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Lyrik aus Litauen - "Tomas Venclova ist Litauens Stimme in der Weltliteratur. Ein lakonischer Elegiker und moderner Klassiker." Carsten Hueck, Deutschlandradio Kultur
Tomas Venclova ist einer der großen Dichter unserer Zeit. In seiner Heimat Litauen erlebte er den langen Winter des Totalitarismus, wegen seiner kritischen Haltung kam er in Bedrängnis. Es folgten Exil, Reisen und Heimkehr - die Lebensthemen seiner Lyrik -, doch als dieser unfreiwillige Weltbürger schließlich zurückkehrte, war das Land ein anderes. Was unverändert blieb, ist die rettende Kraft der Sprache. Stets beruft sich…mehr

Produktbeschreibung
Lyrik aus Litauen - "Tomas Venclova ist Litauens Stimme in der Weltliteratur. Ein lakonischer Elegiker und moderner Klassiker." Carsten Hueck, Deutschlandradio Kultur

Tomas Venclova ist einer der großen Dichter unserer Zeit. In seiner Heimat Litauen erlebte er den langen Winter des Totalitarismus, wegen seiner kritischen Haltung kam er in Bedrängnis. Es folgten Exil, Reisen und Heimkehr - die Lebensthemen seiner Lyrik -, doch als dieser unfreiwillige Weltbürger schließlich zurückkehrte, war das Land ein anderes. Was unverändert blieb, ist die rettende Kraft der Sprache. Stets beruft sich Venclova auf die Tradition der europäischen Literatur - von der griechischen Klassik bis zur Moderne. Lakonie, kristallklare Eleganz und feiner spöttischer Witz zeichnen seine Poesie aus, jene "unwirkliche Wirklichkeit", die sich unauflöslich mit der Erfahrung der Welt verwebt.
Autorenporträt
Tomas Venclova, geboren 1937 in Memel, heute Klaipeda, gilt als der bedeutendste Dichter Litauens. 1977 emigrierte er in die USA, wo er bis zu seiner Emeritierung an der Yale University russische Literatur lehrte. Heute lebt er wieder in Vilnius. Auf Deutsch sind die Gedichtbände "Gespräch im Winter" (2007) und "Vor der Tür das Ende der Welt" (2001), die Gespräche "Der magnetische Norden" (2017) sowie das Porträt "Vilnius. Eine Stadt in Europa" (2006) erschienen. Sein lyrisches und essayistisches Werk wurde vielfach übersetzt und ausgezeichnet, u. a. mit dem Petrarca-Preis 2014. Bei Hanser erschien zuletzt eine Auswahl seiner Gedichte unter dem Titel Variation über das Thema Erwachen (2022).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensentin Ilma Rakusa entdeckt einmal mehr große Poesie in den Texten des Grandseigneurs der litauischen Dichtung, Tomas Venclova. Die von Cornelius Hell besorgte Auswahl mit Gedichten aus den Jahren 2003 bis 2021 lässt Rakusa Orte und Zeiten durchmessen, auf Motive der Antike und der Bibel stoßen und darüber staunen, wie einfallsreich, elegisch und vor allem gebildet der Autor sein Thema der Vergänglichkeit entfaltet. Das Gespräch mit berühmten Kollegen von Horaz bis Mandelstam suchend, Landschaften durchstreifend, eröffnet der Autor laut Rakusa "Echoräume". Wie sich dabei Anschaulichkeit und Reflexion die Waage halten, vor allem in den Langgedichten, findet die Rezensentin überzeugend.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.06.2022

Landschaft
der Unfreiheit
Gedichte aus zwei Jahrzehnten des
großen Litauers Tomas Venclova
Die Erinnerung – vielleicht ist sie nicht nur eine suchende Bewegung, sondern auch eine eigene, hauchdünne Schicht, in der sich die Momente der Vergangenheit sammeln. Eine „unsichtbare Sphäre“, wie es Tomas Venclova einmal nennt, „die wie ein Eislicht / flimmert über der sichtbaren Welt“. In dieser Sphäre wechseln die Erscheinungen ständig. Eben noch sind die Juni-Winde einer Seelandschaft spürbar, schon hört man das dumpfe Geräusch eines Motors, um gleich darauf die Baumschatten an einer Wand zu erleben, an einem anderen Ort, in einer anderen Zeit.
In seinen Gedichten beschreibt sich der litauische Dichter Tomas Venclova immer wieder als Dichter des Partikularen. „Alles fließt“, der berühmte Satz Heraklits erinnert ihn an seine Neugier auf das, „was ein einziges Mal nur war und sein wird“. Und tatsächlich finden sich zahllose Einzelheiten in seinen Versen, nicht nur Wahrnehmungsmomente oder Landschaftsskizzen, gerade auch historische Splitter. Dabei kann es sich genauso um die Welt der Stadt Klaipėda vor Beginn des Zweiten Weltkriegs handeln, wo Venclova 1937 geboren wurde, wie um Erzählungen vom Tag des Mauerfalls in Berlin.
Diese unterschiedlichen Elemente sind stets in eine Reflexionsbewegung eingelassen, in der sich Beobachtung und Imagination durchdringen. So hat man beim Lesen den Eindruck, es gehe Venclova nicht nur um eine Feier der Einzelheiten, sondern darum, aus den Teilen die jeweilige Essenz zu destillieren. Um der Vergänglichkeit zu trotzen. Allein die Sprache mit ihrem Rhythmus, ihrem Klang und ihren Bedeutungsfächern, scheint es, kann der Zeit, dem „gefinkelten Zensor“, etwas entgegensetzen.
Und diese Sprache besteht bei Venclova immer aus mehreren Tönen, vom flapsig hingetupften Alltagswort bis zur pathetischen Geste. In gleicher Weise holt er die Stimmen der Toten in seine Verse: Erzählungen verstorbener Freunde oder Zitate wahlverwandter Dichter wie Derek Walcott. Vor allem aber Erinnerungen an die zahlreichen Opfer historischer Verbrechen und systemischer Gewalt. Dazu Motive aus antiken Mythen oder aus der Bibel.
Feiner sind jene Anspielungen, die in die Struktur der Gedichte eingegangen sind: Odenformen, Hymnen, bestimmte Versmaße, die sich auch bei Ossip Mandelstam finden oder bei W.H. Auden. So schreibt Venclova Verse, die sich konkret auf die Welt seiner Wahrnehmungen und seiner Lebensgeschichte einlassen und in denen doch die ganze Tradition und das Wissen um historische Bruchstellen mitschwingt. Was sich beim Lesen auffaltet, sind Bilder einer „Landschaft der Unfreiheit“, wie es einmal heißt – und immer wieder glimmt eine dünne Hoffnung in Venclovas Gedichten auf, es könnte doch so etwas wie eine „andere Ordnung“ geben.
Als Sohn des regimetreuen Schriftstellers Antanas Venclova war er zu Sowjetzeiten in Litauen in manchen Situationen vor Verfolgung geschützt. Zugleich galt er dem Regime schon früh als „Person mit unannehmbaren Auffassungen“, wie er es in einem Gespräch genannt hat. Erschöpft von dauernder Überwachung durch den Geheimdienst, emigrierte er 1977 in die USA, wo er in Yale Literatur unterrichtete. Heute lebt er wieder in Vilnius. Doch Venclova ist nach wie vor unterwegs. Einer der Reisen zwischen den USA und Litauen hat er ein ganzes Gedicht gewidmet. Im Flug über Städte und Landschaften blickt der Sprecher melancholisch auf seine Gegenwart und lässt nacheinander Uranos, Kronos und Mnemosyne durch die Verse streifen.
Dieser Hang zur Vermischung von „Kontinenten, Lagunen, Epochen“ kommt nicht immer ohne allgemeine Sätze aus, die sich mitunter zur Sentenz verfestigen: „Der Mensch, wie man weiß, hat als Einziger auf der Erde / so viel Weisheit, dass er mächtiger ist / als die Naturgewalt.“ Weitaus stärker ist Venclova dort, wo er das Vergehen der Zeit und die politische Deutung in vermeintlich winzige Details einlagert: „Auf die (...) Schneewehe eines Cappuccinos / drückt die Last des Zuckers, / die Finger wühlen im Tischtuch, Terpentin / dringt ein in die Panzer der Thujen“.
Die Auswahl dieses Bandes, an der Venclova selbst mitgearbeitet hat, zieht eine schöne Spur durch seine Gedichte der letzten 20 Jahre. Der Übersetzer Cornelius Hell hat vor allem Venclovas Rhythmus grandios nachgebildet, das Spiel mit Metren und den Wechsel der Versgeschwindigkeit. An manchen Stellen greift er noch tiefer ins Pathosregister als der Autor selbst, etwa bei Formulierungen wie „am Strande“ oder „im Schoße“. Dafür findet er sehr schöne Lösungen für jene Reime, mit denen Venclova, der Dichter des Erinnerns, seinen Band beschließt: „Die Gewölbe, unbewohnt, fließen / über Zellen, die zwecklos geworden. / Dem Skelett eines Klosters entsprießen / statt Nirvana nur Steine hier oben.“
NICO BLEUTGE
Dem Regime galt er als „Person
mit unannehmbaren
Auffassungen“. Er emigrierte
Tomas Venclova:
Variation über das Thema Erwachen. Gedichte. Aus dem Litauischen von Cornelius Hell. Mit einem Nachwort von Michel Krüger. Edition
Lyrik-Kabinett. Hanser, München 2022.
112 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.07.2022

Das Alphabet der Zeiten
Reise in die Welt von gestern, mythisch gestärkt: Tomas Venclovas Gedichte über das Erwachen

Das Aufleuchten erwachender Erkenntnis ist für die osteuropäische Dichtung seit jeher nicht nur ein metaphysischer, sondern immer auch ein zeitgleich geschichtlicher Prozess, bewusste Arbeit am historischen Bewusstsein. So sind auch Tomas Venclovas "Variationen über das Thema Erwachen" in einem konkreten politischen Raum angesiedelt und sprühen aber auch ebenso von Lesarten einer ineinander synästhetisch übergehenden Welt, die Inneres und Äußeres verbindet und dabei leichtfüßig die "Teleskope der Straßen" mit einer in viele Richtungen oszillierenden "gläsernen Tiefe" ins Gespräch kommen lässt. Es gibt naturgemäß darin eine Landschaft der Unfreiheit zu entdecken und eine innere, noch uneroberte Geographie zu erleben, die sich in Form, Rhythmus und Versmaß der eigenen Doppelnatur des Empfindens annähert.

Tomas Venclova ist 1937 in Memel, dem heutigen Klaipèda, zur Welt gekommen und gilt als der bedeutendste Dichter Litauens. 1977 verließ er die Sowjetunion und ging ins amerikanische Exil, wo er viele Jahre an der Yale University russische Literatur lehrte. Seit einiger Zeit lebt er wieder in Vilnius, dem er ein sehr lesenswertes Buchporträt gewidmet hat, das im Suhrkamp Verlag erschienen ist. Venclovas Fähigkeit, in seinen Gedichten die Mehrspurigkeit der Welt in genaue Wahrnehmung münden zu lassen, mag mit seinem ureigenen dichterischen Blick zusammenhängen, gewiss aber ist dieser auch von der jahrelangen Überwachung durch den Geheimdienst bestimmt. Denn beide Ebenen des Sehens und Unterwegsseins bringen die unsichtbaren Teile der Wirklichkeit in diesen Gedichten ins Schwingen. Zusammen mit seinem begnadet geduldigen Übersetzer Cornelius Hell hat Venclova für diesen Band eine Auswahl aus zwanzig Jahren Schaffen zusammengestellt. Der Übersetzung gelingt es, die leuchtenden "Splitter" der Geschichte, die für Venclova so wichtig sind, aber auch die der Gegenwart und Zukunft in ein überzeitliches "Diesseits" zu holen: "Splitter, der noch fühlt und leuchtet. / Und dieses Los vielleicht gar nicht verdient hat."

Dieses Jahr feiert Tomas Venclova seinen 85. Geburtstag. Er hat viel gesehen und erlebt, das "Jahrhundert der Wölfe", eine Zeit der Unfreiheit, Verfolgung und Diktatur, hat auch an ihm genagt. In seiner Dichtung weiß er deshalb genau zu zeigen, wie "die Steine klirren", wenn sie "Spielwürfel" werden. Er ist durch die Erfahrungen seines Lebens in der Lage, das Rauschen der Akazien mit einer anderen Tonalität in Verbindung zu bringen, weiß er doch, dass "ein Flügel / unterhält sich auf Latein mit dem Wind". Türme, Bahnhöfe, Amtssitze, er kennt die Möglichkeit ihrer neuen Beschriftung, und so nimmt er nicht nur das in ihnen eingeschriebene Äußere, die aktuelle Benennung, sondern auch das Vergehen der Zeit auf eine Weise wahr, wie es ausgesetzten Menschen eigen ist: "ohne jegliche Satzzeichen".

Was einem Lesenden ohne diese im eigenen Leben erfahrenen Verschmelzungen von Gewalt, Mythos und Not als saloppe Aneinanderreihung von an sich Unverbundenem erscheinen mag, ist für Venclova konkret und mystisch in einem: "die Zeit wächst an - ganz fremd und jedes Mal schwerer, / wird sie sie selbst ohne unser Zutun und Wissen." Dabei sieht dieser Dichter auch, auf welche Weise "ein Diktator den Fußball vergöttlicht, / der seinen Untertanen verboten ist". Diese Dichtung zeugt nicht nur - wie alle Dichtung - von sich selbst, sondern auch von einer Zeit, in der es überhaupt "Untertanen" gibt. Venclova erzählt uns auch von unserer eigenen Epoche, die wir seit diesem Februar neu lesen lernen müssen und die uns durch den Krieg in der Ukraine aufs Schmerzlichste bewusst geworden sein darf.

In seinen Essays versteht sich Tomas Venclova als "historischer Optimist", in seinen Gedichten sucht er die noch "unsichtbaren Tage". Im Brennglas seiner großen Kenntnisse mythischer antiker Verwebungen hat er eine Sprache gefunden, die aus der Geschichte heraus das Geschichtliche überwindet und in das allgemein Menschliche vordringt, um zu zeigen, dass die Bäume nicht nur hier, sondern, wie so oft bei ihm, zeitgleich etwas anderes tun, indem sie auch im Raum Platos leben. So findet er in seinen Gedichten am Ende dann doch das "Alphabet der Zeiten", indem er das Zeitliche durchschreitet, um es hinter sich lassen zu können. Michael Krüger hat ein Nachwort zu diesem Buch verfasst, das selbst eine feine kleine literarische Reise in die Welt von gestern ist, die er durch seine weltweit wirkende Arbeit als Verleger wesentlich mitgeprägt hat. Cornelius Hell, der im deutschsprachigen Raum als der beste Kenner litauischer Literatur gilt, hat Tomas Venclovas innere Jahrhundertgespräche mit Zikaden, Meeren, Äonen und Fischen mit ästhetisch unbestechlicher Feinheit ins Deutsche übertragen. Seine genaue Lesart ist wohltuend, sein langer Atem für diese wild ausschlagenden Gedichte beeindruckend. MARICA BODROZIC

Tomas Venclova: "Variationen über das Thema Erwachen". Gedichte.

Aus dem Litauischen von Cornelius Hell.

Edition Lyrikkabinett

bei Hanser, München 2022. 110 S., geb., 20,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Was sich beim Lesen auffaltet, sind Bilder einer 'Landschaft der Unfreiheit', wie es einmal heißt - und immer wieder glimmt eine dünne Hoffnung in Venclovas Gedichten auf, es könnte doch so etwas wie eine 'andere Ordnung' geben." Nico Bleutge, Süddeutsche Zeitung, 28.06.22

"Tomas Venclovas Umgang mit Sprache ist so überzeugend, dass seine Gedichte auch (fast) ohne Meta-Wissen absolut faszinieren. Und das liegt an Venclovas traumwandlerisch sicherem Umgang mit Rhythmus, Musikalität, Reim, Metapher, Bild usw., sodass das Lesen eines Venclova-Gedichtes zum wahren Vergnügen wird." Matthias Ehlers, WDR5 Bücher, 21.05.22

"Tomas Venclova ist vermutlich der letzte große Dichter des 20. Jahrhunderts. Voller Pathos, voller Welt, voller Prosodie. Seine Dichtungen sind allumfassende Entwürfe, geschichtsgesättigte ganze Weltbilder, monumental auch im Kleinen." ORF, Ö1 Ex libris, 24.04.22

"Venclova verwebt Politik, Natur und persönliches Erleben zu einem eigenständigen poetischen Ganzen." Andreas Puff-Trojan, Die Presse, 09.04.22