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6. Juni 1944: Eine gewaltige Armada von Kriegsschiffen und Landungsbooten nähert sich den Küsten der Normandie, zahllose Flugzeuge sind am Himmel zu sehen. ?Unternehmen Overlord? hat begonnen.Die alliierte Invasion war der Auftakt zur Befreiung Westeuropas von deutscher Besatzung. Gemeinsam mit der fast zeitgleich stattfindenden Operation Bagration, der entscheidenden Offensive der Roten Armee im Osten, besiegelte sie das Schicksal des Dritten Reiches. Am Abend des ?D-Day? hatten die amerikanischen, kanadischen und britischen Truppen einen ersten Brückenkopf im besetzten Frankreich gesichert.…mehr

Produktbeschreibung
6. Juni 1944: Eine gewaltige Armada von Kriegsschiffen und Landungsbooten nähert sich den Küsten der Normandie, zahllose Flugzeuge sind am Himmel zu sehen. ?Unternehmen Overlord? hat begonnen.Die alliierte Invasion war der Auftakt zur Befreiung Westeuropas von deutscher Besatzung. Gemeinsam mit der fast zeitgleich stattfindenden Operation Bagration, der entscheidenden Offensive der Roten Armee im Osten, besiegelte sie das Schicksal des Dritten Reiches. Am Abend des ?D-Day? hatten die amerikanischen, kanadischen und britischen Truppen einen ersten Brückenkopf im besetzten Frankreich gesichert. Mitte September standen alliierte Soldaten an der deutschen Grenze. Anschaulich und spannend erzählt Peter Lieb die Geschichte dieser Schlacht um Frankreich ? aus der Perspektive der Alliierten, der Deutschen, aber auch der französischen Zivilbevölkerung, der Vichy-Regierung und der Résistance. Dabei verbindet er den strategischen Blick von oben mit den Kampferfahrungen der einzelnen Soldaten und bettet das Geschehen in die strategischen Rahmenbedingungen des Zweiten Weltkriegs ein.
Autorenporträt
Peter Lieb ist seit 2005 Senior Lecturer im Department of War Studies an der Royal Military Academy Sandhurst und einer der führenden Experten für die Geschichte des besetzten Frankreichs und der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Das Schlachtfeld der Normandie ist ihm aus zahlreichen Besuchen und militärischen Übungen als Tourguide für britische Offiziersanwärter bestens vertraut.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.06.2014

Invasion in der Normandie
Die einen kämpften für Europas Befreiung, die anderen für ein verbrecherisches Regime

In der deutschen Erinnerungskultur stand die Invasion in der Normandie "von jeher im Schatten von Verdun und Stalingrad". Das meint der an der Militärakademie in Sandhurst lehrende und aus Garmisch-Partenkirchen stammende Historiker Peter Lieb. In neun Kapiteln schildert er anschaulich und eindringlich Planung, Verlauf und Folgen der Befreiung Frankreichs - aus der Perspektive der Alliierten, der Deutschen sowie der französischen Zivilbevölkerung und der Résistance. Der seit 1940 besetzte Westen war wirtschaftlich für das "Dritte Reich" wichtig, militärisch war es ein Nebenkriegsschauplatz: "Lediglich die Häfen waren für die Kriegsmarine und ihren ,Kampf im Atlantik' von Bedeutung. Doch für das Heer galt der Westen zwischen 1940 und 1943 als beschaulicher und ruhiger Ort, wo ,Badebetrieb' herrschte, wie es spöttisch hieß."

Zwischen Berlin und Vichy - mit dem greisen Marschall Philippe Pétain als Integrationsfigur an der Spitze - gab es gemeinsame Feindbilder: Kommunisten und Juden: "Das Regime schützte einen Teil seiner Bürger nicht, sondern lieferte sie den Nationalsozialisten aus. Es war genau jene Staatskollaboration, die damals wie heute Vichy vorgeworfen wird." Dazu war die Vichy-Regierung bereit, weil sie hoffte, dass Frankreich einmal als unabhängiger Staat einen bevorzugten Platz in einem "deutschen Europa" bekäme. Die deutschen Verbände im besetzten Frankreich waren - so Lieb - am Vorabend der Invasion einer feindlichen Groß-Landung "kaum gewachsen" - trotz des Atlantikwalls und des (von Generalfeldmarschall Rommel) initiierten Systems von Stacheldrähten, Panzergräben und Minenfeldern. Immerhin habe sich die Wehrmacht zumindest auf taktischer Ebene flexibler als die Alliierten gezeigt: "Das Bild vom ,Kadavergehorsam' der Wehrmacht ist heute genauso weit verbreitet, wie es grundlegend falsch ist - zumindest in rein militärischen Belangen. Schlüssel für den deutschen Erfolg war das ,Führen durch Auftrag'." Diese Überlegenheit führte dazu, die Alliierten wegen ihrer "materialistischen Einstellung" zu unterschätzen.

Die Alliierten mussten eine anspruchsvolle amphibische Landung und Probleme der Koalitions-Kriegführung meistern. Unter amerikanisch-britischer Führung stellte Kanada drei Divisionen, hinzu kamen kleinere Kontingente der Exilregierungen Polens, der Tschechoslowakei, Griechenlands, Norwegens und Belgiens: "Deren militärischer Beitrag zur Normandie-Schlacht war meist nur symbolisch, sieht man vielleicht von den etwa 16000 Mann der Polnischen 1. Panzer-Division unter Generalmajor Stanislaw Maczek ab." Schwierig war die Zusammenarbeit mit General Charles de Gaulle, dem Führer der "Freien Franzosen" in London.

Die deutsche Reaktion auf den D-Day charakterisiert Lieb mit den Schlagwörtern "Pleiten, Pech und Pannen" - nicht zuletzt wegen unzureichend geklärter Befehlsstrukturen und Parallel-Hierarchien. In den frühen Morgenstunden des 6. Juni 1944 war wegen einer erwarteten Landung deutscherseits die höchste Alarmstufe ausgegeben worden: "Damit waren sämtliche Einheiten in den Widerstandsnestern am Strand und die örtlichen Reserven direkt dahinter einsatzbereit." Das Bild eines "schlafenden Heeres" sei unzutreffend. Zudem habe sich die "gewaltige Zerstörungskraft der Jagdflugzeuge und Bomber" in Grenzen gehalten: Der Ausfall an deutschen Panzern nach Luftangriffen sei gering geblieben. Die alliierte Luftüberlegenheit wirkte sich "eher indirekt" aus: auf Versorgung und Moral der "Landser". Amerikaner und Briten verließen sich stark auf die Artillerie, um eigene Verluste möglichst gering zu halten. In der Normandie stellten sie ein militärisches Prinzip geradezu auf den Kopf: Die Artillerie war nicht mehr "Unterstützungswaffe der Infanterie, sondern die Infanterie Unterstützungswaffe der Artillerie".

Thematisiert werden die Ermordungen von Kriegsgefangenen, insbesondere durch Einheiten der Waffen-SS. Auch die Alliierten hätten sich "zahllose Kriegsverbrechen zuschulden kommen lassen", konstatiert der Autor: "Die westlichen Streitkräfte und die Wehrmacht unterschieden sich kaum darin, ,wie' sie kämpften. Fundamental war aber das, ,wofür' sie kämpften - die einen für eine Befreiung Westeuropas, die anderen für ein verbrecherisches Regime." Zum Aufstand der französischen Bevölkerung gegen die deutschen Besatzer kam es durch die Landung bekanntlich nicht. Dennoch töteten die Deutschen etwa 600 Zivilisten, darunter 80 Gefangene, die SD-Leute am 6. Juni 1944 im Gefängnis von Caen erschossen. Selbst nach damaligen Maßstäben war die Tötung von unbeteiligten Zivilisten ein schweres Kriegsverbrechen, betont Lieb und nennt weitere Beispiele: am 9. Juni das Erhängen von 99 Männern in Tulle und am 10. Juni das Massaker von Oradour-sur-Glane, dem 642 Männer, Frauen und Kinder zum Opfer fielen. Beide Verbrechen verübten Einheiten der SS-Division "Das Reich": Oradour "sorgte selbst bei vielen deutschen Stellen für Empörung" und "gilt bis heute als Synonym für die Grausamkeiten der deutschen Besatzungsherrschaft in Frankreich, obgleich es ein Extrem- und nicht der Normalfall war". Wehrmachtangehörige waren ebenfalls für ein Massenverbrechen verantwortlich. In Robert-Espange und drei benachbarten Dörfern tötete am 29. August 1944 ein Bataillon der 3. Panzer-Grenadier-Division 86 Zivilisten.

In seinem Resümee bezeichnet Lieb das "Unternehmen Overlord" als wichtigen Baustein für den alliierten Sieg - eine Entscheidungsschlacht im politischen, nicht jedoch im militärischen Sinn. Zu Letzterem hätten die Alliierten im August 1944 bei Falaise und im Rhone-Tal viel entschlossener operieren müssen: "Ein Sieg in einer dieser Schlachtern hätte mit ziemlicher Sicherheit den Krieg erheblich verkürzt, ein Sieg in beiden Schlachten den Krieg womöglich sofort beendet."

RAINER BLASIUS

Peter Lieb: Unternehmen Overlord. Die Invasion in der Normandie und die Befreiung Westeuropas. Verlag C. H. Beck, München 2014. 254 S., 14,95 [Euro].

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