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Produktdetails
  • Verlag: Bernard & Graefe
  • Seitenzahl: 244
  • Deutsch
  • Abmessung: 240mm
  • Gewicht: 771g
  • ISBN-13: 9783763762095
  • ISBN-10: 3763762094
  • Artikelnr.: 21567148
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.04.2001

Besser versteckt
Maximal fünf Prozent: Wehrmachtsoffiziere beim Aufbau der DDR

Peter Joachim Lapp: Ulbrichts Helfer. Wehrmachtsoffiziere im Dienste der DDR. Bernard & Graefe Verlag, Bonn 2000, 244 Seiten, 48,- Mark.

Günter Gaus hatte eine Erleuchtung. Bei einem Podiumsgespräch mit Gregor Gysi im Oktober vergangenen Jahres schockierte er die PDS-Anhänger mit der Bemerkung: Das Angenehme an der DDR sei ihm gewesen, daß "ihr hier keine Globkes hattet", bis er mitbekommen habe, "daß sie hier nur besser versteckt waren".

Auftragsgemäß versteckte die SED-Militärhistoriographie auch die Biographien von Wehrmachtsoffizieren, die von Beginn an bei der Remilitarisierung der SBZ/DDR in Schlüsselpositionen beteiligt waren oder als Zivilisten in exponierten Stellungen Karriere machen konnten. Aus Publikationen des "Untersuchungsausschusses Freiheitlicher Juristen" war bereits seit Anfang der sechziger Jahre bekannt, daß viele dieser Wehrmachtsoffiziere ehemalige NSDAP-Mitglieder waren. Es befanden sich darunter nationalsozialistische Führungsoffiziere, SA- und SS-Angehörige sowie mit dem 1958 pensionierten NVA-Generalmajor Arno von Lenski sogar ein ehrenamtlicher Richter am Volksgerichtshof, der an Todesurteilen mitgewirkt hatte. Ein ehemaliger Kriegsgerichtsrat und NS-Parteigenosse, Kurt Schumann, durfte von 1949 bis 1960 als Präsident des Obersten Gerichts der DDR amtieren.

Peter Joachim Lapp kann sich in seinen biographischen Skizzen von prominenten Wehrmachtsoffizieren im Dienste des SED-Regimes zwar auf bereits Bekanntes stützen, doch er verknüpft es mit neuen Erkenntnissen aus den jetzt zugänglichen SED- und Ministerratsakten. Ihm geht es nicht darum, eine Durchsetzung der Volkspolizei und der Nationalen Volksarmee mit "faschistischen Offizieren" aufzudecken. Er verweist vielmehr darauf, daß dort der Anteil der Wehrmachtsoffiziere maximal fünf Prozent betrug, während die Bundeswehr in ihrer Aufbauphase fast ausschließlich auf sie zurückgegriffen habe. Doch qualitativ hätten sie in der SBZ/DDR eine weit größere Rolle gespielt.

Im September 1948 kamen bei der "Aktion 5 + 100" fünf Wehrmachtsgenerale (unter ihnen Generalleutnant Vincenz Müller) und 100 Offiziere aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft in die SBZ mit dem Auftrag, beim Aufbau von kasernierten Polizeiverbänden vornehmlich in Stabspositionen und Lehreinrichtungen mitzuwirken. Die daran beteiligten SED-Funktionäre waren nicht begeistert, mußten sich jedoch dem Willen der sowjetischen "Freunde" beugen.

Die meisten "Ehemaligen" hatten nach ihrer Gefangennahme in der Sowjetunion einen ähnlichen Werdegang: Mitarbeit beim "Nationalkomitee Freies Deutschland" (NKFD) und im "Bund Deutscher Offiziere" (BDO), Antifa-Schule und geheimdienstliche Anbindung. Nach ihrer Rückkehr traten sie mehrheitlich in die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NDPD) ein, die 1948 auf Veranlassung der Besatzungsmacht eigens als Sammelbecken für ehemalige Nationalsozialisten und Soldaten gegründet wurde.

Die im Buchtitel suggerierte Assoziation von Ulbricht mit Hitlers "Helfern" deckt sich nicht mit dem tatsächlichen Gewicht der "Ehemaligen" im SED-Staat. Sie entspricht auch nicht den Schlußfolgerungen des Autors, der für einige unter ihnen - so für Vincenz Müller und Friedrich Paulus - offenkundig Sympathie empfindet und sie als zeitweilig nützliche, aber auch mißbrauchte Werkzeuge der Kommunisten sowie als Opfer ihrer illusionären neutralistischen deutschlandpolitischen Vorstellungen charakterisiert. Lapp bevorzugt griffige Formulierungen, wobei er jedoch nicht auf sorgfältige Belege im Anmerkungsapparat verzichtet.

GUNTER HOLZWEISSIG

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Udo Scheer bescheinigt der Studie, die den Einsatz von Wehrmachtsangehörigen im Militär- und Polizeiwesen der DDR dokumentiert, "bemerkenswerte Einblicke" zu bieten. Er lobt die ca. 30 Biografien für ihre interessanten Informationen, die vor allem aus Akten der Gauck-Behörde stammen. Wenn Scheer auch durch die Einseitigkeit des zugrunde gelegten Quellenmaterials ein gewisses "Manko" beklagt - er hätte sich vor allem eine "umfassendere zeitgeschichtliche Einordnung" gewünscht - so ist er doch alles in allem sehr angetan von der Studie, die eindrücklich verdeutlicht, dass Wehrmachtsangehörige nicht selten in wichtige militärische Positionen aufgestiegen sind.

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