14,99 €
inkl. MwSt.

Versandfertig in 1-2 Wochen
payback
7 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

The unnamed narrator of Jurgis Kuncinas's Tula is our tour guide through the infamous poverty-stricken bohemian quarter of Vilnius known as Uzupis (literally, "beyond the river"), living his life on the fringes of society, including his journeys through various institutions for alcohol treatment. On the way we meet a number of curious inhabitants of this unique district, everyone from a chemistry professor with an exhibitionist problem to the descendant of a 15th-century Lithuanian hetman obsessively carving wooden masks all night long. It's a place where you're likely to encounter people…mehr

Produktbeschreibung
The unnamed narrator of Jurgis Kuncinas's Tula is our tour guide through the infamous poverty-stricken bohemian quarter of Vilnius known as Uzupis (literally, "beyond the river"), living his life on the fringes of society, including his journeys through various institutions for alcohol treatment. On the way we meet a number of curious inhabitants of this unique district, everyone from a chemistry professor with an exhibitionist problem to the descendant of a 15th-century Lithuanian hetman obsessively carving wooden masks all night long. It's a place where you're likely to encounter people walking both sides of the moral line, where one is just as likely to run into great kindness as unfeeling evil, and where the complex history and mix of cultures that make up the city of Vilnius constantly intrude into the present. But at the very heart of the narrative is the narrator's tragic love for the equally misfit Tula, a love the narrator carries with him, both figuratively and literally, throughout his chaotic existence. The action, which sometimes takes the form of the narrator's fantastic visions of visiting his love in the guise of a bat, includes a hitchhiking trip through Ukraine and Crimea, and takes place over a number of years spanning a good part of the late Soviet era. Considered a modern-day classic of Lithuanian literature, T¿la won the Lithuanian Writers' Union award for the best book of 1993 and is now in its third edition in Lithuania. It has previously been translated into Russian, Swedish, and Polish. Jurgis Kuncinas (1947-2002) was a prolific writer and translator whose work includes poetry, novels, essays, short stories, and children's books. His works have also been translated into German, Latvian, and Estonian and are particularly popular in Russia; a number of his works have been translated and there is even a fan site (in Russian), kuncinas.com. Elizabeth Novickas has published several books translated from the Lithuanian, including Ricardas Gavelis's Vilnius Poker, included on the long list for the Best Translated Book Award in 2009, and books by Kazys Boruta, Giedra Radvilaviciute, and Petras Cvirka. She is the recipient of a 2010 translation grant from the NEA and the 2011 winner of the Lithuanian Translator's Association St. Jerome Prize.
Autorenporträt
Jurgis Kuncinas (1947-2002) was a prolific writer and translator whose work includes poetry, novels, essays, short stories, and children's books. His works have also been translated into Swedish, German, Latvian, and Estonian and are particularly popular in Russia; a number of his works have been translated and there is even a fan site (in Russian), kuncinas.com.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2017

Der Liebende wird zur Fledermaus

Mit dem Roman "Tula" von Jurgis Kuncinas erscheint zur Leipziger Buchmesse ein Meisterwerk der litauischen Literatur.

Von Reinhard Veser

Halt in der Haltlosigkeit bietet nur die Topographie. Alle Wege, die der namenlose Erzähler im Roman "Tula" von Jurgis Kuncinas geht, alle Orte, an denen er trinkt, verprügelt wird und liebt, lassen sich genau bestimmen. Die Orte der Handlung in Vilnius werden so präzise beschrieben, dass man den Spuren des durch die Stadt vagabundierenden obdachlosen Trinkers auch heute noch mühelos auf Schritt und Tritt folgen kann. Dabei hat sich vieles verändert seit den sieben Tagen irgendwann Ende der siebziger oder Anfang der achtziger Jahre, um die das Geschehen kreist. Die Kneipen, in denen er sich von scheiternden Künstlern und Literaten Schnaps, Wein und Bier ausgeben und auch den einen oder anderen Rubel zustecken lässt, gibt es seit einer halben Ewigkeit nicht mehr; und Uzupis, wohin es ihn immer wieder zieht, weil die rätselhafte Tula dort ihr Zimmer hatte, ist schon lange nicht mehr der heruntergekommenste Teil einer verfallenden Altstadt, sondern ein aufblühendes In-Viertel mit Galerien, Bars und Bioläden.

Kuncinas lebte selbst in jener Welt der Stadtstreicher, Bohemiens und unangepassten Alkoholiker, durch die er seinen Helden taumeln lässt. Manche Details aus dessen Leben stammen aus der Biographie des 1947 geborenen Autors, der 1968 kurz vor Ende seines Germanistik-Studiums von der Universität geworfen wurde, weil er nicht am obligatorischen Militärunterricht teilnehmen wollte. In der Sowjetzeit schlug er sich in wechselnden Berufen durch und veröffentlichte Übersetzungen und Gedichtbände. Die eigentliche literarische Karriere von Kuncinas konnte erst beginnen, als Litauen Anfang der neunziger Jahre die Freiheit wiedererlangt hatte. Bis zu seinem plötzlichen Tod 2002 schrieb er sieben Romane, deren bester nun endlich auf Deutsch vorliegt.

Man kann "Tula" als Milieuschilderung der späten Sowjetzeit in Litauen lesen und dabei viel darüber lernen, wie das Imperium an seinen Rändern verfaulte. Für denjenigen, der sie finden will, öffnet dieser Roman unendlich viele Zugänge zu den kulturellen und historischen Entwicklungen jener Jahre, die im Osten Europas bis heute so nachwirken, dass ihre Schockwellen es regelmäßig in die Schlagzeilen schaffen. Aber das lokale Kolorit ist nicht die eigentliche Qualität dieser großartigen, zeitlosen Geschichte einer verlorenen, vielleicht von Beginn an hoffnungslosen Liebe zweier verwundeter und aus der Bahn geworfener Menschen. Die Genauigkeit, mit der Vilnius geschildert wird, die Vielzahl von historischen Anspielungen, die bis zu den Namen der alkoholischen Getränke reichende Detailtreue haben den Zweck, eine Suche fest in der Wirklichkeit zu verankern, in der die Grenzen zu Wahn und Phantasie so sehr verwischen, dass sich der Erzähler manchmal fragt, ob es Tula überhaupt gegeben hat.

"Mir den Hintern wund sitzend, schrieb ich dir in der nächtlichen Kantine einen Brief nach dem anderen - ich strich nichts durch, erzählte dir alles der Reihe nach oder brachte im Gegenteil alles so hoffnungslos durcheinander, dass ich selbst nicht wusste, was wahr und was nach stillem Wahnsinn roch und erlogen war - keine Illusionen!" Der ganze Roman ist so wie diese Briefe, die der Erzähler aus der Psychiatrie und dem Alkoholiker-Gefängnis (eine sowjetische Spezialität des Umgangs mit der Sucht) an Tula schreibt: Es ist die Lebensbeichte eines Gescheiterten, der sich nie so recht entscheiden kann, ob er gerade zu imaginären Zuhörern spricht oder ob er der toten Tula berichtet, wie er die sieben Tage mit ihr erlebt hat, später in Gestalt einer Fledermaus in ihr Zimmer eingedrungen ist und über ihren Schlaf gewacht hat, sie im Trunk und den Armen anderer Frauen manchmal fast vergaß - um danach nur noch deutlicher zu spüren, was sie ihm bedeutete.

Vergeblich versucht er immer wieder, mit einem Wechsel in einen harmlos klingenden Plauderton, dem im Lauf der Erzählung immer stärker werdenden Sog der Frage zu entkommen, deren Beantwortung er von Tula schon im ersten atemlosen Satz des Romans fordert - einer Frage, auf die nicht nur er eine Antwort will und nicht bekommt: "Sprich zu mir, Tula, flüstere mir etwas, wenn das Abendrot die hohen, zuvor schon roten Wände der Bernhardiner immer roter werden lässt . . ., sprich und sag, was wird uns noch an die wie eine Seuche ansteckende Liebe erinnern, nicht herausgeschrieen in den Innenhöfen am Mittelmeer, auch nicht mit dem Schmutz der Stadt behaftet, so verspätet und von niemandem gebraucht?"

Jurgis Kuncinas: "Tula". Roman.

Aus dem Litauischen von Markus Roduner. Mit einem Nachwort von Martin Pollack. Corso Verlag, Frankfurt am Main 2017. 160 S., geb., 19,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr