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Produktdetails
  • Ullstein Taschenbuch
  • Verlag: Ullstein TB
  • Seitenzahl: 682
  • Abmessung: 41mm x 117mm x 180mm
  • Gewicht: 380g
  • ISBN-13: 9783548252629
  • ISBN-10: 3548252621
  • Artikelnr.: 09854702
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.09.1997

Das Grunzen der Kühe
Überstehen ist alles: Joanna Trollope erzählt vom Lande

Beerdigungen sind ebenso beliebt für den Anfang eines Krimis wie für den Beginn einer Familiengeschichte: Haupt- und Nebenfiguren sind um das Grab versammelt, und schon die kleinsten Gesten können verraten, welcher Art die Beziehungen der einzelnen zu dem Verstorbenen waren. Joanna Trollope beschreibt nüchtern eine Trauerzeremonie auf dem Dorffriedhof bei strömendem Regen. Die Angehörigen bringen sie mit Anstand hinter sich. Trost wird von keiner Himmelsmacht erwartet, man verläßt sich auf die eigene Kraft. Das Leben muß durchgestanden werden.

Die Meredith' sind Farmer in den Midlands, ordentliche Leute, die wortkarg ihre Pflicht tun. Der eine Sohn bewirtschaftet zusammen mit den Eltern einen Pachthof, der andere, Witwer jetzt, züchtet auf eigenem Grund Rinder. Allesamt wehren sie sich gegen die Einsicht, daß die Zeit der kleinen landwirtschaftlichen Betriebe vorbei ist. Der alte Meredith versucht einmal zu erklären, warum es keine Alternative zu diesem entsagungsreichen Leben gibt: "Wir können einfach nicht anders. Es ist einem angeboren, wird vererbt . . ." Es sei eine Form des Lebens, sagt seine Frau Dilys an anderer Stelle, nicht mit anderen Geschäften zu vergleichen, die man sich einfach vom Hals schaffen kann.

Wer in diese Lebensverhältnisse nicht hineingeboren ist, kann dort nur schwer Wurzeln schlagen. Die Amerikanerin Caro, um deren Grab anfangs die Trauergemeinde steht, war auch nach vierundzwanzig Ehejahren mit dem verschlossenen Robin noch eine Fremde, eine "seltsame Person", außerstande, sich für die Farm zu interessieren. Doch nun, da sie tot ist, scheint es, als hätte sie in der Familie vieles zusammengehalten, als hätte sie einen Hauch von Freiheit in dieses manchmal verhaßte eintönige Leben auf dem Land gebracht. Nicht nur ihr Mann und ihre Adoptivtochter vermissen sie, sondern auch ihr Schwager, der ehrgeizige, unruhige Joe, der von allen am schwersten mit den neuen Verhältnissen fertig wird und schließlich scheitert. Sein Freitod, der weit härtere Schicksalsschlag, der die Familie wenig später trifft, ist ein Zeichen tiefster Verzweiflung, er gefährdet aber auch die Existenz der Hinterbliebenen.

Joanna Trollope stellt der bodenständigen Familie, die ihre geheimen Wünsche stets verbirgt und mit gewohnter Arbeit verdrängt, eine junge Frau gegenüber: Zoe, ungebunden, spontan und hilfsbereit. Sie ist die Freundin der in die Stadt geflohenen Adoptivtochter von Caro und Robin, ein bunter, unsteter Vogel im verklemmten Alltag der verunsicherten Familie. Ihr gelingt es nicht nur, den schwerfälligen Robin aus seiner Einsamkeit zu erlösen, sie gewinnt auch die Herzen der alten Meredith'. Ein wenig unglaubwürdig ist das, und natürlich auch nicht für die Ewigkeit gedacht. Aber Zoe bringt die Meredith' zum Sprechen, sie macht ihnen Mut, ihre Gefühle zu zeigen, statt Teewasser aufzusetzen oder das Futter für die Rinder zu mischen.

Apropos Rinder: die Übersetzerin läßt die Kühe "grunzen", und mindestens ein dutzendmal grunzen auch die Menschen, statt zu brummen oder sich zu räuspern. Es ist eigentlich unbegreiflich, daß der Lektor solche und andere Übersetzungsfehler ignoriert hat. Es beeinträchtigt die Lektüre dieses mit Lebensweisheiten erfüllten Romans, der ungeschönt Einblick gibt in die ländliche Wirklichkeit unserer Tage. MARIA FRISÉ

Joanna Trollope: "Die nächsten Verwandten". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Christel Wiemken. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 1997. 336 S., geb., 39,80 DM.

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