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Tynner ist Universitätsdozent und einsam. Die einzige Person, die ihm mit einer gewissen Zuneigung entgegenzutreten scheint, ist seine Putzfrau. Eine alte, schwitzende, aufgeschwemmte Frau, die er fast nie sieht, aber deren Arbeitsgeräusche er oft durch die geschlossene Tür in seinem Schlafzimmer hört. Sie schmückt seine Wohnung mit Blumen, stellt, bevor sie geht, Gebäck auf den Tisch und hinterläßt den feinen Geruch eines betörenden Parfums. Um seine Einsamkeit zu betäuben, stürzt sich Tynner ins Kulturleben der Universitätsstadt, doch findet er kaum Anschluß. Endlich entschließt er sich, in…mehr

Produktbeschreibung
Tynner ist Universitätsdozent und einsam. Die einzige Person, die ihm mit einer gewissen Zuneigung entgegenzutreten scheint, ist seine Putzfrau. Eine alte, schwitzende, aufgeschwemmte Frau, die er fast nie sieht, aber deren Arbeitsgeräusche er oft durch die geschlossene Tür in seinem Schlafzimmer hört. Sie schmückt seine Wohnung mit Blumen, stellt, bevor sie geht, Gebäck auf den Tisch und hinterläßt den feinen Geruch eines betörenden Parfums. Um seine Einsamkeit zu betäuben, stürzt sich Tynner ins Kulturleben der Universitätsstadt, doch findet er kaum Anschluß. Endlich entschließt er sich, in die liebevoll gepflegte Wohnung zurückzukehren und seine Putzfrau zur Rede zu stellen - woraufhin er eine bemerkenswerte Entdeckung macht.
Autorenporträt
Mag. Dr. Ulrike Längle, Leiterin des Franz-Michael-Felder-Archivs in Bregenz, Schriftstellerin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.07.1996

Milch der Menschenfressermutter
Lange Geschichte von der Liebe, kurz: Ulrike Längles "Tynner"

Nach den beiden Erzählbänden "Am Marterpfahl der Irokesen" und "Der Untergang der Romanshorn", 1992 und 1994 erschienen, scheint Ulrike Längle mit dem Kurzroman "Tynner" nun auf dem Weg zur erzählerischen Großform zu sein. Die Kurzprosa aber wird wohl ihre eigentliche Stärke bleiben, denn Ulrike Längle dringt stets ohne Umschweife zum Kern vor, hält den Leser in Bewegung, ohne ihm den Atem zu nehmen oder seine Erwartungen allzulange aufzuschieben. Sie betrachtet ihre Gegenstände aus ironischer Distanz, ohne zu vergessen, daß Ironie keine Säure sein darf, die ihr Objekt zerfrißt, sondern wohldosiert bleiben und jede Abnutzung vermeiden muß. Eine so intelligente und doch unprätentiöse, spritzige Erzählprosa wie die Ulrike Längles findet man selten in der Gegenwartsliteratur.

Auf ihren neuen Helden, den Münchner Dozenten für Theaterwissenschaft Tynner, läßt sie ein Licht jener Komik fallen, die Gegenstand seiner wissenschaftlichen Arbeit ist, der er aber eine Theorie des "Seriösen" entgegensetzen will. Tynner ist als Mittfünfziger noch Single, besitzt zwar ein Reitpferd, das er zweimal wöchentlich bewegt, hat aber, mit den Worten Thomas Manns, einen Hang zu den "Wonnen der Gewöhnlichkeit", zu einem Leben unter der Kuckucksuhr. Seit einiger Zeit brütet er einen Roman "über die Risse im Putz der Gesellschaft" aus. Der Zugehfrau, die seine Wohnung instand hält und neuerdings einige ihrer Gewohnheiten geändert hat, zeigt er sich nie.

Unter Ulrike Längles Blick geraten Personen und Situationen ins Skurrile. Ihr trockener Witz sticht in die Luftblasen des Überspannten und Verquasten. Durch treuherziges Nacherzählen der Handlung läßt sie Schauspiel und Oper bei Tynners Besuch der Salzburger Festspiele übermäßig theatralisch erscheinen. Kulturerholungsprogramme, Laientheater und Freilichtaufführungen sind von Dilettantismus geprägt. Aber die Erzählerin kann ihre Ironie auch durch Kapriolen der Phantasie unterlaufen, etwa im Bericht von den Liebesmaschinen, dem "Ballett mit zwei Baggern aus dem Steinbruch, die mit ihren Schaufeln ein Techtelmechtel begannen".

Ulrike Längle streut ihre satirischen Gegengifte mit leichter Hand. Manchmal haften sie an der Oberfläche und verfehlen ihre Wirkung, wie etwa die Parodie moderner Kunst, die sich auf Stammtischniveau herabläßt. Hier hält auch das Argument einer Ironisierung der Ironie nicht stand. Treffender ist die Zeitdiagnostik, wo sie lakonisch bleibt. Tynners Freund, der Schulwart Mynner, erzählt von einem Abendessen, zu dem die Gastgeberin, Frau eines Lehrers und Mutter eines Säuglings, nach biologischem Hackbraten Vanillepudding mit eigener Muttermilch serviert. Prompt träumt Tynner in der folgenden Nacht von einer Menschenfressermutter, eine Variation des psychoanalytischen Motivs vom Wunsch nach Rückkehr in den Mutterschoß. Vielleicht der frechste, weil mit der Blasphemie liebäugelnde Einfall ist jene Zeitungsnotiz vom neuen Lehrschreiben des Heiligen Vaters, das die Sommerzeit als einen Eingriff in die von Gott gewollten Zeitabläufe ächtet. Natürlich hat der Theologe Hans Küng schon seine Widerlegung angekündigt.

Der Roman endet mit einer unerwarteten, entzückenden Liebesszene, in der unser Hagestolz Tynner zur Strecke gebracht wird. Wer die Jägerin ist, wer sich als Zugehfrau in die Wohnung eingeschlichen hat? Mit der Antwort sei nicht der Leser der Rezension, sondern erst der Leser des Romans belohnt. WALTER HINCK

Ulrike Längle: "Tynner". Roman. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1996. 139 S., br., 18,- DM.

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