaufverhalten nur ihr schlechtes Gewissen, um dann – solchermaßen beruhigt – durch andere Kaufakte noch mehr Emissionen zu produzieren.
  Was all diesen Hypothesen fehlte, war eine gesellschaftstheoretische Einordnung und empiriegesättigte Fundierung, die nun, wieder 20 Jahre später, der Kasseler Soziologe Jörn Lamla in einer glänzenden Darstellung der Illusionen und Potenziale der „Verbraucher-Demokratie“ liefert. Für die meisten deckt sich das mit staatlichem Schutz der Verbraucher, aber der Staat ist „kaum in der Lage, in seinen Entscheidungen das Kräftefeld der Konsumgesellschaft mit geordneten Verfahren neu zu versammeln und anders zu assoziieren“. Auch regierungsseitig veranlasste und professionell inszenierte Kampagnen, im Kunden den Klimahelden oder fairen Händler zu wecken, verfehlen oft ihr Ziel.
  So weit, so desillusionierend. Doch Lamla, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, kann überzeugend darlegen, dass das öffentliche Gespräch über Konsum sehr wohl auf dem Vormarsch ist, dass nach einer politischen Antwort gesucht wird, die in eine generelle Reform des Wohlfahrtsstaates mündet. Lamla nennt exemplarisch das garantierte Grundeinkommen, das die Sphären Arbeit und Konsum einander annähert. Hier schließt Lamla souverän an den wieder zu entdeckenden David Riesman sowie Albert O. Hirschman und Bruno Latour an.
  Das Ringen um den Konsum, der unter Schlagworten wie „Geiz ist geil“ und „Schrei vor Glück“ propagiert wird, ist eine Variante der (digitalen) Markt-Gemeinschaft im kulturell gewordenen Kapitalismus, in dem auch Metro, Amazon und Zalando verwundbar bleiben. Lamla warnt vor der Überschätzung des Consumer Citizen . Gleichwohl zeigt sein lesenswertes Buch, wie ethische und politische Überlegungen so oder so in Kaufentscheidungen einfließen. – Warum dann nicht durch reflektierte Entscheidungen vom Typ „Weniger ist mehr“?
CLAUS LEGGEWIE
Jörn Lamla: Verbraucherdemokratie. Politische Soziologie der Konsumgesellschaft. Suhrkamp, 2013. 507 Seiten, 22,70 Euro.
Claus Leggewie ist Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen.
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"... Eine gesellschaftstheoretische Einordnung und empiriegesättigte Fundierung, die ... Jörg Lamla in einer glänzenden Darstellung der Illusionen und Potenziale der 'Verbraucher-Demokratie' liefert."
Claus Leggewie, Süddeutsche Zeitung 10.12.2013